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Tipp KW 47 – 2023

Kundenzufriedenheit durch Selbstorganisation

Die Tätigkeit von Mitarbeitern im Kundenservice ist häufig geprägt von hoher Transparenz und vielen Vorgaben, die einzuhalten sind. Standardisierte Prozesse sollen reibungslose Abläufe, einen einheitlichen Außenauftritt und eine hohe Kundenzufriedenheit gewährleisten. Viele Mitarbeiter, eine Fülle von Vorgängen und hohe Komplexität sollen so unter Kontrolle bleiben.

Starre Regeln verhindern individuelle Lösungen

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Kunden, die sich Hilfe suchend an den Service wenden, immer wieder von der allzu starren Einhaltung der Standards durch die Servicemitarbeiter enttäuscht werden. Kunden jedoch stattdessen zu überraschen und zu begeistern zahlt sich aus, da sie sich im Gegenzug als loyal erweisen und das Produkt oder die Dienstleistung häufiger weiterempfehlen.

Doch wie kann der Mitarbeiter im Kundeservice dazu animiert werden, im entscheidenden Moment von Vorgaben abzuweichen, um den Kunden positiv zu überraschen?

Häufig stellt man fest, dass die Agenten Angst haben einen Fehler zu machen und sich lieber strikt an die Vorgaben halten, auch wenn das den Kunden enttäuscht – als das Risiko einzugehen, eine eigene Entscheidung zu treffen und dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Selbstorganisation und selbstverantwortete Entscheidungen für individuelle Lösungen

Der Schlüssel zu einer Lösung dieser Konflikte ist eine radikale kulturelle Veränderung, wie sie häufig auch im Rahmen der digitalen Transformation durchgeführt wird. In einem selbstorganisierten Team wird die Entscheidungsbefugnis mit aller Konsequenz dahin verlagert, wo die fachliche Kompetenz ist und der direkte Kontakt mit dem Kunden stattfindet. Es gibt progressive Unternehmen, die erkannt haben, wie wertvoll der Mitarbeiter im Kundenservice ist, weil er den permanenten Kontakt zum Kunden hat und ein umfassendes Wissen darüber aufbauen konnte, was der Kunde über die genutzten Produkte und Dienstleistungen denkt.

Sie machen sich dies zunutze, indem sie eine Kultur schaffen, die den Servicemitarbeiter in die Lage versetzt, eigene Entscheidungen zu treffen und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Das geht bis hin zu anteiligen Beteiligungen am Gewinn – und gegebenenfalls auch Verlust. Außerdem greift man für die Weiterentwicklung von Produkten und Services auf die Erfahrungen und das Wissen der Servicemitarbeiter zurück, indem sie in diese strategischen Entwicklungen und Entscheidungen systematisch eingebunden werden.

In der Konsequenz führt dies dazu, dass sich die gesamte Struktur ändert. Weg von einer zentralen Entscheidungsinstanz, hin zu einer dezentralen Struktur, in der Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie gefordert werden und sich die fachliche Kompetenz befindet. Dies fordert ein hohes Maß an Transparenz und Vertrauen, aber auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Unternehmen, die diese Transformation ihrer Kultur und Struktur erfolgreich durchlaufen haben, stellen fest, dass sowohl die Zufriedenheit der Mitarbeiter als auch die der Kunden deutlich wächst. Sie erleben ein extremes Wachstum und brauchen nicht mehr nach Mitarbeitern zu suchen, weil sich die Mitarbeiter von allein bewerben. Jedes Unternehmen ist auf zufriedene Kunden angewiesen und in Zeiten, in denen auch der Wettbewerb um gute Mitarbeiter immer härter und offenkundiger wird, ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter ein hohes Gut.

Häufig ist eine solche Transformation für das mittlere Management am schwierigsten. Doch auch sie stellen fest, dass sich mit der kulturellen Veränderung ihre Rollen hin zu mehr Raum für Kreativität und Produktivität verändern.

Veränderungen von Kultur und Organisation brauchen Spielräume

Allerdings ist eine Transformation mit allen Konsequenzen eine lange Reise und sollte schrittweise angegangen werden. Es bietet sich an, mit einzelnen Teams anzufangen und neue Herangehensweisen auszuprobieren. Das Team benötigt dafür aber echte Handlungsspielräume.

Im Rahmen einer Initiative zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit wurden in einem Telekommunikationsunternehmen die Agenten aufgefordert, die Anliegen unzufriedenen Kunden unbürokratisch, ohne das Beachten der üblichen Regeln, zu lösen. Außerdem gab es die Möglichkeit dem Kunden zusätzlich eine kleine Aufmerksamkeit wie etwa Pralinen zuzuschicken. Interessanterweise wurde dieses Angebot so gut wie gar nicht in Anspruch genommen. Es blieb im Wesentlichen alles beim Alten.

Daraufhin machte man zunächst den Mitarbeitern ein Überraschungspäckchen und führte den Mitarbeitern vor Augen, dass ihre Hauptaufgabe darin bestand, für den Kunden eine gute Lösung zu finden und nicht darin, stur Prozesse oder Vorgaben zu befolgen. Nach diesem Auftakt veränderte sich die Haltung der Mitarbeiter: Die Kultur im Team änderte sich und übertrug sich dann auch auf die Kunden. Die Kundenzufriedenheit stieg deutlich.

Eine kulturelle Transformation im Kundenservice mit dem Ziel der Selbstorganisation anzustoßen, ist sicher ein sehr guter Weg, auf progressive und agile Weise Mitarbeiter und Kunden zu begeistern. Es ist eine lange Reise zu einem in vielerlei Hinsicht sehr lohnenden Ziel.

Wer mehr zu diesem Thema lesen möchte, wird hier fündig: Make work more fun | Corporate Rebels (corporate-rebels.com)

Tabea Henrich – Senior Consultant

junokai

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