Durch immer stärkere Digitalisierungsquoten innerhalb von Kundenkontakt-Kanälen hin zu Voice Bots oder Virtuellen KI-Agenten im Kundenservice stellt man sich unweigerlich auch die Frage, welche Anforderungen oder Profile zukünftigen Verantwortlichen dieser digitalen Kanäle in einem Regelbetrieb haben müssen.
Mittlerweile werden neue, kreative Job-Titel für diese Tätigkeiten geschaffen und gleichzeitig bietet eine große Industrie von Aus- und Fortbildungseinrichtungen das dazu anscheinend perfekt passende Potpourri von kostenpflichtigen Seminaren oder Zertifizierungen, um hier ein möglichst gutes Rüstzeug für die interessierten Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu liefern. Parallel wird man medienübergreifend und permanent darauf hingewiesen, dringend hier nachzurüsten und zu investieren, da man sonst den Zug der Zeit verpasst und wie wir, bereits seit über 30 Jahren, von Gorbatschow wissen: „Wer zu spät kommt…“
Daher lassen Sie uns in diesem Tipp der Woche dieses Thema einmal sachlich und unvoreingenommen angehen und mit der Frage starten: Welche typischen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten muss ein typischer Bot Manager haben und wie unterscheiden sich diese von beispielsweise einem Kundenservice Teamleiter? Warum ich gerade den Teamleiter als Beispiel auswähle? Weil intuitiv diese Mitarbeiter oft als Erstes für die Position eines Bot Managers herangezogen werden.
Aus operativer Sicht ist dieser Gedanke auch nachvollziehbar: Live-Kontakte am Telefon werden zugunsten von automatisierten Kontakten reduziert und dadurch frei werdende Kapazitäten müssen anderweitige Einsatzgebiete finden – diese sind im Bereich automatisiertem Kontaktmanagement gegeben. Teamleiter kennen zudem die Interaktion mit Kunden auf unterschiedlichen Kanälen, sind prozesserfahren und sollten die Schnittstellen zwischen automatisierten und assistierten Kontakten aus ihrem bisherigen Arbeitsumfeld verstehen.
Eine, wenn nicht DIE Hauptaufgabe eines Kundenservice Teamleiters ist zudem das Qualitäts- und Performance-Management des ihm zugeordneten Teams. Ob nun im Rahmen von Side-by-Side Coachings, Monitorings oder Qualitäts- und Performanceauswertungen werden Informationen gesammelt, bewertet und im Rahmen von individuellen Mitarbeiter- oder Teamgesprächen genutzt bzw. Maßnahmen zu Verbesserungen entwickelt, abgestimmt und nachverfolgt.
Gleiches gilt weitestgehend auch für einen Voice Bot-Manager. Auch hier werden anhand von Auswertungen Informationen gesammelt und der Bot-Manager muss analog auch hier interpretieren, welche Optimierungen sinnvoll sind, um die Zielerreichung der Qualitäts- und Performancekriterien sicherzustellen.
Während ein klassischer Teamleiter das Gespräch eines Mitarbeiters analysiert und ihm zum Beispiel Tipps für Formulierungshilfen und Verkaufsansprachen gibt, muss ein Voice-Bot-Designer analog ebenso Formulierungen und Entscheidungsbäume anpassen und den Effekt seiner Hypothesen überwachen.
Hierbei stellen sich aber zusätzliche Voice-Bot-typische Fragen wie:
Der Vorteil ist: Ein Voice Bot Manager kann sehr schnell die Effekte messen und über A-B-Tests sehr genau und im Kleinen bestimmte Hypothesen ausprobieren, bevor diese in einen Komplett-Rollout gehen.
Ein Voice Bot Manager benötigt daher gute analytische und kreative Fähigkeiten, um die für das gewünschte Ergebnis richtigen Handlungsempfehlungen an den jeweiligen Bot geben zu können. Aktuelle Voice Bot-Design Systeme sind hierfür bereits sehr nutzerfreundlich und intuitiv konzipiert und die Entwicklung geht stetig weiter, sodass auch die Steuerung schnell und ohne viel Einarbeitungsaufwand beherrscht werden kann.
Wichtiger und herausfordernder sind meist die im Vorfeld zu erstellenden technischen Anbindungen an notwendige Backend-Systeme, Datenaktualität der verarbeitenden Daten, Datenschutzauflagen, Consent Management der für die Verarbeitung benötigten Kundendaten, sowie Identifizierung und Authentifizierungstechnologien für die jeweiligen Kunden. Diese Punkte möchte ich nicht ausklammern, da sie einen Hauptteil des Design und der Funktionalität eines Bots ausmachen. Dennoch sollten diese primär im Kontext eines Set-ups bzw. als Voraussetzung und weniger im Regelbetrieb gesehen werden.
In diesem Regelbetrieb gelten im Prinzip gleichen Voraussetzungen zwischen einem Teamleiter und einem (Voice) Bot Manager mit einem großen wesentliche Unterschied: Es existiert keine emotionale Komponente auf Seiten eines KI Mitarbeiters bzw. des Bots. Das fokussiert und reduziert die Tätigkeit auf analytische und kreative Komponenten, während People Skills wie Motivation, Mitarbeiter- und Organisationsentwicklung keine wesentliche Rolle mehr spielen. Auch die soziale Komponente mit Teamevents, Wettbewerben zwischen Teams, menschliche Themen, die nicht zwingend mit dem Job zu tun haben, entfallen.
Bringt ein Teamleiter somit die Basis für einen guten Voice Bot Manager mit? Prinzipiell ja, aber das ist eben nur die eine Hälfte der Gleichung. Denn mindestens ebenso wichtig ist: Will und braucht ein Teamleiter nicht auch die Komponente eines People Managers, mit allen dazu gehörenden Elementen und Herausforderungen? Ist dies nicht die eigentliche DNA und sein Selbstverständnis seiner Rolle und Aufgabe als Teamleiter?
Daher lautet der Tipp in dieser Woche: Verfallen Sie, falls sie selbst Teamleiter oder ein Entscheider in der Positionsvergabe eines Voice Bot Managers sind, nicht in intuitive Gedankenmuster. Prüfen sie vorher ganz genau, ob Sie als Teamleiter selbst oder jemand anderes diese Position besser ausfüllen kann, dieses auch langfristig will und – vor allem – ob das auch Ihren wirklichen Interessen und Stärken entspricht.
Fakt ist auch: Der Kundenkontakt per Telefon wird trotz Digitalisierungsbestrebungen realistisch noch lange Zeit eine führende Rolle beibehalten und gute Teamleiter mit People Skills sind hier nach wie vor stark gefragt. Man muss also nicht gleich in Panik verfallen, dass die Tätigkeit als Teamleiter durch die steigenden Anteile digitaler Voice Bot Bearbeitung wegfällt. Vielmehr ist sogar ein gegenteiliger Trend erkennbar:
Viele digitale Kundenkontakte werden wieder „analogisiert“ zum einen um die emotionale Komponente in bestimmten Kundeninteraktionen zu steigern, aber auch weil dies für bestimmte und relevante Zielgruppen ein Entscheidungskriterium für einen Kaufabschluss oder Nutzung eines Services ist.
Und vielleicht lohnt es bei Ihrer Entscheidung für oder gegen einen Voice Bot Manager als Gegenposition zu „Nichts ist beständiger als der Wandel“ gedanklich folgende Liedzeile eines Smashing Pumpkins Songs einzunehmen:
„The more you change – the less you feel“
Carlos Carvalho – Senior Berater
junokai