Im Tipp der Woche KW 18 – 2018 haben wir bereits mögliche externe Vergütungsmodelle vorgestellt und deren Vor- und Nachteile beschrieben. Heute möchten wir das Gain-Share Modell detaillierter betrachten und beschreiben.
Im „Gain-Share Modell“ (zu deutsch: Gewinn-Verteilung) lassen sich Auftragnehmer und Auftraggeber auf eine Zusammenarbeit ein, bei der beide Parteien gleichermaßen am Erfolg einer erbrachten Leistung beteiligt werden. Kriterien für den Erfolg können folgende sein: Reduzierung Kundenkontakte, Steigerung Qualitätswerte, Steigerung Kundenbindung, Steigerung Sales, Reduzierung Bearbeitungszeiten etc.. Um dieses Modell erfolgreich umsetzen zu können, ist eine hohe Integration der Zusammenarbeit und ein hohes Vertrauen in allen dafür relevanten Bereichen – wie IT-Systemen, IT-Infrastruktur, Prozessen, Sales, Qualität, Performance – notwendig. Damit sich ein solches Modell tatsächlich nachhaltig für beide Parteien erfolgreich entwickeln kann, benötigt man Vertragsdauern von mindestens 5 Jahren und mehr.
Vertraglich muss dabei für jede relevante Kennzahl eine „Baseline“, ein sogenannter „Nullwert“, definiert werden. Anhand der Entwicklung aller Kennzahlen zu den definierten Nullwerten kann der Erfolg oder Nicht-Erfolg der Leistung festgestellt werden.
Der Auftraggeber legt dabei jede Kennzahl in der historischen Entwicklung offen, inklusive der Erklärung von Abweichungen. Gemeinsam werden dann die Baseline-Werte bestimmt. Die Erfolge bei der Projektumsetzung, wie zum Beispiel Kosteneinsparungen, gestiegene Kundenzahlen oder gesteigerte Kundenwerte und Umsätze sowie gesteigerte Qualitätswerte werden anhand eines vereinbarten Schlüssels zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber geteilt.
Der Auftragnehmer kann dabei nur dann erfolgreich sein, wenn er unmittelbaren Einfluss auf die Bereiche erhält, die Auswirkungen auf den Erfolg der Leistung haben. Was bedeutet, dass der Auftraggeber Kompetenzen und Knowhow an den Auftragnehmer abgeben muss. Der Auftragnehmer definiert zukünftig die Kundenservice-Prozesse anstatt wie bisher der Auftraggeber.
Abhängig vom Gain-Share Modell kann es sein, dass der Auftragnehmer auch weitere Investitionen tätigen muss – wie zum Beispiel in IT-Infrastruktur: CRM-Systeme, eingesetzte Kontaktkanäle, neue Workflow-Engines etc.. Das bedeutet, dass ein Auftragnehmer in den ersten 1 – 2 Jahren im Projekt einen negativen Deckungsbeitrag erwirtschaften wird, da er zunächst Investitionen in Prozesse, IT, Qualität und Sales tätigen muss. Diese Investitionen werden sich erst in den Folgejahren amortisieren.
Sollte ein Gain-Share Modell nur auf einen Teil einer Kundenbasis angewendet werden, zum Beispiel alle B2B-Kunden oder B2C-Kunden mit einem bestimmten Kundenwert, bleiben die bestehenden IT-Systeme üblicherweise beim Auftraggeber. Folglich müssen zu tätigende Investitionen in IT und Prozesse ebenfalls Teil des Vergütungsmodells sein. Dabei wird festgelegt, welchen Anteil der Kosten für Investitionen in IT und Prozesse Auftraggeber und Auftragnehmer übernehmen.
Um für beide Seiten ein erfolgreiches Modell zu entwickeln, ist sehr viel Vorarbeit und Abstimmung notwendig – angefangen mit der Offenlegung von Zahlen und Daten (Kundenzahlen, Kundenwert, Kontaktraten, Bearbeitungszeiten, Qualitätswerten) bis hin zu Messmethoden, Prozessen, Kontaktkanälen und Systemen. Aus all diesen Parametern und Zahlen wird dann ein Business Case entwickelt, der regelt, nach welcher Logik der Erfolg und die Zielerreichung gemessen und vergütet werden soll.
Außerdem ist zu definieren, wie mit Abweichungen oder Einflüssen umzugehen ist, die nicht durch den Auftragnehmer beeinflussbar sind, jedoch Auswirkungen auf definierte Kennzahlen und Erfolgsfaktoren haben und damit auch auf den positiven oder negativen Erfolg des Projektes einzahlen. Das bedeutet, dass regelmäßig die angenommenen Baseline Werte des gemeinsam erstellen Business Cases überprüft und bei Bedarf justiert werden müssen.
Wann empfiehlt es sich für einen Auftraggeber, ein Gain-Share Modell anzuwenden?
Es empfiehlt sich nur dann, wenn der Auftraggeber bereits ein hohes Maß an Prozessqualität, Performance, IT-Systemen und IT-Unterstützung realisiert hat.
Ansonsten wäre es ein Leichtes für den Auftragnehmer, nur die bereits offensichtlichen Schwächen, Fehler und Unzulänglichkeiten des Auftraggebers umzusetzen und zu realisieren. Er würde ohne große Anstrengungen sogenannte „Low hanging Fruits“ anpacken, die eben auch der Auftraggeber einfach und schnell hätte umsetzen können.
Folglich macht diese Form der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nur dann Sinn, wenn beide mindestens auf Augenhöhe agieren.
Der Auftragnehmer muss hohe Kompetenzen und Erfahrungen in allen Belangen haben, die wichtig für die Erfolgsfaktoren des Gain-Share Modelles sind. Diese können zum Beispiel sein: Konzepte zu Fehlervermeidung und proaktiver Kommunikation, Methoden und Modelle zur Steigerung der Erstlösungsquote, Kompetenzen zur Eliminierung von Transfers, Self-Service und Digitalisierungskonzepte, Erfahrung im Bereich Sales und „Sales in Service“ oder nachhaltige Methoden zur Steigerung der Produktivität und Auslastung.
Dies bedeutet auch, dass ein Auftragnehmer mehr Einfluss beim Auftraggeber haben muss, um auch mit anderen Bereichen – außerhalb der eigentlichen Kundenserviceorganisation – interagieren und zusammenarbeiten zu können, wie zum Beispiel mit Marketing, IT, Produktmanagement.
Betrachtet man den Umfang und die Auswirkungen bis zur erfolgreichen Realisierung eines Gain-Share Projektes, so sollte man mit einer Vorlaufzeit und Transformationszeit von mindestens 6 – 12 Monaten kalkulieren. Das bedeutet, dass seitens Auftragnehmer und Auftraggeber die notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung stehen müssen. Angefangen bei den Projektmanagern über Spezialisten aus den Bereichen IT, Controlling, Reporting, Planung und Steuerung, Vertrieb, Prozessmanagement usw..
Zusammengefasst kann man sagen, das mit Hilfe eines Gain-Share-Modells nachhaltig Verbesserungen im Kundeservice realisiert werden können. Dazu bedarf es aber einer umfangreichen Vorarbeit und Planung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
Das Modell kann nur dann erfolgreich sein, wenn man eine intensive Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eingeht. Wegen der „langen“ vertraglichen Bindungen, die in der Regel mind. fünf Jahre währt, gilt es im Vorfeld intensiv alle relevanten Parameter, Daten und Kennzahlen transparent und verständlich aufzubereiten und darzustellen.
– Jürgen Marx (Berater)
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