„Früher war alles besser!“ – Ein oft gehörtes Mantra, das auch gerne auf den Kundenservice angewandt wird. War der Customer Service „früher“ tatsächlich besser, als man noch den Kundenberater bei seiner Hausbank anrufen konnte und alle Anrufe von persönlich Agenten entgegengenommen wurden? In der Realität waren „früher“ weder die Agenten noch die Organisation der Call Center besser als heute, allerdings standen die Anforderungen von Märkten und Unternehmen besser im Einklang mit den technischen Möglichkeiten und der Erwartungshaltung der Kunden.
Mit Globalisierung und Digitalisierung haben sich nicht nur die Produktlandschaften verändert, sondern auch der „amerikanische Customer Service Anspruch“ hat seinen Weg nach Deutschland gefunden und der Drang der Verbraucher nach digitalen Services steigt, während sich unter den Unternehmen ein „Hyperwettbewerb“ entwickelt.
Damit steigt der Druck auf die Service Center, deren Führungskräfte sind mit wachsendem Kostendruck konfrontiert, mit steigenden Kundenzahlen und zunehmender Komplexität der Aufgabenstellung. Dem gegenüber stehen häufig dafür organisch gewachsene, veraltete Strukturen, die den Marktanforderungen und technologischen Entwicklungen hinterherhinken. Ansätze wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Chatbots werden in der Branche als Lösungsansätze gefeiert, jedoch bleibt die Realität in vielen Unternehmen oft hinter diesen Möglichkeiten zurück.
50 Prozent der Contact-Center-Führungskräfte sehen Verbesserungspotenzial durch KI, aber nur rund ein Drittel nutzen Chatbots oder Voicebots. Die meisten Kunden interagieren mit den Unternehmen auf mehr als einem Kanal, doch integrierte Omnichannel-Lösungen sind in vielen Contact Centern noch immer nicht im Einsatz. Informationssilos verhindern eine integrierte Bearbeitung und entsprechende Reportings. Selbst passende CRM-Systeme sind nicht in jedem Contact Center vorhanden. Und auch die Einsatzplanung der Mitarbeiter lässt viele Potenziale ungenutzt.
Wenn hier keine Abhilfe geschaffen wird, führt dies zu steigender Fluktuation und wertvolles Know-how verlässt das Unternehmen. Die Kunden werden unzufriedener und ziehen weiter und es entstehen zusätzliche Kosten, während der Umsatz zurückgeht. Um diese Entwicklung zu verhindern, ist es essenziell, die richtigen Hebel sowohl im Contact Center als auch im gesamten Unternehmen zu identifizieren.
Ein wesentlicher Faktor ist hier die Digitalisierung. Sie kann Kosten erheblich reduzieren und den Kundenservice verbessern, wenn die Instrumente richtig eingesetzt werden. Chatbots, Prozessautomatisierung und Machine Learning können zur Lösung beitragen. Für eine erfolgreiche digitale Transformation gilt es jedoch, wichtige Regeln zu beachten:
Technologie kann dabei unterstützen, Prozesse zu optimieren und Services zu verbessern, sie ist aber nicht der alleinige Heilsbringer. Auch der Mensch ist bei zahlreichen Interaktionen im Kundenkontakt immer noch unabdingbar. Komplexe und mehrstufige Prozesse stellen für rein automatisierte Lösungen oft noch eine Herausforderung dar. Ein automatisierter Chatbot kann einen Kunden durch einen Prozess führen und einfache Fragen beantworten, er kann jedoch (noch) nicht mit den emotionalen Nuancen und dem persönlichen Bezug eines menschlichen Gesprächspartners konkurrieren. Dies ist besonders wichtig bei komplexen oder sensiblen Anfragen, oder wenn in Service Calls auch Cross/Upselling betrieben werden soll.
Damit hat der Mensch im Kundenservice aktuell nach wie vor eine zentrale Rolle. Entsprechend ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter, ihre Ausbildung und Motivation entscheidend für den Erfolg eines Contact Centers. Auch hier gilt es gewisse Grundregeln zu beachten, um erfolgreich zu sein:
Ziel jeder Digitalisierung im Contact Center sollte es sein, eine funktionierende Infrastruktur aufzubauen, die an die Bedürfnisse von Kunden, Mitarbeitern und Unternehmen angepasst ist, und mit sinnvoller Technisierung der richtigen Prozesse qualifizierten Kundenservice zu erbringen. Einfache Anfragen sollten automatisch verarbeitet werden können, während komplexere Kontakte an motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter verifiziert und vorselektiert weitergeleitet werden. Diese sollten freundlich und kompetent die Mehrzahl der Kundenanliegen aus allen Kanälen lösen können und Sales-Potenziale nutzen. Dabei werden alle Anrufgründe nicht nur automatisiert dokumentiert, sondern auch analysiert, geclustert und an die richtigen Stellen im Unternehmen zurückgespiegelt, um dort an den Gründen für den Kontakt zu arbeiten und Produkte/Dienstleistungen sowie Prozesse zu verbessern.
Mit dieser Vorgehensweise wird ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess etabliert, der die Kundenbedürfnisse ganzheitlich berücksichtigt und ungewünschte Kontakte in der Zukunft vermeidet. Während Kundenzufriedenheit und Loyalität steigen, werden Kosten gesenkt.
Es ist an der Zeit, das Thema Contact Center zu überdenken und mit ganzheitlicher und nachhaltiger Technisierung und Humanisierung langfristige Erfolge für Unternehmen, Kunden und Mitarbeiter zu schaffen.
Svenja Wright – Marketing & Bid Manager
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