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Tipp KW 17 – 2024

Anpassung der Führungsstile an die Bedürfnisse der Generationen Y und Z

Die Realität in den Führungsetagen ist oft eine andere, als es Managementbücher lehren. In meinen Beratungen stoße ich regelmäßig auf ein Phänomen: Mitarbeiter, die strategisch im Dunkeln tappen, weil die Unternehmensstrategie ein wohlgehütetes Geheimnis bleibt, Ziele, die sich mit einer Frequenz ändern, die jede Form von Stabilität vermissen lässt, und das Fehlen strukturierter Jahresgespräche und klar definierter Zielvereinbarungen. Parallel höre ich von Führungskräften, dass ihnen die Zeit zum Führen fehlt, dass wöchentliche Jour Fixes zu häufig seien – zu viel Zeit für Menschen, zu wenig für Zahlen und Prozesse. Diese Diskrepanz zwischen den Anforderungen an eine Führungskraft und der praktizierten Realität eröffnet eine Diskussion, die wir führen müssen: Wie sieht wirkungsvolle Führung in einer Welt aus, die sich schneller dreht, als wir unsere Strategien darauf abstimmen können?

Warum gute Führung so wichtig ist

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, und sie spiegeln wider, was meine Kollegen und ich in unserer Beratungspraxis tagtäglich beobachten: Nur rund ein Drittel der Arbeitnehmer in Deutschland ist mit seiner Arbeitssituation zufrieden. Dieser Wert ist nicht nur ein statistischer Indikator, sondern ein real erlebtes Phänomen. Eine Zunahme an Unzufriedenheit und ein Rückgang der Motivation kennzeichnen das Bild in vielen Unternehmen. Insbesondere für die Generationen Y und Z, die eine sinnstiftende Arbeit suchen, ist die Diskrepanz zwischen ihrer Erwartung und der Realität spürbar. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, doch ein wesentlicher Faktor ist die Art und Weise, wie Führung praktiziert wird. Eine effektive Führungskraft muss heutzutage mehr denn je sowohl Orientierung als auch Wertschätzung bieten. Das Fehlen von klaren Zielen und die Vernachlässigung der Mitarbeiteranerkennung sind oftmals die Wurzel für das spürbare Defizit an Engagement und Produktivität. Diese qualitativen und quantitativen Beobachtungen unterstreichen die Dringlichkeit, Führungskonzepte zu überdenken und anzupassen, um die Lücke zwischen dem Bedürfnis der Mitarbeiter nach Sinnhaftigkeit und den Anforderungen des Geschäftsalltags zu schließen.

Die Wechselbereitschaft junger Talente und ihre Folgen für Unternehmen

Die Frage nach dem Warum und Wohin der Arbeitskräfte ist aktueller denn je. Ein Beispiel, das während meiner Beratungen zum Vorschein kam, veranschaulicht diese Dynamik: Ein talentierter Mitarbeiter drückt seine Unzufriedenheit aus. Auf meine Nachfrage, warum er dann nicht das Unternehmen verlässt, antwortet er: „Ich kann mir hier Freiheiten erlauben, weil ich weiß, dass meine Rolle unverzichtbar ist.“ Diese Einstellung zeigt, wie junge Fachkräfte ihre Stellung bewusst nutzen, um Arbeitsbedingungen zu schaffen, die ihnen passen – auch wenn es heißt, nur einen Teil ihres Potenzials dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Sie bleiben, weil sie können, nicht weil sie wollen. Hier zeigt sich die dringende Notwendigkeit für Unternehmen, eine Führungskultur zu etablieren, die solche Talente nicht nur hält, sondern sie auch vollends einbindet und motiviert. Es geht darum, Arbeitsumgebungen zu gestalten, in denen die Sinnhaftigkeit der Aufgaben und die Anerkennung der Leistung im Vordergrund stehen, um das volle Engagement und die Zufriedenheit der Angestellten zu fördern.

