Wenn Sie Teams im Contact Center bezüglich Ihrer KPI-Erfüllung miteinander vergleichen oder Teamwettbewerbe durchführen, bei denen es um eine Incentivierung für die Erreichung bestimmter Ziele geht (Kundenzufriedenheit, Sales, AHT etc.), was glauben Sie, was die Teams auf den oberen Plätzen des Rankings von denen auf den unteren Plätzen unterscheidet? Wenn Sie es nicht sowieso schon gewusst haben, werden Sie es spätestens aufgrund des Titels dieses Tipps der Woche erahnen. Es sind in der Regel nicht allein die Unterschiede in der Zusammensetzung der Kundenberater, sondern die Teamleiter, die den Unterschied ausmachen. Das Gleiche ist zu beobachten, wenn das Erfolgslevel von gleichartigen Operations Projekten oder ganze Operations Standorte miteinander verglichen werden. Im ersten Fall sind es die jeweiligen Projektleiter und im zweiten Fall die Standortleiter, mit deren Fähigkeiten man einen Großteil der Unterschiede im Grad der Zielerreichung erklären kann. Es gilt also, für die Führungspositionen die richtigen Personen aus dem eigenen Bestand zu identifizieren, zu entwickeln oder extern zu finden, zu binden und die richtigen Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Arbeiten der Führungskräfte zu schaffen. Dazu zählt auch das Gehalt.
Den monetären Wert einer Führungskraft in der Operations kann man am Beispiel eines Operations Projektleiters für ein Kundenservice Inbound Projekt mit 100 Kundenberatern (FTE) begreiflich machen. Nehmen wir beispielsweise die KPIs Krankenquote, Produktivität (bspw. sechs kalkulierte Kontakte pro Anwesenheitsstunde), Fluktuation bei den Kundenberatern und Sales im Service. Bei einer Gehaltssumme der Kundenberater von drei Millionen Euro pro Jahr (bei 30.000 Jahresgehalt pro Kundenberater inkl. Lohnnebenkosten) macht jeder Prozentpunkt Krankenquote also 30.000 Euro pro Jahr aus. Bei einer Steigerung der Produktivität um fünf Prozent (also 6,3 Kontakte pro Stunde anstatt 6,0) reduziert das die notwendigen Personalkosten um fünf Prozent also um 150.000 Euro pro Jahr. Die Fluktuation kostet je Kundenberater – in diesem Beispiel also je Prozentpunkt – ca. 5.000 Euro (Rekrutierung, Schulung, Einarbeitung neuer Mitarbeiter). Bei der Conversionrate gehen wir beispielsweise von einer Marge von fünf Euro je Conversion aus. Jeder Prozentpunkt Conversionrate bringt in diesem Beispiel also ungefähr 50.000 Euro pro Jahr (100 FTE x 173 Monatsstunden x 12 Monate x 0,80 Anwesenheit (20 Prozent Urlaub/Krankheit) x sechs Kontakte pro Anwesenheitsstunde x ein Prozent Conversionrate x fünf Euro = 49.824 Euro). Wenn also durch die Fähigkeiten des Projektleiters die KPIs Krankenquote und Sales jeweils um einen Prozentpunkt, die Produktivität um fünf Prozent und die Fluktuation um fünf Prozentpunkte besser sind als kalkuliert oder als der Durchschnitt der anderen Projektleiter, ergibt dies einen jährlichen monetären Vorteil in Höhe von insgesamt 255.000 Euro. Wie viel Bonus würden Sie einer solchen Führungskraft zugestehen? Oder wie viel mehr Fixgehalt würden Sie einer Führungskraft mit diesen Fähigkeiten als einer durchschnittlich guten Führungskraft bieten, um sie für sich zu gewinnen? Um es konkret zu machen: Ein Projektleiter im Contact Center verdient selten mehr als 50.000 bis 60.000 Euro. Wenn Sie jemanden finden, der die Fähigkeiten hat, den oben hergeleiteten monetären Vorteil zu bringen, jedoch 80.000 Euro oder mehr verdienen möchte, sollte dies also ein sehr guter Deal sein. Solche Gehälter werden für Projektleiter im Contact Center jedoch in der Regel nicht gezahlt. Ein Fehler wie man sieht. Jedoch haben wir es auf dieser Führungsebene mit einem Dilemma zu tun, das noch mehr auf Contact Center Dienstleister als auf Inhouse Contact Center zutrifft. Jemand, der das oben empfohlene Gehaltsniveau wert ist, also die Fähigkeiten besitzt, den oben genannten monetären Mehrwert zu bringen, möchte selbst bei einem Entgegenkommen im Gehalt diese Fähigkeiten häufig lieber in anderen Positionen einbringen, die nach heutigem Stand in dem geforderten Gehaltslevel liegen (z.B. Standortleiter oder Inhouse Linienverantwortung) als in der Contact Center Projektleitung. Für die Auflösung dieses Dilemmas gibt es keinen Königsweg. Die wenigen Kandidaten mit diesem Format, die Freude an Operations Projektleitung haben, gilt es, für sich zu gewinnen. Dabei geht es auch um die Wertschätzung der sogenannten Eigengewächse. Das sind Mitarbeiter aus dem eigenen Stamm, die sich durch gute Leistungen hocharbeiten (z.B. bis zum Operations Projektleiter) und bei denen man unter anderem auch schätzt, dass sie deutlich günstiger sind als vom Markt rekrutierte Mitarbeiter für die gleiche Position. Diesen Vorteil gilt es auf der einen Seite zu nutzen aber auf der anderen Seite nicht den Moment und den Mut zu verpassen, den Highflyern auch den Gehaltssprung zu bieten, den sie bei einem Wechsel zu einem anderen Unternehmen in der gleichen Position erzielen können.
Die gleiche Rechnung wie in dem oben gezeigten Beispiel eines Projektleiters können Sie auch für andere Positionen (z.B. Teamleiter, Standortleiter bis hin zum Kundenservice Leiter) aufmachen. Wenn die Kandidaten es wirklich wert sind, rechnet sich also ein deutlich höheres Gehalt, als man es für durchschnittliche Kandidaten bereit wäre zu bezahlen. Einen Gutteil davon können Sie sicherlich risikominimierend über ein Bonusmodell anbieten, das nur zahlt, wenn die monetären Mehrwerte auch tatsächlich erzielt werden. Aber die wenigen heutzutage verfügbaren sehr guten Kandidaten wollen in jedem Fall auch ein entsprechend höheres Fix Package haben. Sie sind es wert. Seien Sie mutig.
-Jonas Leismann (Associate Partner)
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