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Tipp KW 7 – 2023

Mit welchen Führungsmethoden arbeiten Ihre Team-Manager*innen?

In diesem Tipp der Woche möchte ich Ihnen im ersten Teil einen Überblick über die Geschichte des Leadership geben, um Ihnen dann im zweiten Teil zwei vorherrschende Führungsmodelle ausführlicher vorzustellen. Im Schlussteil verbinde ich die beiden Führungsmodelle mit den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen von Team-Managern*innen im Customer Service.

Vorab: Was ist Leadership / Führung eigentlich? Die Definition von „Führung“ lautet: Der Begriff „Führung“ bezeichnet die zielgerichtete Einflussnahme des Verhaltens von Personen, um gemeinsame Aufgaben und Ziele zu erreichen. Zu den Aufgaben von Führungskräften zählt zudem die Planung, Kontrolle, Kommunikation, Motivation und die Sicherung des Gruppenzusammenhaltes. Hierbei wird zwischen der aufgabenorientierten und personenorientierten Führung unterschieden. Bei der aufgabenorientierten Führung steht die Leistung im Vordergrund. Dagegen steht bei der personenorientierten Führung die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in im Vordergrund.

1. Leadership – die historische Entwicklung vom 19. Jahrhundert bis heute

Die erste Führungstheorie wurde von Thomas Carlyle im Jahr 1840 beschrieben und hieß die „Great-man-Theorie“. Diese Theorie ging davon aus, dass große Helden die Geschichte formen und bestimmen. Damit verbunden war der Glaube an Eigenschaften, die in einer Person angelegt sind. In dieser Theorie zählt nur die Einzelleistung, nicht aber das Team.

Nach den frühen „Great Man-Theorien“ seien bestimmte Menschen dafür geboren, die Führung zu übernehmen. Es sind „natural born leaders“ – Führer, die von Natur aus geeignet sind, Helden zu werden.

Eigenschaftstheorie (1910 bis 1948)

In wissenschaftlichen Studien versuchte man, im frühen 20. Jahrhundert Charaktereigenschaften und Fähigkeiten von erfolgreichen Führungspersönlichkeiten zu erfassen. In diesem als Eigenschaftstheorie (Trait Theory) bekannt gewordenen Ansatz wird angenommen, dass erfolgreiche Leader bestimmte Eigenschaften besitzen, die sie in die Lage versetzen, Einfluss auf die Handlungen ihrer Mitarbeiter auszuüben. Eigenschaften wurden als zeitstabil und situationsunabhängig definiert, sie sollen klar feststellbar und messbar sein. 

Allerdings reichte es nicht nur, die Eigenschaften, wie z.B.

  • das Streben nach Verantwortung und Aufgabenerfüllung,
  • Ehrgeiz und Beharrlichkeit bei der Zielerreichung, 
  • Bereitschaft Konsequenzen zu tragen, 
  • etc.

zu haben, sondern müssten diese auch zu der jeweils auftretenden Situation passen, womit sie nicht mehr situationsunabhängig waren.

Situative Führungstheorien (1958 bis 1979)

In den 1950er und 1960er Jahren wurden differenziertere Ansätze verfolgt, die eine Aufteilung in Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung vornahmen. Blake und Moulton entwickelten daraufhin in den 1960ern das Managerial Grid. Eine Führungskraft verhält sich nicht mehr einem Muster entsprechend, sondern es gibt verschiedene Facetten zwischen Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung. Dabei wurde seitens der Führungspsychologie eine hohe Mitarbeiter- und zugleich Aufgabenorientierung als ideal angesehen.

In den 1970er Jahren entwickelte sich die situative Führungstheorie nach Hersey und Blanchard, die noch heute häufige Anwendung findet. In dieser Theorie der situativen Führung wird das Verhalten dem Können und Wollen der Mitarbeiter angepasst. 

