FCR: Heute mindestens so bedeutend wie vor 10 Jahren – und mit viel Potential für die Zukunft
Bereits vor zehn Jahren, im allerersten Tipp der Woche in einer noch jungen junokai, schrieb Henning Ahlert (Gründer und bis Ende 2022 Geschäftsführender Gesellschafter) über die Steigerung der Erstlösungsquote, also der sogenannten FCR (First Contact Resolution). Seine Forderung damals: Der Agent im Kundenservice möge bitte am Ende des Kontakts den Kunden fragen, ob sein Anliegen zu seiner Zufriedenheit gelöst sei. Wenn das nicht der Fall wäre, dann läge es in der Verantwortung des Agenten sofort und unmittelbar eine Lösung herbeizuführen. Hierfür müsse er weitere Informationen oder auch andere Bereiche im Unternehmen, wie einen 2nd Level, hinzuziehen.
Auch heute ist die FCR noch einer der, wenn nicht sogar der Kern-KPI, den wir in unseren Projekten betrachten und dessen Steigerung häufig ein Ziel in den Projekten darstellt. Dabei kann die FCR auf unterschiedlichen Wegen gemessen werden. Häufig wird sie über eine Kundenbefragung im Nachgang zu einer Kundeninteraktion ermittelt („Wurde Ihr Anliegen im ersten Kontakt gelöst?“). In dieser Befragung wird dann neben der FCR auch häufig der NPS® (Net Promoter Score) abgefragt. Alternativ kann man über das führende Kundendaten-System (wie etwa ein CRM System) ermitteln, ob der Kunde sich zu dem gleichen Thema innerhalb von X Tagen erneut gemeldet hat. Je nachdem, wie groß X ist, sprechen wir von einer FCR 3 (innerhalb von 3 Tagen erfolgte eine erneute Anfrage zum gleichen Thema), FCR 7 oder FCR 30. Und natürlich kann die FCR auch durch die oben beschriebene Abfrage des Kundenberaters im Kontakt selbst erfasst, im CRM-System dokumentiert und dann ausgewertet werden.
Den Mehrwert der FCR als Kern-KPI im Kundenservice hat Jonas Leismann im Tipp KW 2-2023 bereits sehr gut beschrieben, und schon 2019 widmete sich Gerhard Klose im Tipp KW 25-2019 demselben Thema.
FCR-Steigerung ist oft Detailarbeit
Die Basis für die Steigerung der FCR ist weiterhin die genaue Kenntnis über den Typ und die Art der Kundenanfragen (Kunden-Kontakt-Analyse) sowie das detaillierte Verständnis über die dahinterliegenden Prozesse (Prozess-Management). Es wird also eine möglichst gute Erfassung der Kontaktgründe und deren Auswertung benötigt. Wir von junokai erstellen anhand dieser Kontaktgründe dann eine Landkarte der Kundenprozesse (Process Map) entlang des Kundenlebenszyklus (Customer Lifecycle). In einer Prozess-Matrix erfassen wir dann die Mengen, Bearbeitungsdauer, Komplexität (anhand der Expertenmeinung der Agenten) sowie auch schon ein mögliches Automatisierungspotential der einzelnen Kundenanliegen bzw. Kundenprozesse. Und je nach Notwendigkeit werden die Prozesse dann sehr detailliert analysiert und dokumentiert. Dazu ist oft akribische Detailarbeit notwendig.
Der Nutzen dieser Arbeit ist leicht zu erklären. Wir möchten entsprechend der Value-Irritant-Matrix die Kundenkontakte identifizieren, die durch eine Optimierung des Produktes oder der internen Abläufe nicht mehr auftreten müssen, d.h. wir stellen durch den „closed loop“ sicher, dass die Gründe für die Kontakte in die entsprechenden Fachabteilungen gehen, um dort behoben zu werden. Weiterhin sorgen wir für die Optimierung der Kundenservice-Prozesse bzw. setzen mögliche Teil- oder Vollautomatisierungen der Prozesse um. Und das alles mit dem Ziel die FCR zu steigern. Bei diesem Vorhaben unterstützen uns immer häufiger die KI-getriebenen neuen Technologien. Bei eingehenden Kontakten können die Kontaktgründe durch KI besser erfasst und die Kontakte eindeutiger klassifiziert und anschließend an die Mitarbeiter verteilt (geroutet) werden. Weiterhin lässt sich die Automatisierung der Kundenanfrage mit Hilfe der KI z.B. in Chat- oder Voicebots weiter optimieren.
KI reduziert Bearbeitungszeiten und steigert Erstlösungsquoten
Viel wichtiger wird aus meiner Sicht in nächster Zeit aber die simultane Echtzeit-Unterstützung der Agenten durch KI werden. Indem ein (virtueller) Assistent on-the-fly den Kontext der Kundeninteraktion erfasst und dem Agenten mögliche Lösungen vorbereitet und in Echtzeit vorschlägt, wird zum einen viel (Handling)Zeit gespart und zum anderen auch die Qualität der Antworten verbessert und mit mehr Kontinuität versehen. Und auch hier ist das Ziel neben der Zeitersparnis am Ende wieder die Erhöhung des FCR.
Auch wenn sich die Technologien speziell im Bereich der KI aktuell mehr als rasend schnell weiterentwickeln und damit auch im Kundenservice massive Optimierungen möglich und Veränderungen notwendig werden, so werden einige handwerkliche Arbeiten, wie das detaillierte Prozess-Management, weiterhin sehr hohe Bedeutung behalten. Die KI sollten wir uns hier zielgerichtet zu Nutze machen, um diese Veränderungen zu beschleunigen und mit höherer Qualität umzusetzen. Und auch in den kommenden Jahren werden wir weiterhin die FCR optimieren. Denn mit Werten, die teilweise unter 50% liegen, ist hier noch viel Luft nach oben.
Ich bin gespannt auf die nächsten 500 Tipps der Woche und freue mich auf die spannenden Entwicklungen im Kundenservice der kommenden Jahre.
Sven Beiling – Managing Director
junokai