Bisher sah Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB für Online-Händler eine Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer vor. Eine solche Rufnummer sollen Online-Händler nach dem Wortlaut des Gesetzes z.B. in ihrem Impressum angeben, auch wenn nach § 5 TMG nicht zwingend die Angabe einer Telefonnummer erforderlich ist. Des Weiteren soll die Rufnummer auf den Seiten genannt werden, auf denen das Unternehmen seinen sonstigen Informationspflichten nachkommt.
Der EuGH hat jedoch inzwischen festgestellt, dass diese Regelung europarechtswidrig ist (Rechtssache C-649/17).
In der Vorinstanz hatte sich zunächst das OLG Köln (Urt. v. 8.7.2016, 6 U 180/15) und später der BGH (Beschl. v. 05.10.2017, Az. I ZR 163/16) in einem Verfahren der Verbraucherzentrale gegen einen Onlinehändler mit der Frage beschäftigt, wie konkret die Kontaktmöglichkeiten auf einer Website angegeben werden müssen.
Der Händler gab zwar Telefonnummern an, diese waren jedoch nach Auffassung der Verbraucherzentrale zu versteckt bzw. zu kompliziert zu erreichen. Im Impressum waren weder Telefon- noch Faxnummer zu finden. Durch Anklicken der Schaltfläche „Kontaktieren Sie uns“ gelangt man zu einer Seite mit der Rückrufoption.
Neben den klassischen Impressumspflichten aus § 5 TMG – in dem keine Pflicht zu Nennung einer Telefonnummer vorgesehen ist – schreibt Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB vor, dass der Online-Händler anzugeben hat:
„seine Identität, beispielsweise seinen Handelsnamen sowie die Anschrift des Ortes, an dem er niedergelassen ist, seine Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sowie gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt.“
Diese Pflicht diente ursprünglich zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie in deutsches Recht. Dort steht jedoch etwas anderes als der deutsche Gesetzgeber später ins Gesetz übernommen hat.
In Art. 6 Abs. 1 c der Richtlinie heißt es, dass anzugeben sind:
„die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, und gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann, sowie gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt;“
Das Wort „gegebenenfalls“ hinter die Telefonnummer zu stellen, stand dem deutschen Gesetzgeber nicht zu, da die Richtlinie eine Vollharmonisierung vorsieht. Demnach ist die Regelung in nationales Recht zu übernehmen, ohne den Inhalt zu ändern.
Bereits das OLG Köln erkannte das und legte die deutsche Vorschrift europarechtskonform aus.
„Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB weicht daher insoweit von Art. 6 Abs. 1 VerbraucherRRL ab, als nach dem Wortlaut des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB die Telefonnummer immer anzugeben ist, Faxnummer und E-Mail-Adresse dagegen nur „gegebenenfalls“.
Darüber hinaus besteht eine Abweichung darin, dass das von der Richtlinie vorgesehene Erfordernis einer schnellen Kontaktaufnahme und effizienten Kommunikation vom deutschen Gesetzestext nicht übernommen worden ist.“
Die Regelung kennzeichnet sich dadurch, dass sie das Erfordernis einer schnellen Kontaktaufnahme und effizienten Kommunikation aufstellt. Für sie gilt, dass, soweit schnelle Kontaktaufnahme und effiziente Kommunikation anderweitig gewährleistet sind, die Angabe einer Telefonnummer fakultativ ist. Die Vorgaben erfüllt das beklagte Unternehmen auch dadurch, dass es eine Rückruffunktion und eine Chat-Möglichkeit bzw. die Kommunikation per E-Mail anbietet.
Dieser Auffassung schloss sich der EuGH nun an, der Artikel im EGBGB verstoße in der Tat gegen die Verbraucherrechte-RL. Unternehmen könnten nämlich nicht verpflichtet werden, einen Telefonanschluss oder ein E-Mail-Konto einzurichten, damit Verbraucher stets mit ihnen Kontakt aufnehmen können.
Die Richtlinie diene nicht nur dem Verbraucherschutz. Es geht auch darum, ein Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen. So entschied sich der EuGH dazu, der unternehmerischen Freiheit der Händler etwas mehr Gewicht zu geben, als dem Bedürfnis des Verbrauchers, auf gewohnte Kontaktkanäle zurückzugreifen.
Gleichzeitig betonte der EuGH jedoch, dass Online-Händler den Verbrauchern zumindest ein anderes Kommunikationsmittel bereitstellen müssten, über das schnell Kontakt aufgenommen und effizient kommuniziert werden kann. Die Unternehmen könnten dazu z.B. elektronische Kontaktformulare, Internet-Chats oder ein Rückrufsystem nutzen, sofern sie gut zu erreichen sind und die Informationen dazu den Kunden klar und verständlich zugänglich gemacht würden.
Ein Selbstversuch auf den Seiten des beklagten Onlinehändlers und an dessen Hotline hat im Übrigen ergeben, dass man in den meisten Fällen online schneller eine Antwort und damit eine Lösung für sein Anliegen findet als es dauert, einen Mitarbeiter telefonisch zu erreichen und den Fall zu schildern.
Insofern hat diese Entscheidung auch eine hohe Praxisrelevanz und kommt im Ergebnis dem Verbraucher sogar stärker entgegen, als wenn die Verbraucherzentrale mit ihrer Klage Erfolg gehabt hätte.
Stefan Krankemann (Berater)
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