Die Suche nach geeigneten Kundenberatern für Contact Center gestaltete sich in den vergangenen Jahren bereits schwierig. Momentan und auch in naher Zukunft wird sich die Lage vermutlich nochmals verschärfen, jedenfalls nicht entschärfen. Hier drei Trends beziehungsweise Entwicklungen, die wir beobachten:
In den vergangenen Jahren konnte erfolgreich auf Nearshore Standorte ausgewichen werden, um fehlende Rekrutierungsmöglichkeiten Onshore, also in Deutschland, zu kompensieren. In der letzten Zeit beobachten wir allerdings zunehmend häufiger, dass an Nearshore Standorten insbesondere durch Outsourcing Dienstleister bestenfalls Mitarbeiter mit dem Deutschlevel B2 angeboten werden – häufig mit dem Versprechen, diese dann im Projekt auf ein C1 Level zu entwickeln. Um es kurz zu machen: B2 ist aus unserer Sicht für einen ordentlichen Kundenservice nicht ausreichend und wird in der Regel vom anrufenden Kunden als zweitklassig wahrgenommen. Das bedeutet aber wiederum, dass die Möglichkeiten im Nearshore schwinden. C1 (oder gar C2) fähige Mitarbeiter lassen sich kaum noch finden, egal ob in Osteuropa, dem Balkan oder in Nordafrika. Über Spanien und Portugal, auch gern genutzte multilinguale Standorte, braucht man kostenseitig kaum weiter nachzudenken, denn diese stehen den Kosten in Deutschland in kaum etwas nach. Selbst wenn man dort häufig Muttersprachler rekrutieren kann, so ist die Fluktuation in der Mitarbeiterschaft nicht gering, da vielfach junge Menschen für eine begrenzte Zeit das Abenteuer im warmen Süden suchen, was allerdings vielfach nicht von Dauer ist.
Ein weiterer Trend ist die zu erwartende weitere Erhöhung des Mindestlohnes. Wie bei den Erhöhungen in den vergangenen Jahren auch, wird sich diese Erhöhung in den internen Kosten (Gehaltskosten) oder den externen Preisen (Outsourcing Dienstleister) niederschlagen. Profitieren werden die Mitarbeiter intern und/oder extern. Aus Sicht des Unternehmens steigen die Kosten und allein nur durch den höheren Mindestlohn bezweifeln wir, dass sich an der Anzahl und Verfügbarkeit von Mitarbeitern für den Kundenservice etwas verbessern wird. Am Ende wird sich hiermit für die Mitarbeiterfindung in Deutschland nichts ändern.
Durch die Corona Pandemie hat sich insgesamt eine Situation ergeben, in der Kunden nachsichtiger mit dem Service geworden sind. Inzwischen sind z.B. die Verlagerung von Mitarbeitern ins Homeoffice und die damit z.T. verbundenen Einschränkungen in der Erreichbarkeit und fallabschließenden Bearbeitung (wie der beschränkten Systemverfügbarkeit) zum Alltag geworden und aus Sicht des Service war die Pandemie eine willkommene Ausrede für so manche Unzulänglichkeit, die über das Thema Mitarbeiterressourcenknappheit scheinbar hinwegtäuschen konnte.
Perspektivisch ist damit das Problem der Mitarbeiterverfügbarkeit jedoch nicht gelöst. Mit dem Blick nach vorne sind wir überzeugt, dass es nicht die eine allumfassende Lösung geben kann. Für den Umgang mit immer knapper werdenden Mitarbeiterressourcen ist eine kontinuierliche Arbeit an verschiedenen Fronten nötig.
Das Zusammenspiel von Mitarbeiterrekrutierung und -bindung, Kontaktreduktion, Self-Service, die Automatisierung von Prozessen und zunehmend die Nutzung künstlicher Intelligenz in den verschiedenen Kontaktkanälen wird in der Mischung dafür sorgen, dass trotz sinkender Mitarbeiterverfügbarkeit im Service die Betreuung der Kunden beherrschbar bleibt. Was meinen wir damit?
Mitarbeiterrekrutierung und -bindung bleibt natürlich wichtig. Und selbstverständlich muss auch in Zukunft personalseitig im Kundenservice alles darangesetzt werden, gute Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten. Das hat seinen Preis in Form von Gehältern, weiteren Gehaltsbestandteilen und zusätzlichen Leistungen des Unternehmens, die dazu dienen, die Fluktuation beherrschbar zu halten.
Eine konsequente Kontaktreduktion bleibt ein wichtiges Element, um einfach die über die omnipräsenten Kontaktkanäle möglichen Kontakte von vornherein zu vermeiden. Fehlerfreie und einfach bedienbare Produkte, Customer Journeys, die einfach und unkompliziert sind und das zu halten, was man in der Werbung verspricht, sorgt bereits für weniger Fragen und Probleme auf Seiten der Kunden und damit gibt es grundsätzlich weniger Gründe, den Service zu kontaktieren.
Einen guten Self-Service auf- und auszubauen ist eine weitere Möglichkeit, für Ausgleich zu sorgen und vor allem einfache Prozesse durch den Kunden gleich selbst erledigen und klären zu können.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Automatisierung von Prozessen, um Mitarbeiter von manuellen Tätigkeiten zu befreien, die durch die IT-Systeme, die in den Systemen hinterlegten Abläufe oder Roboter einfacher und ressourcenschonender dargestellt/abgewickelt werden können.
Chat- und Voicebots werden einfache Prozesse oder den Beginn von Konversationen automatisiert bearbeiten oder wenigstens vorbereiten können. Sich mit diesem Thema zu beschäftigen lohnt sich aus unserer Sicht, denn in den nächsten zwei bis drei Jahren sind in diesem Bereich durch technologische Entwicklungen weitere Fortschritte zu erwarten und an geeigneter Stelle wird die Maschine den Kundenservicemitarbeiter ersetzen oder unterstützen können.
Die angefügten Handlungsbereiche zeigen, dass es Alternativen gibt, die neben einer akribischen Mitarbeitersuche und -bindung auch weitere Instrumente empfehlenswert erscheinen lassen, um mit der knappen Ressource Mitarbeiter besser umzugehen. Die richtige Mischung und das Zusammenspiel dieser Instrumente sollte für einen stabilen Kundenservice regelmäßig für das eigene Unternehmen betrachtet und strategisch entwickelt werden. Eine Reduktion oder ein zu starker Fokus nur auf die Mitarbeiterfindung ist nicht ausreichend.
Henning Ahlert – Managing Director
junokai