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Tipp KW 50 – 2017

Bei der Ermittlung des Kundenwerts werden grundsätzliche einzelne Erfolgsfaktoren definiert, die dann über die unternehmensweite Governancestruktur mit unterschiedlichen Aufgabenprofilen ausgerollt und operationalisiert werden. Wertvolle Kunden werden von nicht wertvollen Kunden unterschieden, denn im unternehmerischen Interesse werden nur die profitabelsten Kunden ausgebaut und die unprofitablen Kunden nicht. Kurz gesagt mit der Ermittlung des Kundenwerts werden wichtige Kunden für den Unternehmenserfolg von unwichtigen Kunden unterschieden. Grundsätzlich muss man beachten, dass sich der Kundenwert im Laufe der Zeit auch immer wieder bei den Kunden verändern kann.

Differenzierungen können auch nach einem ökonomischen, einem Informationswert, einem strategischen Kundenwert und einem Referenzwert erfolgen. Dabei bezieht sich bspw. der ökonomische Wert auf monetäre Bewertungen wie Deckungsbeitrag oder Umsatz. Der strategische Wert selbst reduziert sich auf die Wichtigkeit oder den Beitrag des Kunden zur Unternehmensstrategie. Um diesen Kundenwert zu ermitteln und dieses in sein eigenes Ökosystem der Kundenbearbeitung integrieren zu können, gibt es ganz unterschiedliche Methoden, die zugleich zu verschiedenen Ergebnissen führen können.

Dabei gibt es folgende weitere Methoden, die Anwendung finden können:

Customer-Lifetime-Analyse
Der Gedanke des Customer Lifetime Value entspringt der dynamischen Investitionsrechnung. Dabei werden neben den aktuellen Daten auch die zu erwartenden Umsätze und Kosten in der Zukunft einbezogen. Der Customer Lifetime Value definiert den, über die gesamte Dauer der Kundenbeziehung, zu erwartenden Gewinn. Zukünftige Umsätze mit dem Kunden werden prognostiziert und auf den Gegenwartszeitpunkt diskontiert. Das ergibt den Kapitalwert, welcher der Gegenwartswert zukünftiger Umsätze ist.

Diese Betrachtung kann noch mit weiteren Merkmalen kombiniert werden, wie z.B. Up- und Cross-Selling Optionen. Diese werden im Zuge des Customer Lifetime Value in Form von Einzahlungen und Auszahlungen ausgedrückt. Daraus ergibt sich ein Wert, durch den der Kunde als Marketing Asset gesehen wird.

Die Customer-Lifetime-Analyse betrachtet im Gegensatz zu den anderen Methoden zukünftige Umsätze und fokussiert das Entwicklungspotenzial des Kunden, so auch Referenz- und Lernpotenzial. Die Vorhersage von zukünftigen Ein- als auch Auszahlungen ist in manchen Fällen nur sehr beschränkt möglich und somit ein Defizit dieser Methode.

Scoring-Modelle
Scoring-Modellen liegen ein Punktebewertungsverfahren zu Grunde, bei denen das Gesamtergebnis die Summe verschiedener Einzelergebnisse ist. Die Einzelergebnisse sind Bestandteile des Kundenwerts, wie u.a. Umsatz, Cross- und Up-Selling Potential, die gewichtet und jeweils bewertet werden. Die Summe der gewichteten Merkmale ergeben den Gesamtwert, den Score. Eine Erweiterung dieses Modells ist die Vergabe von Startwerten, also einer bestimmten Punktzahl, zu der die Ergebnisse der Berechnung addiert werden.

Innerhalb der Scoring-Modelle gibt es verschiedene Methoden. Eine ist die RFMR-Methode, die die Kunden auf Basis des zeitlichen Abstands zum letzten Kauf (Recency), der Kaufhäufigkeit (Frequency) und dem Umsatz des Kunden (Monetary Ratio) bewertet.

Dabei können viele verschiedene Merkmale in die Bewertung einfließen, um das Modell so auf den individuellen Unternehmensnutzen anzupassen. Diese umfassen nicht monetäre und qualitative Merkmale, die in der Bewertung quantifiziert werden.

Scoring-Modelle beinhalten, durch die Bewertung und Gewichtung, Herausforderungen in der Subjektivität und auch der Linearität, die sich nicht zwangsweise linear verhalten, aber bewertet werden. In den Scoring-Modellen ist es jedoch möglich, viele verschiedene und auch individuell Messgrößen mit einzubeziehen und somit ein umfassendes Bild der Kunden zu generieren. Es werden Daten des Rechnungswesens mit qualitativen Daten zusammengeführt, um die Abdeckung aller relevanten Messgrößen für den Kundenwert zu ermöglichen.

Portfolio-Analysen
In der Kundenportfolioanalyse können mehrere Kriterien zur Bewertung herangezogen werden. Kundenportfolios sind mehrdimensional und können Kunden bezüglich ihrer Beiträge und ihres Potenzials differenziert wiedergeben. Dabei werden zwei oder mehrdimensionale Kundenportfolios aufgrund der wichtigsten Merkmale der Kundenbewertung erstellt. Die Werte der Dimensionen ergeben sich durch Zusammenführung mehrerer Kriterien über die Scoring-Methode.

Das Ergebnis ist eine Vier- bzw. Neunfelder-Matrix, in die Kunden segmentiert werden. Die Bezeichnungen sind, wie bei der konventionellen Viel-Felder BCG Matrix, als Stars, Cash-Cows, Questions-Marks und Poor Dogs möglich. Die zwei Bewertungsgrößen können Kundenattraktivität (Ermittlung durch Kundenpotenzial, Kaufabschlusswahrscheinlichkeit, Bonität u.v.m.) und Wettbewerbspositionen (Ermittlung durch relativer Lieferanteil, Firmenimage beim Kunden u.v.m.) sein.

Ein Vorteil hierbei ist die einfache Visualisierung der Ergebnisse in einer Matrix, um daraus Strategien abzuleiten. Die Bestimmung der Größen kann mit viel Aufwand verbunden sein, da auch hier zur umfangreichen Abdeckung Scoring-Modelle hinzugezogen werden.

Wie man an den verschiedenen Methoden beobachten kann, verändert sich der Kundenwert gemäß der gewählten Methode. Die „eine“ Methode, die für alle Fälle in Betracht kommen kann, gibt es nicht. Neben der Auswahl und Anwendung der richtigen Methode oder Kombination von Methoden, ist es wichtig, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Wenn man den strategischen Nutzen des Kundenwerts für sich als Unternehmen erkannt und definiert hat, sollte man sich als nächsten Schritt an die strategische und operative Gestaltung der Kundenbearbeitung wagen.

– Lars Winterstein (Associate Partner)
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