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Tipp KW 14 – 2023

Horizontale vs. vertikale Betrachtung der Service Journey

Die Zeiten, in denen Kunden einen Kauf über einen einzigen Touchpoint, beispielsweise im stationären Handel, abschließen, sind vorbei – heute wechseln Kunden von einem Touchpoint zum Nächsten, um ein Bedürfnis/Anliegen zu lösen. Während beim Kauf eines Produktes der Wechsel zwischen den Touchpoints eine Entscheidung des Kunden sein kann, um z. B. weitere Informationen einzuholen oder Angebote zu vergleichen, kann der erzwungene Wechsel des Touchpoints bei einer Service Journey (eine Service Journey beschreibt den Prozess, den ein Kunde durchläuft, um eine Dienstleistung zu erhalten oder ein Problem zu lösen) sehr frustrierend sein. 

Beispiele für sogenannte Service Journeys sind die Registrierung als Neukunde, das Upgrade des Mobilfunkvertrages, die Beantragung eines Kredites, die Änderung persönlicher Daten oder die Reklamation eines Produktes.

Zahlreiche Studien belegen, dass Kunden heute durchschnittlich fünf bis sechs Touchpoints mit einem Unternehmen benötigen, um ein Anliegen abschließend zu klären. Dabei führen verschiedene Gründe dazu, dass Kunden den Kommunikationskanal wechseln oder den Support über denselben Kanal erneut kontaktieren müssen, um ihr Anliegen zu lösen. Einige dieser Gründe sind im Folgenden aufgeführt:

  1. Unzureichende Self-Service-Optionen: Wenn ein Kunde via FAQs, Online-Formularen oder anderen Self-Service-Optionen versucht das Anliegen eigenständig zu lösen, aber keine fallabschließende Antwort findet, könnte er gezwungen sein, sich an einen Mitarbeiter des Kundensupports zu wenden.
  2. Verzerrte Problemlösung: Wenn der Kunde sein Anliegen per E-Mail schildert und nach einigen Tagen noch keine Antwort erhält, könnte er sich gezwungen sehen, den Kundensupport telefonisch zu kontaktieren, um schneller eine Lösung zu erhalten.
  3. Komplexe Probleme: Manche Anliegen sind so komplex, dass sie möglicherweise nur per Telefon oder Videochat gelöst werden können, da sie die Möglichkeit zur direkten Kommunikation erfordern.
  4. Prozesslimitationen: Prozesslimitationen können dazu führen, dass bei bestimmten Anliegen wie z. B. Rücksendungen ein Kanalwechsel erforderlich ist, wenn das Unternehmen vorschreibt, dass diese nur über einen bestimmten Kanal, in diesem Fall ein Online-Formular, bearbeitet werden können.

Ziel eines jeden Unternehmens sollte es sein, die Komplexität der Prozesse zu reduzieren und unnötige Kontakte zu eliminieren, z.B. durch die Optimierung des Self-Service Bereichs. Dabei konzentrieren sich viele Unternehmen auf einen vertikalen Ansatz zur Optimierung von Service Journeys. Das bedeutet, dass der Fokus auf der Verbesserung der Kundenerfahrung innerhalb einer bestimmten Plattform oder über einen bestimmten Kanal liegt. Beispiele für vertikale Journey-Ansätze sind die Nutzererfahrung im Live-Chat, auf der Website oder in der App. 

In der Realität ist es jedoch so, dass Kunden oftmals den Kanal wechseln bzw. gezwungen sind, den Kanal zu wechseln. Daher wird bei diesem Ansatz häufig nur ein Teil der gesamten Service Journey betrachtet.

Eine horizontale Journey hingegen umfasst alle Prozessschritte, die ein Kunde zur Lösung eines Anliegens durchläuft, unabhängig von der Art des Anliegens oder des gewählten Kanals. Dazu gehören alle Touchpoints, die notwendig sind, um beispielweise ein Konto zu eröffnen, ein Produkt zu bestellen, Kontaktdaten zu ändern oder eine Beschwerde einzureichen.

Ein Beispiel für eine Service Journey, bei welcher der Kunde mehrere Touchpoints und Kanäle benötigt, um sein Anliegen zu lösen, könnte wie folgt aussehen: Der Kunde möchte einen Kredit aufnehmen und besucht dafür zunächst die Website einer Bank, um sich über die verschiedenen Kreditangebote zu informieren und startet den Antragsprozess online. Währenddessen stellt der Kunde fest, dass er noch weitere Fragen hat und beschließt, sich per E-Mail an den Kundenservice zu wenden, um sich beraten zu lassen. Der Kunde erhält schnell eine Antwort und setzt den Antragsprozess fort. Im nächsten Schritt wird der Antrag jedoch von der Bank abgelehnt. Der Kunde wendet sich daraufhin telefonisch an den Kundenservice, um sich über die Voraussetzungen für die Kreditvergabe beraten zu lassen. Der Servicemitarbeiter hilft dem Kunden bei seinem Anliegen und der gewünschte Kredit wird schließlich nach erneuter Beantragung genehmigt. In diesem Beispiel hatte der Kunde insgesamt mehr als fünf Touchpoints mit dem Unternehmen und nutzte drei unterschiedliche Supportkanäle (Self-Service, E-Mail, Telefon), um den Kreditantrag zu stellen.

Eine rein vertikale Optimierung der Service Journey kann im Vergleich zu einer horizontalen Optimierung häufig zu Frustration beim Kunden führen, wenn die Kanäle nicht aufeinander abgestimmt und synchronisiert sind. So führt es z. B. zu einer Verschlechterung der Kundenerfahrung, wenn der Kunde sein Anliegen jedes Mal erneut schildern muss.

Um die gesamte Service Journey für den Kunden also so angenehm wie möglich zu gestalten, sollten sich Unternehmen daher auf die Optimierung der horizontalen Journey fokussieren und dabei alle Touchpoints in der Journey berücksichtigen, die der Kunde durchläuft, um sein Anliegen zu lösen. Unternehmen, die sich auf die Verbesserung der horizontalen Journey konzentrieren, zielen also darauf ab, den gesamten Antragsprozess für den Kunden zu optimieren, anstatt sich nur auf die Verbesserung der Kanal-Performance oder die Optimierung einer bestimmten Plattform zu konzentrieren.

Für Unternehmen ist es entscheidend, die Service Journey über alle Touchpoints hinweg zu optimieren, um ihren Kunden ein positives Kundenerlebnis zu bieten.

Der horizontale Optimierungsansatz bietet dabei zahlreiche Vorteile, darunter höhere Kundenzufriedenheit, verstärkte Kundenbindung, effizientere Bearbeitung von Kundenanliegen sowie die Vermeidung von Eskalationen und Kundenabwanderungen. Das bedeutet, dass Unternehmen eine zentrale Sicht auf den Kunden und seine Interaktionen während der gesamten Journey mit dem Unternehmen benötigt, um ihn bestmöglich zufriedenstellen zu können.

Sonja Wimmelbücker – Consultant 

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