Die Kundenorientierung hat sich in den letzten Jahren zur Königsdisziplin in der Unternehmensführung entwickelt. Kundenorientierung verfolgt das Ziel, Kundenbeziehungen nachhaltig für sein eigenes Unternehmen zu festigen und ein darauf passendes ökonometrisches Kundenertragsmodell zu entwickeln. Das Unternehmen muss u.a. wissen, welchen Wert die Kunden für ihn haben.
Häufig wird diese Kundenorientierung als „konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Kunden“ verstanden. Dies ist richtig, greift aber zu kurz. Denn Kundenorientierung hat nicht nur die Wünsche und Bedürfnisse von Kunden im Auge, sondern die Kundenbeziehung als solches. Kundenbeziehungen bilden das Gravitationszentrum in einem Wettbewerbsumfeld, in dem sich Unternehmen ständig neu erfinden. Unternehmen, die sich dabei allein an Produkte und Infrastrukturen klammern, werden früher oder später von Konkurrenten, die Kundenbeziehungen zum Kern ihres Geschäftsmodells machen, überholt. Insbesondere wenn sie in der Kundenbeziehung nicht den Wert ihrer Kunden mit ihrer Customer Experience verbinden, sowie ihre Governance präzise auf diesen unternehmerischen Vorteil kalibrieren.
Kundenorientierung ist somit ein zentrales strategisches Thema und damit keines, um das sich nur Organisationseinheiten und Mitarbeitende am Kunden-Frontend, wie Marketing, kümmern sollten. Es ist eine Strategie, die sich tief ins Geschäftsmodell, in die Unternehmenskultur, Organisationsstruktur und alle vorhandenen Kundenschnittstellen einbringt.
Der Kundenwert ist dabei eine der entscheidenden Säulen. Doch wie viel ist ein Kunde für ein Unternehmen wert? Wie unterscheidet sich dieser Wert bei den Kunden, denn nicht jeder Kunde ist von gleicher Bedeutung für ein Unternehmen. Damit wird mit zwei einfachen Fragen deutlich, dass die Definition des Kundenwerts eine vielseitige Aufgabe ist und der analytische Blick auf den Kunden immer seiner individuellen Situation im Kundenlebenszyklus geschuldet ist. Es müssen die Kunden identifiziert werden, bei denen sich auch die Investition lohnt und dies gilt sowohl für Neu- als auch Bestandskunden.
In der ersten Herangehensweise bieten sich zwei einfache Methoden an, die einen schnellen Überblick zum Kundenwert verschaffen können:
ABC-Analyse
Bei der ABC-Analyse werden die Kunden nach Umsatz bzw. Umsatzanteil geordnet und in Kundengruppen eingeteilt. Im Rahmen dieser Analyse ist erkennbar, von welchen Kunden ein Unternehmen stark abhängig ist bzw. mit welchen Kunden nur wenig Umsatz erwirtschaftet wird. Eine Möglichkeit der Einteilung folgt der 80/20 Regel des Pareto-Prinzips. A-Kunden sind dabei die Kunden, die 80% Umsatzanteil haben, B-Kunden die weiteren 10% und C-Kunden die letzten 10%. Die Anzahl der Kunden in den jeweiligen Kategorien kann sehr unterschiedlich sein und kann angepasst werden.
Vorteil dieser Methode ist die simple Anwendung und rasche Umsetzungsmöglichkeit. Dadurch bekommt der Anwender schnell einen Überblick seiner Kundenstruktur. Sie betrachtet jedoch nur die Umsatzgröße, wodurch die Kunden auf diese reduziert werden und das Entwicklungspotential gar nicht erfasst wird. So können sich C-Kunden kaum zu A-Kunden entwickeln.
Kundenerfolgsrechnung
Mit dieser Methode wird der Anteil eines einzelnen Kunden zum Unternehmensergebnis gemessen. Die Profitabilität des einzelnen Kunden zeigt, mit welchen Kunden das Unternehmen den größten Deckungsbeitrag erzielt.
Die Kundenerfolgsrechnung ist die sinnvolle Ergänzung zur Umsatz ABC-Analyse. Die Kosten werden entsprechend vom Umsatz abgezogen und ergeben den Deckungsbeitrag. Die Kosten müssen den Kunden zugeordnet sein, um eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung durchführen zu können. Kunden können auch in Gruppen zusammengefasst werden, wobei die Fixkosten entsprechend auf die Gruppen umgelegt werden. Die Zurechnung der Kosten auf einen einzelnen Kunden erweist sich in der Praxis oft als schwierig, so das Fixkosten auf mehrere Kunden verteilt werden. Dadurch können unrealistische Ergebnisse entstehen. Die Kundenerfolgsrechnung betrachtet den Deckungsbeitrag und ist somit nicht nur auf den Umsatz eingeschränkt fokussiert. Allerdings beschränkt sie sich auch nur auf monetäre Größen mit eindimensionaler Betrachtung.
Beide Methoden bieten einen schnellen Zugang um den eigenen Kundenstamm zu ermitteln. Nachdem die Ergebnisse vorliegen folgen eine Vielzahl von Detailfragen, die dann die Tür für weitergehende Analysen in der Ermittlung des Kundenwertes aufmachen. Dies immer mit der Zielrichtung, bei der unternehmenseigenen Kundenzentrierung sich eine ökonometrische Systematik zu erarbeiten.
In Teil 2 werden wir dazu geeignete Methoden vorstellen.
– Lars Winterstein (Associate Partner)
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