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Tipp KW 6 – 2021

Community Management im Kundenservice – Teil 1: Wieso, weshalb, warum?

Das Buzzword „Community“ wird aktuell insbesondere auch in Rahmen der Digitalisierung in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt und sowohl in der Kundenansprache als auch verschiedenen Medien sowie Service und Kontaktstrategien wird gerne auf die so genannte „Community“ verwiesen. 

Was aber bedeutet Community, welche Charakteristika weist eine Community aus und inwiefern ist das Management einer Community für eine Kundenserviceorganisation gerade in der Transformation und Digitalisierung interessant und wichtig?

Grundsätzlich schafft eine Community für ihre Mitglieder ein Zusammengehörigkeitsgefühl, welches  aus folgenden drei wesentlichen Elementen besteht:

  • Vernetzung
  • Sichtbarkeit
  • Rituale

Mitglieder einer Community kennen sich und kommunizieren untereinander, verfügen über ein gleiches Interessensgebiet oder Werteprinzip und sind eindeutig nach innen und außen durch Rituale identifizierbar. 

Rituale bedeutet in diesem Kontext, dass wenn eine Veränderung erfolgt, automatisch eine vergleichbare oder identische Reaktion der Mitglieder erfolgt, ohne dass diese zusätzlich angestoßen werden muss. Hierbei sind zwei Arten von Ritualen zu unterscheiden: Solche, die formal kommuniziert und fixiert sind, und solche, die informell ablaufen, und gerade letztere haben eine deutlich höhere Relevanz und Schlagkraft, weil sie intrinsisch entstehen.

Wichtig ist auch, dass Communities deutlich nachhaltiger und kundendialogintensiver als jede andere Art der Kundenkommunikation, -interaktion aber auch „Manipulation“ sind. Während z.B. ein Newsletter und Kampagnen lediglich kurzfristige Effekte haben und primär Monolog-orientiert sind, sind Meinungsumfragen zwar dialogorientiert aber ebenso auch kurzfristig. Allein das Management einer Community ist als Instrument nachhaltig, weil diese stetig-kontinuierlich den Austausch untereinander und nach außen fördert und häufig ein exponentielles „Momentum“ für Trends und Wahrnehmungen der Produkte und Services Ihres Unternehmens entstehen lässt. Damit ist eine Community der vermutlich stärkste Promoter aber auch Detraktor Ihrer Produkte oder Services sowohl nach innen in die Community aber auch und nach außen. Zudem hat diese Community als Bewegung auch die größte Schlagkraft, weitere Mitglieder für diese Community zu gewinnen und als Anwalt ihrer Produkte aufzutreten.

Vermutlich kennen Sie die Reaktionen der Apple-Community bei der Einführung neuer Produkte. Schon Monate vorher wird gerätselt, kommuniziert, wie das neue iPhone oder die Smartwatch aussehen könnte, welche Produkte bei der Präsentation als „One more thing“ bis zum Schluss die Spannung halten. Und auch mit welcher Euphorie nach der Präsentation selbst kleinste Veränderungen von der Community gefeiert und vehement gegen „Andersgläubige“ verteidigt werden.

Ähnliches war oder ist bei Tesla der Fall. Selbst als der Konzern nur rote Zahlen schrieb und durch Short-Seller und Medien totgeschrieben wurde, rote Zahlen bzw. Unternehmensverluste die Regel waren, gab es eine sehr starke „Tesla-Community“, die sich gesammelt vor Tesla und ihren CEO Elon Musk und gegen „Gegner“ sowie Medien gestellt haben. Auch gerade weil diese Community diese Standhaftigkeit bewiesen hat und sehr intensiv Pro-Tesla agiert und kommuniziert hat, konnte Tesla trotz widriger Rahmenbedingungen zu einer Unternehmensbewertung kommen, die dem Unternehmen zuvor von vielen niemals zugetraut wurde.

Weitere Beispiele? Gerne: Fridays for Future – wo aus einer Community eine weltweite Bewegung erwuchs, BitCoin, oder auch als Negativbeispiel die Verschwörungstheoretiker im Rahmen der Corona Pandemie.  

