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Tipp KW 11 – 2019

Hand auf’s Herz, haben Sie eine klare Strategie für Ihren Kundenservice oder lassen Sie sich von Buzzwords und scheinbar ach so wichtigen Themen treiben, weil gerade alle über diese sprechen und Sie Angst haben, nicht mitreden zu können und den Anschluss in der Meinungsdebatte zu verlieren?

Immer wieder stellen wir in unseren Beratungsmandaten fest, dass der Anspruch der Software- und Systemhersteller an den Bedürfnissen der Anwender (hier der Kundenservicebereiche in Unternehmen und Organisationen) weit vorbeigeht. Am Ende bleibt eines: Der Wunsch überholt selten die Wirklichkeit.

Multichannel, KI, Robotics und viele andere innovative Themen waren auch auf der diesjährigen CCW wieder in aller Munde und die Aussteller versuchten viele Anwender davon zu überzeugen, dass man vieles von diesen Neuerungen unbedingt benötigt, und zwar eigentlich schon gestern. Menschen brauchen heute oder in naher Zukunft sowieso keinen Kundenservice mehr, so wurde es vielfach suggeriert.

Doch wenn man sich die Kundenservicebereiche von Unternehmen ansieht, so fällt auf, dass die Probleme sehr heterogen sind, abhängig von Kundenstrukturen und -bedürfnissen, vom Geschäftsmodell, von dem Grad der Automatisierung heute und der Komplexität der Problembearbeitung und -lösung. Es gibt nicht die Standardkundenserviceorganisation, auf der Softwarehersteller so gerne aufsetzen wollen, um alles zu digitalisieren und roboterisieren.

Ein Blick auf das von junokai entwickelte Customer Service Universum zeigt, dass die Herausforderungen durchaus vielfältig sein können. Daher sollte man sich vor einer überstürzten Beschäftigung mit gerade mal wieder „gehypten“ Themen genau überlegen, wo man genau für Optimierungen ansetzen möchte, wofür Geld ausgegeben wird und kostbare Ressourcen eingesetzt werden sollen.

junokai_Kundenservice Universum

Unerlässlich ist und bleibt die Strategie im Kundenservice, die das Fundament bildet für alle Aktivitäten und Maßnahmen, um den Service zu verbessern. Bestimmt durch die Strategie lassen sich dann auch Prioritäten festlegen, denn eines ist klar: Alles auf einmal kann man nicht voranbringen!

Haupttreiber und Gründe für Kundenanfragen sind in vielen Unternehmen nach wie vor schlechte Prozesse, komplizierte Tarife, undurchsichtige Vertragskonstrukte, fehlerhafte Rechnungen, Fehl- und Falschinformationen und noch immer ein aggressiver Verkauf. Bevor man über Optimierungen im Service selbst nachdenkt, lohnt es sich, nochmals genau auf die Verursacher der Kundenanfragen und -beschwerden zu schauen. Alles, was hier besser gemacht werden kann, spart Kontakte um Support.

Wenn hier bereits tatsächlich alles stimmt und Ihr Unternehmen die nötigen Hausaufgaben gemacht hat, kann man überlegen ob es sich lohnt, die Anzahl der vorhandenen Kontaktkanäle lieber in der Nutzung zu optimieren oder weitere Kanäle einzuführen. Unsere Erfahrung zeigt: Vor der Einführung weiterer (heute zum Teil noch nicht in großer Häufigkeit genutzter) Kanäle sollte in der Regel eine gute Benutzbarkeit der vorhandenen Kontaktkanäle sein.

Nehmen wir das Beispiel der in vielen Unternehmen genutzten Interactive Voice Response (IVR), um Anrufer gezielt zu einem kompetenten Mitarbeiter zu routen und so eine hohe Sofortlösung zu gewährleisten. Noch immer quälen die Kunden mehrstufige IVR Baumstrukturen, die eher abtörnen als Hoffnung auf eine baldige Lösung der Anfrage geben. Automatisierte Erkennungen von Kunden und Ihren Vertrags- und Produktkonstellationen durch Abfragen im Back End oder intelligente Lösungen zur Authentifikation können sehr gut umständliche IVR-Menüs ersetzen. Gebrauch machen davon jedoch die wenigsten Unternehmen und das, obwohl der Kontaktkanal Telefon noch immer ca. 60 Prozent und mehr des Kontaktvolumens ausmacht. Warum wird dieser große Hebel so konsequent ignoriert?

Einen dritten, sehr großen Block für Optimierungen bieten die sogenannten Enabler, mit Hilfe derer sich Produktivität, Quantität, Geschwindigkeit, Kosten und Qualität der Bearbeitung verbessern lassen. Diese Enabler können methodisch, prozessual, technisch orientiert sein oder ganz einfach die Ressource Mensch unterstützen – den in der Zeit zunehmender Digitalisierung inzwischen so oft für unnötig erklärten Kundenberater. Doch wo packt man an, um welchen Hebel kümmert man sich wann und wie? Erneut sollte die eigene Strategie bemüht werden und die Verantwortlichen sollten die damit verbundenen Ziele fokussieren. Dann zeigt sich recht schnell, was die Themen sind, die den eigenen Service im Sinne der Ziele wirklich weiterbringen und welche zwar interessante Spielwiesen sein können, die jedoch am Ende nichts anderes als brotlose Kunst bieten. 

Aber manchmal ist es auch nichts aus dem bisher genannten Enabler-Portfolio, das die Unternehmen weiterbringt. Teilweise fehlt bereits eine fundierte Zahlen- und Datenbasis, um die richtigen Schlüsse zu ziehen und die richtigen Erkenntnisse zu bekommen, um den Kundenservice erfolgreich und konsequent zu steuern. Eine Verbesserung des Themas Reporting bringt die Messbarkeit erwünschter KPI und SLA, die die Basis für weitere Optimierungen sind.

Auch die organisatorische Aufstellung, die Klärung der Frage des Make und/oder Buy sowie die richtige Standortstrategie in Zeiten knapper Ressourcen können wichtige Hebel sein, um morgen noch einen zufriedenstellenden Service zu erbringen und nicht bereits an übermorgen zu denken während im Hier und Jetzt der Support gebraucht wird.

Die Ansatzpunkte und die Möglichkeiten für stetige Verbesserungen sind im Kundenservice Universum nahezu unerschöpflich (Vergleiche hierzu auch die Grafik in diesem Tipp). Sie selbst bestimmen, was Ihren Kunden und Ihrem Support tatsächlich hilft. Beschäftigen Sie sich mit der Realität und setzen Sie Ihre Kundenservicestrategie mit den richtigen, zielbringenden Maßnahmen konsequent um. Lassen Sie sich nicht treiben, auch wenn Robotics oder KI in den kommenden zwei Jahren noch nicht Ihr Thema sind.

Henning Ahlert (Geschäftsführender Gesellschafter)
junokai

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