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Tipp KW 25 – 2015

Gleich ob Dienstleister oder Inhouse-Serviceorganisationen – der Prozess der Personalgewinnung gestaltet sich immer schwieriger und aufwändiger. Konnte man in den Boom-Jahren der Call Center Branche noch problemlos Standorte mit 300 Seats planen und davon ausgehen, diese in Jahresfrist zu füllen, wird selbst in vermeintlich idealen Ballungsräumen mit niedrigem Lohnniveau heute schon das Nachrekrutieren für offene Stellen in 10er-Größe zum Problem. Und das sogar bei gut dotierten Agenten-Stellen in namhaften Unternehmen.

Hinzu kommt die sinkende Haltbarkeit, wenn einmal ein Kandidat in der Schulung angekommen ist. Verlustraten von 50% während der Schulung sind keine Seltenheit. Frustrierte Rekrutierer und Trainer sind dann nur eine der Folgen. Die Kosten des Prozesses stehen schlimmstenfalls in keinem Verhältnis mehr zur Bezahlung des Agents und dessen Verweildauer im Unternehmen.

Schaut man sich den „Bewerber-Funnel“ genauer an, zeichnet sich häufig das in unserer Beratungspraxis beispielhaft in einem Inhouse-Call-Center gewonne Bild:

– Von 100 % der Bewerber sind nach der Sichtung der Unterlagen und aufgrund fehlender Kontaktmöglichkeit noch ca. die Hälfte übrig
– Von diesen 50 % werden 20% über das erste Telefoninterview aussortiert
– Von den restlichen 30% wird nochmals die Hälfte über das Direktinterview verabschiedet
– 15% erhalten eine Einladung zur Schulung; weitere 10% erscheinen nicht zur Schulung bzw. verlassen diese
– 5% der ursprünglichen Bewerber meistern die Schulung

Bis nach mehreren Monaten ein gutes Leistungsniveau erreicht wird, gehen mitunter nochmals ein Teil der erfolgreichen Schulungsabsolventen von Bord. Je nach Region, Bezahlung und Rekrutierungsprozess ergeben sich natürlich Schwankungen.

Fragt man bei Dienstleistern und auch bei Inhouse-Serviceorganisationen nach, werden diese Zahlen überwiegend bestätigt. Kommentar der Geschäftsführerin eines Dienstleisters in Westdeutschland: „…mit den Verlusten im Rekrutierungsverfahren haben wir uns schon lange abgefunden, aber die Abgänge nach den Schulungen tun uns richtig weh….“ In Anbetracht des Aufwands werden bis zu 5.000,-€ als Kosten für den Ersatz eines erfahrenen Agents genannt.

Um mögliche Ursachen und Veränderungsmöglichkeiten zu betrachten sollte der Rekrutierungsprozess in mehrere Phasen unterteilt und mit entsprechender Zielsetzung versehen werden:

1. Phase: Bewerbungseingang
Die Anzahl der Bewerbungen, seien es Initiativbewerbungen oder durch Anzeigen oder sonstige Anreize getriebene Bewerbungen, sollten dem Bedarf entsprechen. Darüber hinaus erscheint wichtig, dass die Qualität der Bewerbungen durch den Außenauftritt angemessen gefördert wird.

2. Phase: Grobsondierung der Bewerber
Hier sollten möglichst treffgenau die Bewerber identifiziert werden, die offensichtlich fachlich oder persönlich nicht geeignet sind.

3. Phase: Feinsondierung der Kandidaten
Ziel dieser Etappe sollte die sichere Einschätzung sein, ob der Bewerber die Schulungsphase antritt, durchsteht und letztlich nicht auf den „nächstbesten“ Job abspringt.

4. Phase: Schulungsphase
Neben Wissensvermittlung ist auch hier insbesondere in den ersten Tagen auf das „Potential des Scheiterns“ zu achten.

5. Phase: Eintritt in den Echtbetrieb nach der Schulung
Um ein Frustrationserlebnis zu Beginn der tatsächlichen Tätigkeit zu vermeiden, sollte der Einstieg über mehrere Wochen begleitet werden.

Im nächsten TdW sollen mögliche Optimierungsmöglichkeiten der einzelnen Phasen betrachtet werden.

– Joachim Hofsähs (Geschäftsführender Gesellschafter)
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