Jeder Verantwortliche in mitarbeiterintensiven Branchen kennt das Thema und es gewinnt mehr und mehr Brisanz, da künftig in Deutschland immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Ein gewisser Austausch von Personal über Wochen/Monate/Jahre ist systemimmanent. Mitarbeiter wechseln den Wohnort, suchen berufliche Veränderungen, gehen in Rente, verändern die Prioritäten in ihrem Leben. Unternehmen müssen sich ggf. saisonalen Schwankungen anpassen, bewältigen Umstrukturierungen, trennen sich von Mitarbeitern aus betriebs- oder verhaltensbedingten Gründen. Eine vermeintlich positive, weil sehr niedrige Fluktuationsrate ist nicht immer förderlich für den Unternehmenserfolg. Wenn zum Beispiel keine Bewegung mehr in Teamkonstellationen besteht, sich Verhaltensmuster einschleifen, dann können Unternehmen förmlich erstarren. Sehr hohe Fluktuationsraten wiederum sprechen für geringe Mitarbeiterbindung, hohen Verschleiß und sie erzeugen enorme Kosten. Fluktuation kann demnach positive und negative Aspekte beinhalten.
Wo also ist die Grenze zur „ungesunden“ Fluktuation und wie kann man ihr begegnen?
Grundsätzlich gibt es bei der Betrachtung der Fluktuationsquote große regionale und branchenspezifische Unterschiede. Betrachten wir die Fluktuationsraten von Kundenservice-Organisationen bei Service Center Dienstleistern in Deutschland auf das Jahr gerechnet, so zeigt sich, dass häufig Werte zwischen 30% und 40% (in Gegenden mit intensivem Wettbewerb um die Mitarbeiter) als üblich angesehen werden. Wichtig: diese Zahlen basieren auf Berechnungen auf Grundlage der sogenannten BDA-Formel (Abgänge geteilt durch Personalbestand zu einem fixen Datum bzw. über eine festgelegte Periode *100%).
Es empfiehlt sich, eine erste „Daumenpeilung“ mittels der Werte von branchengleichen Unternehmen vorzunehmen, die in ähnlichen Regional- und Wettbewerbsstrukturen agieren. Im zweiten Schritt sollte man sich vor Augen führen, welche Kosten durch Fluktuation entstehen. Dafür müssen u.a. die Rekrutierungskosten, das Gehalt während der Schulungsdauer und Einarbeitungszeit, Trainer- und Raumkosten und Einbußen in der Produktivität innerhalb der ersten Wochen kalkuliert werden. Bei einer exemplarischen Schulungsdauer von 4 Wochen, einer anschließenden begleiteten Einarbeitungszeit von 2 Wochen und der Minderproduktivität bis zum Erreichen des vollen Reifegrades kommen hier schnell Kosten von mehreren tausend Euro für den Ersatz eines verlorenen Mitarbeiters zusammen.
Fügt man alle Kennzahlen aus einem Projekt zusammen (Umsatz, Personalkosten, Overhead-Kosten, Schulungskosten, Sach- und Gemeinkosten, usw.), so ergibt sich daraus schnell die Erkenntnis, wie viel Fluktuation ein Projekt individuell verträgt bzw. wo durch eine zu hohe Fluktuation eine Schieflage entstehen kann.
Wie lassen sich die Gründe für eine zu hohe Fluktuation herausfinden und geeignete Gegenmaßnahmen ableiten?
Zunächst müssen dafür dauerhaft die Kündigungsgründe erfasst und dokumentiert werden. Die erste Unterteilung betrifft die Frage, ob das Ausscheiden des einzelnen Mitarbeiters arbeitnehmer- oder arbeitgeberseitig begründet war, also aus Sicht des Unternehmens gewollt oder ungewollt. Zudem muss regelmäßig erhoben werden, zu welchen Zeitpunkten des Mitarbeiter-„Lifecycles“ und des Jahres wie viele Austritte verzeichnet wurden.
Erstaunlicherweise sind bereits an dieser Stelle viele Unternehmen schon nicht mehr aussagefähig.
Weiterhin muss, ggf. über Austrittsgespräche und -fragebögen, ermittelt werden, welche Gründe aus Sicht des Mitarbeiters zum Ausscheiden geführt haben. Daraus lässt sich dann schließlich ermitteln, ob z.B. bereits in der Rekrutierung Verbesserungen nötig sind – wenn sich etwa schon in der Schulung zeigt, dass viele Mitarbeiter nicht dem Anforderungsprofil entsprechen, oder dass wichtige Informationen zur Position im Vorfeld nicht geprüft wurden. Weiterhin lohnt sich eine Analyse, ob es im Onboarding Prozess und/oder der Führung hapert – wenn etwa viele Mitarbeiter zwar die Schulung erfolgreich durchlaufen, dann jedoch schon innerhalb der ersten Monate wieder ausscheiden. Aus Austritts-Fragebögen lassen sich zudem Rückschlüsse zur allgemeinen Zufriedenheit, und zum Arbeitsklima selbst ziehen, die wiederum als Basis für Verbesserungsmöglichkeiten dienen können.
Anhand dieser Beispiele und den vorgeschlagenen leicht umzusetzenden Maßnahmen kann dem Thema „Fluktuation“ aktiv und konstruktiv begegnet werden.
– Zoe ter Woord (Beraterin)
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