Transformationale Führung (1980 – heute) 

In den 1980er Jahren entstand die transaktionale und transformationale Führungstheorie. Im Mittelpunkt der transaktionalen Führung steht ein Tauschgeschäft. Für das Engagement und die Zielerreichung bekommt der Mitarbeiter / die Mitarbeiterin eine Belohnung, etwa eine Prämie. Grenzen dieses Modells liegen da, wo es um mehr als das Abarbeiten und die Erfüllung von Routinen geht, und die Komplexität steigt.

Die transformationale Führung, die sich seit den 1990er Jahren entwickelte, zielt deshalb als Weiterentwicklung des transaktionalen Modells auf intrinsische Motivation. Der Blick weitet sich in diesem Ansatz erstmals und bezieht auch das Team mit ein. 

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch die systemische Führung  (2000 bis heute) erwähnen, die ich allerdings im Kontext Team-Manager im Customer Service für vernachlässigbar halte und deshalb nicht näher darauf eingehe

2. Die transaktionale und die transformative Führung im Detail

Transaktionale Führung

Mit transaktionaler Führung ist die Übereinkunft über den Austausch von Leistung gegen Leistung gemeint, also der Austausch von Arbeitsleistung eines Mitarbeitenden gegen eine Belohnung. Als Erstes wurde dieses Prinzip von dem amerikanischen Soziologen James Downtown im Jahr 1973 beschrieben und später von James MacGregor Burns weiterentwickelt und in ein Modell geformt.

Das wohl eingängigste Beispiel handelt von einem Pferd, dem eine Möhre vors Gesicht gehalten wird, damit es weiterläuft. Hier besteht der Leistungsaustausch von „Laufen gegen Möhre als Belohnung“. Im Sinne der transaktionalen Führung wäre es demnach wichtig, dass das Pferd die Möhre auch bekommt.

Der Führungserfolg transaktionaler Führung beruht auf…

  • der klaren und operationalen Definition von Zielen (Management by Objectives) und
  • dem Delegieren von Aufgaben, die mit Anreizen für die Zielerreichung versehen sind.

Die Motivation wird dadurch erreicht, dass eine erwartete oder besondere Leistung zu einer formellen Belohnung führt. Dabei werden vor allem materielle Bedürfnisse angesprochen.

Die transaktionale Führung führt jedoch zu keiner dauerhafte Verhaltens- und Einstellungsveränderung, sondern lediglich zu einem auf einen Zeitraum begrenzten Motivationsschub. Durch verschiedene Anreize wird schnell ein starker extrinsischer Motivator geboten, der bei vielen Menschen auch funktioniert. Das macht den scheinbar starken Vorteil zugleich auch zu einem Nachteil. Die Motivation geht nicht von den jeweiligen Mitarbeitern*innen selbst aus, sondern basiert auf dem, was die Führungskraft ihnen bietet.

Transaktionale Führung kann als Ergänzung zu anderen Führungsstilen dann Sinn ergeben, wenn man für einen kurzen Zeitraum einem Mitarbeiter / einer Mitarbeiterin einen Motivationsschub mittels einer Belohnung geben möchte, wie z.B. in einer Backlog-Situation. Hier sollte allerdings darauf geachtet werden, dass alle Mitarbeiter*innen gleichbehandelt werden.

Transformative Führung

Transformative Führung ist die Fähigkeit von Führungskräften, ihre Vorbildfunktion überzeugend wahrzunehmen und dadurch Vertrauen, Respekt, Wertschätzung und Loyalität zu erwerben. Die Mitarbeiter*innen werden intrinsisch motiviert und zur Veränderung (Transformation) ihres Verhaltens und ihrer Lern- und Leistungsbereitschaft inspiriert. (Bass, B. M.: The Bass Handbook of Leadership. New York 2008)

Die transformative Führung (im Gegensatz zur transaktionalen) fördert die intrinsische Motivation, also die Motivation aus dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin heraus. Dies bietet den entscheidenden Vorteil, dass diese*r Mitarbeiter*in durch eigne Werte und Einstellung sowie durch die Führungskraft als Vorbild motiviert ist. Es wird keine extrinsische Motivation benötigt, um schnell an sein Ziel zu kommen.