Starke Communities sind damit offenbar ein großer Hebel, um Kundenwahrnehmung und Erfolg eines Unternehmens zu unterstützen beziehungsweise zu verbessern. Gleichzeitig sind sie aber ein gigantisches Risiko, wenn diese sich gegen Sie und Ihre Produkte und Services stellen. Diese im positiven Sinne zu mobilisieren macht also hochgradig Sinn.

Damit kommen wir zur Frage: Wofür brauche ich das und was haben Communities eigentlich mit Kundenservice, Digitalisierung und vielleicht auch mit mir zu tun? 

Hierzu möchte ich gerne in diesem Tipp der Woche den Fokus zunächst auf Ihre Kunden legen, denn ob sie es wollen oder nicht – Ihre Kunden sind auf unterschiedlichste Arten bereits miteinander vernetzt und damit untereinander erkennbar durch Bewertungsportale, Soziale Medien und/oder weil sie Mitglied einer Organisation oder Servicewelt sind, welche Sie anbieten oder verwalten. 

Jede Kommunikation/Aktion Ihrerseits löst automatisch auch eine Reaktion innerhalb Ihrer Kunden-Community aus. Dies kann eine Veränderung der angebotenen Dienstleistung, eine Preisänderung oder ein neues Produkt oder eine Einstellung eines bisher verfügbaren Produktes im Rahmen einer strategischen Veränderung sein. 

Wenn Sie also Veränderungen wie Produkt- oder Serviceeinführungen erfolgreich und mit der Unterstützung ihrer Community initialisieren oder realisieren wollen, sollten einige grundsätzliche Wesens- und Verhaltensweisen von Communities berücksichtigt werden, um hier positive Resultate zu erzielen:

  1. Zeigen Sie bei Beginn starke Überzeugung und Vorbildlichkeit 

Wenn Sie eine Veränderung ihres Produkt- oder Serviceportfolios (z.B. eine Neueinführung eines Digitalen Self-Services als Option oder sogar Ersatz für bislang non-digitale Lösungen) einführen wollen, benötigen Sie Durchhaltevermögen und sollten bereit sein, Kritik von Skeptikern aufzunehmen, auch mal auszuhalten und dieses offen für die Community anzusprechen beziehungsweise zu kommunizieren. Stehen Sie zu der von Ihnen vorgeschlagenen Lösung und legen sie deutlich klar, warum aus ihrer Sicht die Lösung Mehrwert bietet (in dem Beispiel vielleicht eine einfache Nutzung und die 24/7 Verfügbarkeit). Zeigen Sie sich aber auch offen für Kritik und Veränderung.

  1. Die ersten Follower sind die wichtigsten

Die ersten Follower sind extrem wichtig und diese sollten auf Augenhöhe im Dialog mit Ihnen auftreten können und positioniert sein. Gerade hier werden zu oft Fehler gemacht, denn sobald im oberen Beispiel der digitalen Self-Service-Lösung die Aufmerksamkeit nach außen positiv kommuniziert und beeinflusst wird („Ich hab´s probiert – es funktioniert!“), werden weitere Nutzer aufmerksam, neugierig und weitere Kunden werden es durch positives Feedback der ersten Follower selbst ausprobieren. In dieser Phase haben Sie bereits eine Community und der Potenzierungseffekt nimmt Fahrt auf. 

  1. Die Community nimmt Fahrt auf

Die Lösung wird nun von einer Masse an Nutzern akzeptiert, der Dialog Ihrerseits ist gar nicht mehr gefragt oder benötigt, da die Community an dieser Stelle bereits untereinander kommuniziert und neue Mitglieder bei ihren ersten Schritten begleitet und die Lösung vermarktet. Das kann über Soziale Medien (z.B. eigene Insta-Story einzelner User, Facebook, Portale…etc.) oder sogar Ihrer eigenen Unternehmens- oder Kommunikationsplattform für einzelne selektierte oder freiwillige Follower, Bewerber oder Ambassadors erfolgen. Das Wachstum dann nicht mehr exponentiell, da der Großteil der Nutzer bereits zur digitalen Lösung migriert ist.     

