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Tipp KW 30 – 2018

Neue Kunden zu gewinnen ist für jede Marke eine unternehmerische Notwendigkeit. Der Investitionsaufwand ist anspruchsvoll und zeitintensiv, um Neukunden zu gewinnen. Eine kurzfristige Ertragssteigerung über Neukunden ist eigentlich nahezu ausgeschlossen. Das Gegenteil kann möglich sein, etwa wenn der Vertrieb für die Bestandskunden zu Gunsten der Neukundengewinnung zeitweise oder auf Dauer umgewidmet wird. Gerade Bestandskunden bieten aber das Potenzial, um schnelle und signifikante Ertrags- und Umsatzsteigerungen zu erzielen. Im Vergleich zum Neukundengeschäft auch mit geringeren Kosten, da Bestandskunden das Unternehmen und auch das angebotene Produkt- oder Dienstleistungsportfolio bereits kennen und schätzen. Die Verweildauer im Kaufprozess ist auch meist länger, da Bestandskunden die sogenannte Kennenlernepisode bereits abgeschlossen haben, in der die Drop-out-Raten am höchsten sind. Ein kostenbezogener Vorteil liegt ebenfalls in dieser Kundenbearbeitungsstrategie, denn Bestandskunden melden sich regelmäßig von selbst, sei es zu Vertragsfragen, Serviceanliegen oder anderen Themen. Und genau dieser Kontaktpunkt eignet sich für Cross- und Up-Selling-Aktivitäten, die zugleich auch profitabel sind, da der Kontakt vom Kunden ausging und somit ein optimales Kosten-/ Nutzenverhältnis darstellt. Um aber Bestandskundenpotenzial wirtschaftlich zum Vorteil nutzen zu können und um aus dem Kunden einen Ertrag zu erwirtschaften, muss das ganze Unternehmen auf dieses Vertriebsmodell ausgerichtet sein.

Die Up- und Cross-Selling-Modelle gehören in der Kundenbearbeitung zur Gruppe der Penetrationsstrategien, weil man dabei versucht, bestehende Kundenbeziehungen – ganz gleich, ob es sich dabei um B2B oder B2C Kundenzielgruppen handelt – fortlaufend auf- und auszubauen. Dies im Gegensatz zum Retention-Management, in dem Kunden überwiegend im aktuellen Vertragsverhältnis gehalten werden sollen und dafür auch zum Teil bonifiziert werden.

Durch den Verkauf weiterer Produkte, Leistungen oder Services erzeugt man einen zusätzlichen Mehrwert für den Kunden, von dem beide Seiten profitieren, sowohl der Verkäufer als auch der Käufer. Dabei kann der Käufer unterschiedliche Produkte oder Services von einer einzigen Quelle erwerben. Das Unternehmen selbst muss sich dabei nicht auf sein eigenes Portfolio reduzieren, sondern kann Allianzen mit anderen Unternehmen eingehen, sein eigenes Portfolio mit den Produkten oder Services Dritter erweitern. Damit gewinnt die Marke an Attraktivität beim Kunden, aber auch Kompetenzen wie bspw. als „Rundumversorger“ werden aufgebaut. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation, in denen Firmen versuchen, durch eine eingeschränkte Umsatz-Kosten-Betrachtung bestehende Ressourcen möglichst wirksam auszunutzen, erhält die Kundenpenetrationsstrategie durch „Cross- und Up-Selling Effekte“ besondere Aufmerksamkeit.

Im eCommerce und im Einzelhandel ist Cross- und Up-Selling eine übliche Praxis, d.h. hier sind es Automatismen, die dem Kunden beim Kauf komplementäre Zusatzprodukte anbieten. So stehen im Supermarkt neben der Packung Pasta oft verschiedene Soßen gleich daneben. Zum Anzug gibt es in der gleichen Abteilung das passende Hemd, eine Krawatte oder weitere passende Accessoires. Oder automatisches Cross-Selling in Form von Empfehlungen anderer Kunden, d.h. Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, haben auch Folgendes gekauft. Letzteres basiert auf der Kaufhistorie und damit dem Kaufverhalten des Kunden. Es werden Cluster zu Kunden gebildet, die in unterschiedlicher Ausprägungen ein mehr oder weniger gleiches Kaufverhalten über verschiedene Produktsegmente aufweisen.

