In meinen letzten Artikeln habe ich die Verbindung zwischen der Unternehmensstrategie und der Wahl des richtigen CX-KPIs dargestellt. Auch habe ich die Gefahr betont, sich mehr auf die Zahl zu konzentrieren, die das Ergebnis der Befragung ausdrückt, als auf den Nutzen der Messung. Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass das oberste Ziel jeder KPI-Messung darin besteht, mit dem Ergebnis zu arbeiten. Im CX-Umfeld möchten wir das Ergebnis stetig verbessern, indem wir an den Gründen für die Kundenunzufriedenheit arbeiten. Das erreichen wir in der Regel durch Prozessverbesserungen, das Design neuer Kundenerfahrungen oder den Launch besserer Produkte für den Kunden.
Nichtsdestotrotz gibt es noch etwas, womit Sie immer wieder konfrontiert werden, vor allem wenn Sie bereits Ihr Programm etabliert haben und als Konsequenz Ergebnisse und Daten offen mitteilen: Und zwar die Frage
„Was ist der NPS/CSAT/FCR-Wert der Konkurrenz, und wie stehen wir im Vergleich dazu?“
An sich ist diese Frage legitim, da wir es gewohnt sind, mit KPIs zu arbeiten, die gut definiert sind und sich innerhalb von festgelegten Standards etabliert haben, vor allem wenn es sich um Finanzkennzahlen handelt. In unserem Fall jedoch, und obwohl die Formeln – also das „WIE“ – für die Berechnung von NPS, FCR oder CSAT gut definiert sind, gibt es viele andere Faktoren, die entscheidend sind um festzustellen ob die Vergleichbarkeit der publizierten Kennzahlen der Konkurrenz wirklich gegeben ist:
1. Unterschiedliche Umfragegestaltung und Methodik:
Unter Gestaltung verstehen wir nicht nur die eigentliche Formulierung der Frage (die oft von der klassischen abweicht), sondern zum Beispiel im Falle einer Online-Befragung auch die Darstellung dieser: Bereits das Color-Coding der Skala deutet auf einen latenten, oft unbewussten Beeinflussungsversuch der Umfrageteilnehmer hin. Noch bedeutsamer ist der Hinweis auf mögliche Konsequenzen bei einer schlechten Bewertung oder der Wunsch, einen maximalen Score zu erreichen, und die Möglichkeit, den Kunden zu kontaktieren, um jedes Problem aus dem Weg zu räumen, bevor die Stimmabgabe stattfindet.
Unter Methodik verstehen wir nicht nur den Kanal (findet die Befragung per E-Mail, online, telefonisch, per SMS, WhatsApp statt?) sondern auch den Zeitpunkt. Findet die Befragung nach jeder Interaktion, nach Abschluss der Sales-Journey oder der Reklamation, sogar erst nach der Nutzung des Produktes statt?
2. Unterschiedliche (Befragungs-) Zielgruppe, vorhandene Marktanteile
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Retailer, der sowohl stationär als auch online seine Produkte anbietet. Sie befragen Kunden, die sowohl in ihren Geschäften als auch online gekauft haben. Möglicherweise haben Sie auch ein Treueprogramm ins Leben gerufen, auch diese Kunden werden befragt. Sie veröffentlichen jedoch eine einzige Zahl als Endergebnis ihrer Befragung, ohne Berücksichtigung von Marktanteilen an den zwei sehr unterschiedlichen Kanälen oder ob der Kunde irgendwelche Vorteile aus dem Programm hat. Ebenso agiert Ihr Konkurrent. Möglicherweise befragt dieser nur Kunden aus dem Treueprogramm. Und auch der veröffentlicht nur noch eine Gesamtzahl oder berücksichtigt nur einen Teil der Ergebnisse der Befragten aus den unterschiedlichsten Gründen. Wie Sie sehen, kann die Vergleichbarkeit nur der Orientierung dienen, aber nicht als Beweis für irgendetwas genommen werden.
Wie kann ich dennoch eine Orientierung erhalten?
Neben dem konsultieren verschiedener Studien, die mittels Drittanbieter oder von Plattform Hersteller markenübergreifend durchgeführt werden (siehe reports von Temkin Group, Qualtrics, Medallia, Customergauge u.a.), empfehlen wir Ihnen zumindest zu Beginn Ihres Programms, für Ihre Märkte und die Top-5-Konkurrenten eine Studie über einen Drittanbieter Ihrer Wahl zu beauftragen. Um die statistische Relevanz und somit die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, die die Basis für die etwaige Zielsetzung des richtigen NPS-Wertes darstellt, sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
Zusammenfassend: In der Businesswelt ist die Suche nach Vergleichbarkeit eine ständige Herausforderung. Wir haben in diesem Artikel beleuchtet, warum es nicht immer ratsam ist, sich ausschließlich auf Benchmarks zu verlassen, bzw. auf Ergebnisse, die von den einzelnen Unternehmen publiziert werden. Unterschiedliche Umfragegestaltung, Methodik, und die Vielfalt der Befragungszielgruppen können die Vergleichbarkeit erheblich beeinflussen.
Wenn Sie sich entscheiden, ihre eigene Benchmark Studie durchführen zu lassen, es ist wichtig zu erkennen, dass diese Kennzahlen als Orientierungshilfe dienen sollten, nicht als alleinige Grundlage für strategische Entscheidungen. Die individuellen Kontexte, in denen Unternehmen operieren, müssen stets berücksichtigt werden, um relevante und aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen.
Letztendlich sollte das oberste Ziel jeden CX-Programms und deren Erfolgsmessung darin bestehen, die Kundenerfahrung kontinuierlich zu verbessern. Benchmarking kann dabei unterstützen, sollte jedoch als Werkzeug, nicht als dogmatische Regel betrachtet werden. Mit einem ausgewogenen Ansatz und einer klaren Ausrichtung auf die individuellen Unternehmensziele können Organisationen ihre Kundenbeziehungen stärken und nachhaltig erfolgreich sein.
Carme Prats – Senior Consultant
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