  1. Sie haben eine Bewegung

Ihre digitale Self Service Lösung ist nun etabliert und eine Nutzung der bisherigen nicht-digitalen Lösung wird von der Community auch nach außen als unpopulär bzw. unattraktiv betrachtet und kommuniziert.   

Das gezeigte Beispiel muss für eine erfolgreiche Umsetzung zwingend auch in Ihrem Kundenservice und besonders bei Ihren Mitarbeitern mit Kundenkontakt integriert sein. Erinnern wir uns: Die ersten Follower zum Schaffen einer Bewegung in einer Community sind die wichtigsten und hier hat der Kundenservice die Schlüsselrolle als erste Anlaufstelle für eine potenzielle Community.

Wenn also Ihre Kunden und damit potenzielle Promoter Sie innerhalb ihrer Community zu Beginn der Einführung bezüglich der neuen Lösung kontaktieren, ist es dringend zu empfehlen, diesen Kunden eine besondere hohe Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu geben. Dieses kostet bis auf ein bisschen Gesprächszeit nicht viel und sichert Ihnen die oft-zitierte „Wow-Erfahrung“ in Rezensionen oder Kommunikation auf sozialen Kanälen.

Zeigen Sie zusätzlich, dass das Kunden-Feedback aufgenommen und auch in die Optimierung einfließt. Hier kann auch eine zusätzliche Kommunikation oder eine „Danke für Ihre tolle Idee – wir haben verstanden!“-E-mail sein. Hand aufs Herz: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie einen Kundenservice mit Kritik oder einer Idee konfrontieren, eine solche Reaktion erhalten und sich dann der Prozess nach ihrem Vorschlag verbessert wurde? Was glauben Sie, löst diese Reaktion bei anderen Followern der Community aus? Ganz genau – Sie werden auch ein solches Erfolgserlebnis haben wollen.

Sobald jedoch die Community das Steuer übernommen hat, versuchen sie diese nicht mehr aktiv zu „führen“ – auch dies ist ein typischer Fehler, welcher meist das Gegenteil der gewünschten Reaktion innerhalb einer Community auslöst. Seien Sie in erster Linie Zuhörer, nehmen Sie Lösungsvorschläge auf und betreiben Sie in den notwendigen Situationen, wo die Lösung nicht möglich oder sinnvoll ist, ein konsequentes Erwartungsmanagement. Binden Sie die Community in der Lösung oder Konzeption neuer Produkte oder Services mit ein. Sie werden überrascht sein, welches Potenzial und welche Kreativität hier schlummern. 

Gerade bei unstrukturierten (sozialen) Netzwerken mit synchronen/asynchronen Dialogen und Datenmengen ist es dann sinnvoll, den Trend bzw. die Stimmungslage automatisiert zu analysieren, um ein genaueres Bild zu erhalten und nicht auf Basis eines „Gefühl“-Snapshot nächste Schritte anzugehen. Hierbei können technische Lösungen helfen, die sich auf Echtzeitanalyse von Content sozialer Plattformen sowie digitaler und auch non-digitaler Kommunikation spezialisiert haben. Die Bandbreite ist groß und reicht von großen und aufwendigen Lösungen auf Lizenzmodell-Basis mit hohen Analyse-Funktionen bis zu Software-as-a-Service Modellen oder Anbietern, welche sich auf Basis-Funktionalitäten und daher kostengünstigen Produkten beschränken.  

Die Beherzigung der oben angeführten generellen Tipps sollte Ihnen jedoch unabhängig von einer technischen Lösung helfen, von Ihren Kunden insbesondere bei Veränderungen die Unterstützung ihrer Community zu erhalten und damit für Ihre Transformation den stärksten Partner an Ihrer Seite zu erhalten, den Sie kriegen können – Ihre Kunden.

Und wenn Sie einmal visuell erleben wollen wie in 3 Minuten eine Community/Bewegung entstehen kann und worauf es hierbei ankommt, schauen Sie sich gerne folgendes Video an: https://youtu.be/fW8amMCVAJQ

Carlos Carvalho –  Senior Berater

 junokai

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