Dies sind nur ein paar Beispiele, aber es können auch folgende Cross- und Up-Selling-Ansätze sein,

– wie ergänzende oder ähnliche Produkte, bspw. Schuhkauf: Für die Schuhe entsprechende Pflegemittel anzubieten.
– Erforderliche Komplementärprodukte, bspw. das IKEA-Prinzip: Für Nutzung eines Produktes benötigen sie ein weiteres, wie für eine Lampe eine Glühbirne.
– Ergänzende Dienstleistungen, bspw. beim Softwarekauf: Hier kann man Schulungen anbieten oder Servicedienstleistungen mit schnellen Einsatz- oder Vorortkomponenten.
– Geschmack erraten, bspw. hat sich der Kunde Anzüge in einer bestimmten Farbe angesehen oder gekauft, so dass man andere Produkte im gleichen Farbton ausspielt und anbietet.
– Den gesamten Look kaufen, bspw. Kundinnen wird ein komplettes Outfit zum Kauf vorschlagen.

Erfolgreiche Cross- und Up-Selling-Marken konzentrieren sich nicht allein auf Gewinn und Verlustbetrachtungen, sondern binden diese dynamische Wachstumsstrategie aktiv durch bilanzielle und perspektivische Planungsebenen in Ihr Unternehmen ein. Hier steht der Kundenwert und die zeitliche Entwicklung des Kundenwerts und seines segmentübergreifenden Kaufverhaltens im Fokus, so dass dies ein gesundes Fundament für langfristige Wachstums- und Umsatzplanungen sicherstellt.

Big Data, digitale Innovationen und gewachsene IT-Kompetenzen bieten Unternehmen eine Vielzahl von Chancen, interne und externe Daten mehrerer Jahre zu analysieren, um dynamische Kundenprofile und Kaufcluster zu erstellen. Diese geben neue Anhaltspunkte, um Leistungs- und Produktangebote in der Cross- und Up-Selling-Strategie zu verbessern. Denn es gilt bei diesen Strategien die unterschiedlichen Kundensegmente und deren Kaufverhalten zu kennen. Wie verändern sich Kaufverhalten oder Kunden-Präferenzen? Welche Produkte, Services und Kanäle werden genutzt? Gibt es Analogien bei den Kunden und wenn ja, in welcher Stückzahl?

Marketing, Vertrieb, Produktmanagement, Finance und Controlling müssen in der Realisierung dieser strategischen Entscheidung synchronisiert werden, so dass eine effektive und passgenaue Steuerung der Wachstumsinitiativen gewährleistet ist. Hier liegt der Erfolg nicht im Modus „Alles auf einmal“ sondern im „Erfolg der kleinen Schritte“. Strategie, Ideen und Impulse mit kalkulierten Risiko zu testen und die Ergebnisse zu verstehen führen Schritt für Schritt zum Erfolg. Es ist eine falsche Annahme zuerst in ein neues Data-Warehouses oder in neue CRM-Systeme zu investieren, bevor man handeln kann. Diese Auswahl folgt der Strategie, denn wenn diese steht, die Organisation Ihren neuen Ansatz lernen konnte und selbst verprobt wurde, ist es Zeit, sich über Systeme Gedanken zu machen, die auch für die Herausforderungen der neuen Wachstumsstrategie wirklich benötigt werden. Das erste Ziel ist, ein reproduzierbares Modell in einem dynamischen Prozess zu entwickeln.

Starten Sie mit der Bestandsaufnahme im Rahmen einer Ist/Soll-Analyse und entwickeln Sie einen Maßnahmenkatalog. Wer sind Ihre Kunden? Welche Methode bietet sich für die Ermittlung des Kundenwertes an? Welche Produkte oder Services sind geeignet, um eine konsequente und authentische Wachstumsstrategie abzuleiten? Wie können Incentivierungsmodelle für den Vertrieb aussehen? Welche Kooperationspartner kann man mit welchen Produkten oder Dienstleistungen ins Portfolio aufnehmen? Welche Schnittstellen sind erforderlich?

Der Tipp der Woche zeigt, dass Marken durch Cross- und Up-Selling-Modelle zum einen Ihre Ertragspotenziale steigern und zum anderen an Attraktivität bezüglich Ihres Sortiments gewinnen können, das zahlt am Ende auf den Ausbau der Kundenbindung ein und gewährleistet eine starke und kontinuierliche Marktpräsenz.

– Lars Winterstein (Associate Partner)
junokai

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