Zudem findet eine dauerhafte Transformation von Werten und Einstellungen hin zu den Einstellungen und Werten der Führungskraft bzw. des Unternehmens statt.  Dies führt zu einem dauerhaften Erfolg der Organisation bzw. des Teams, da die Mitarbeiter*innen eigenständig und im Sinne der Organisation handeln. Wenn Motivation intrinsisch und damit langfristig erfolgt, steigt die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter*innen. Die damit verbundene Erfüllung der Aufgaben erfreut Menschen weitaus mehr als das ständige Hinarbeiten auf eine kurzfristige Belohnung.

Der Erfolg von Unternehmen hängt heute mehr denn je von den Mitarbeitern*innen ab. Die transformative Führung ermutigt zur Zusammenarbeit statt zu einer Konkurrenzdenken und stärkt damit den Teamgeist.

3. Warum ist transaktionale und transformative Führung bei Team-Managern und Team-Managerinnen im Customer Service erfolgsentscheidend?

Von Team-Manager*innen im Customer Service wird heute sehr viel erwartet. Dazu gehört u.a. Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis, klare Zielvorgaben zu machen, Entscheidungen zu treffen, zu koordinieren und zu delegieren (entsprechend der Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen), zu führen und zu motivieren, jedes Teammitglied individuell zu fördern, konstruktives Feedback zu geben, etc.

Das Ganze wird im Customer Service noch durch sehr heterogene Lebensläufe (keine Ausbildung bis hin zu promovierten Akademikern) und in der Regel durch eine Bezahlung um den Mindestlohn herum erschwert. Hinzu kommt, dass wir aktuell einen Arbeitnehmer*innen-Arbeitsmarkt haben und sich dementsprechend ungenügende Führung u a. in hohen Fluktuationszahlen ausdrückt und gleichzeitig die Rekrutierung immer schwieriger wird.

Umso wichtiger ist es, dass sich Führungskräfte im mittleren Management von Customer Service Organisation nicht nur mit dem Thema Führung allgemein auskennen, sondern im Speziellen mit der transaktionalen und transformativen Führung und diese den Zielen entsprechend umsetzen können.

Klassischerweise herrschte im Customer Service Betrieb die transaktionale Führung (wenn denn bewusst geführt wird) vor. Der Customer Service selbst befindet sich seit einer Weile in einer großen Umbruchsphase, da immer größere Volumen von einfachen Kontakten (der KI sei Dank), von Chatbots, Conversational AI etc. gelöst werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Mitarbeiter*innen im Customer Service immer mehr zu Solution-Manager*innen werden, die in Echtzeit im Gespräch mit dem Kunden entscheiden müssen, ob es eine Kulanz gibt und wie hoch diese ist bzw. wie andere Lösungen aussehen können.

Dies funktioniert mit den Mechanismen der transaktionalen Führung nicht mehr, die auf eine extrinsische Belohnung abzielen. Ist diese Belohnung nicht gegeben oder wird sie als zu gering erachtet, dann erhält der Kunde keine Lösung oder zumindest nicht die optimale Lösung. Hier kommen die Mechanismen der transformativen Führung voll zum Zuge, da der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin dem Kunden nicht hilft, weil er belohnt wird, sondern weil es sein Anspruch ist dem Kunden die beste Lösung zu geben.  Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin profitiert von seiner/ihrer sinnstiftenden Arbeit; der Kunde profitiert von der besten Lösung beim ersten Kontakt und das Unternehmen profitiert von zufriedenen und damit auch loyalen Kunden, nicht zu vergessen einen höheren NPS und einer hohen First-Time-Resolution-Rate.

Michael Jurisch – Senior Consultant 

junokai

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