Wer kennt es nicht? Wir sehen eine TV-Serie weiter, die uns nicht wirklich unterhält, oder lesen einen langweiligen Roman zu Ende, bloß weil wir mal damit angefangen haben.
Es geht um das Festhalten an Dingen, die wir begonnen haben, eben weil wir sie begonnen haben. Vielleicht liegt es daran, dass wir als Kinder gelernt haben, dass Indianer nie aufgeben und man den Teller leer essen soll, selbst wenn es nicht mehr schmeckt.
In der Geschäfts- und Arbeitswelt existiert dieses Verhalten auch. Es wird zu lange an Strategien festgehalten, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, vor dem Hintergrund geänderter Bedingungen aber nicht mehr sinnvoll sind. Auch kommt es vor, dass an Mitarbeitern nach deren Einstellung oder Beförderung festgehalten wird, obwohl die jeweilige Person sich mittlerweile als eher ungeeignet erwiesen hat. Ein für alle Beteiligten unangenehmes Szenario, das durch die aktuell äußerst schwierige Rekrutierungssituation in den Callcentern noch befeuert wird.
Der Mensch und besonders der in Führungspositionen strebt danach, als rational urteilendes Wesen zu gelten, welches (fast) immer die richtigen Entscheidungen trifft – auch sich selbst gegenüber. Der Wunsch als verlässlich zu gelten, trägt zur Tendenz am Festhalten bei, und so passiert es, dass wir erst einmal auf Entscheidungen beharren, auch nachdem die ersten Zweifel nagen. Ja auch nachdem handfeste Fakten gegen unsere ursprüngliche Entscheidung sprechen, betrachten wir nur die eine Seite der Pro-und-Contra-Liste. Wir suchen unbewusst nach Argumenten, die unsere Handlung bestätigen und verwerfen diejenigen, die dagegensprechen (Wer hat nicht schon so lange gegoogelt, bis endlich die Seite auftauchte, die bestätigt, dass Schokolade eben doch gesund und gut für uns ist!?). Wir klammern uns an unseren bisherigen Einsatz an Zeit, Geld und Emotionen und werfen – wie die klugen Hanseaten sagen – schlechtem Geld gutes hinterher. Wir halten an Fehlern und überholten Sichtweisen fest.
Was tun?
Das ist kein Aufruf, bei geringstem Gegenwind die Flinte ins Korn zu werfen, sondern Entscheidungen kontinuierlich und vereinheitlicht zu hinterfragen. Dazu haben wir in der Regel hinreichend Zugang zu Zahlen, Daten, Fakten. Wir analysieren diese auch und sind prinzipiell in der Lage die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wenn es uns schwerfällt, die eigenen Projekte emotionslos zu betrachten, stehen uns einige Methoden zur Verfügung.
All das ist nicht einfach und erfordert, über den eigenen Schatten zu springen. Dazu braucht es Mut und Entschlossenheit und vor allem die Einsicht, dass man gerade an etwas festhält, dass nicht mehr gut genug ist. Das muss angegangen werden, sonst machen es die Nachfolger.
In diesem Sinne, esst nicht notwendigerweise jeden Teller leer!
Lars Scheffen – Senior Consultant
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