Neue Karriereeinstellungen: Beobachtung aus der Praxis

Ein Phänomen, das immer häufiger zum Vorschein kommt: Viele junge, gut ausgebildete Angestellte scheinen das traditionelle Konzept der „Karriere“ neu zu interpretieren. Wenn ich sie nach ihren Zielen für die nächsten fünf Jahre frage, sprechen sie eher von Reiseplänen als von beruflichem Aufstieg. Diese Beobachtung macht deutlich, dass für einen Großteil der Generationen Y und Z der traditionelle Karrierebegriff an Bedeutung verloren hat. Karriere wird nicht mehr primär als hierarchischer Aufstieg gesehen, sondern als individueller Weg, der persönliches Wachstum und Lebenserfahrung ermöglicht.

Gleichzeitig bemerke ich, dass die Bereitschaft, Führungspositionen zu übernehmen und damit verbundene Verantwortungen zu tragen, nicht mehr als selbstverständliches Karriereziel angesehen wird. Das direkte Feedback aus meinen Beratungsgesprächen zeigt: Junge Fachkräfte zögern, Positionen anzustreben, in denen sie andere anleiten und Entscheidungen treffen müssen, die möglicherweise nicht auf allgemeine Zustimmung stoßen. Die Idee, im Wettbewerb zu stehen und sich durch Leistung von anderen abzuheben, erscheint vielen als weniger erstrebenswert. Dieses Zögern wird oft mit dem Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und der Suche nach sinnstiftender Arbeit begründet.

Lösungsansätze: Fokus auf Mentoring

Ein wirksamer Weg, um angehende Führungskräfte zu entwickeln, ist die Integration von Mentoring in Trainee-Programme. Die Grundidee ist, dass Trainees durch erfahrene Vorgesetzte im Alltag begleitet werden, wodurch ein Raum für Fragen und direktes Feedback entsteht. Ergänzt durch spezifische Programme, die theoretisches Wissen mit praxisnahen Beispielen kombinieren, wie z.B. Job-Rotationen und Peer-Gruppenarbeit, ermöglicht dieser Ansatz eine umfassende Vorbereitung auf Führungsaufgaben. Mein eigenes Erlebnis in einem Management Development Programm zeigt, dass eine solche Kombination aus Theorie, Praxis und Mentoring einen soliden Grundstein für die Entwicklung von Führungskompetenzen legen kann.

Praktische Tipps für Trainee- und Mentoring-Programme

Um ein effektives Trainee- und Mentoring-Programm im Unternehmen zu etablieren, beginnen Sie mit der Definition klarer Lernziele und der Auswahl passender Mentorinnen und Mentoren. Stellen Sie sicher, dass die Mentoring-Beziehung auf gegenseitigem Respekt beruht und regelmäßige Treffen zum Austausch und Feedback stattfinden. Job-Rotationen können den Trainees helfen, verschiedene Bereiche des Unternehmens kennenzulernen und ihre Fähigkeiten in unterschiedlichen Kontexten zu schärfen. Wichtig ist auch die Einbindung der Trainees in reale Projekte, um praktische Erfahrungen zu sammeln.

Die Zukunft der Führung liegt in der Anpassungsfähigkeit an die Erwartungen neuer Generationen. Durch Einbindung von Elementen wie Trainee- und Mentoring-Programmen in die Unternehmensstruktur können Firmen nicht nur fähige Nachwuchsführungskräfte für sich gewinnen, sondern diese auch langfristig an sich binden und ihre Motivation steigern. Solche Programme sind entscheidend, um den Wandel in der Führungskultur aktiv mitzugestalten. Unternehmen, die bereit sind, ihre Führungsansätze zu überdenken und an die Bedürfnisse der Generationen Y und Z anzupassen, sichern sich nicht nur engagierte Führungskräfte, sondern stärken auch ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Es ist an der Zeit, nicht nur Führung neu zu denken, sondern auch die Strukturen dahinter mutig zu reformieren.

Michael Jurisch – Manager

 junokai

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