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Tipp KW 50 – 2016

Teil 1 – Die Herausforderung

Anfang der 1990er Jahre etablierten sich Call Center auch in Deutschland bzw. DACH. Immer mehr Unternehmen bauten zentrale Organisationsstrukturen auf, um Anrufe von Kunden entgegenzunehmen und zu beantworten.

Durch das stark steigende Volumen von Anrufen und später auch Emails speziell im nun deregulierten Bereich der Telekommunikation und Energieversorgung wuchs auch der Bedarf an Call Center oder Contact Center Mitarbeitern. Durch diesen Bedarf etablierte sich sehr schnell ein Markt für Outsourcing Angebote, weil die Auftraggeber diese große Anzahl an zusätzlichen Mitarbeitern nicht selber einstellen wollten oder aufgrund des übermäßigen Wachstums einfach nicht konnten. Mehr und mehr Call Center Dienstleister wurden lokal gegründet oder betraten den deutschen Markt aus den USA oder UK, wo das Contact Center Geschäft bereits weiter entwickelt war.

Für die Abrechnung dieser Dienstleistungen wurden seither unterschiedliche, eher transaktionsbasierte Modelle herangezogen. Das wohl einfachste Model ist die Bezahlung pro FTE, also die Bezahlung für den eingesetzten Mitarbeiter auf Stunden-, Wochen- oder Monatsbasis. Zum größten Teil haben sich jedoch die Abrechnungen pro bearbeitetem Kontakt, also Anruf oder Email, bzw. pro Bearbeitungszeit des Kontakts durchgesetzt.

Aus diesen Modellen ergibt sich für den Outsourcing Dienstleister eine recht simple Formel:
Je mehr Volumen, umso mehr Umsatz!

Durch die rasante Verbreitung der Mobiltelefonie und des Internets stieg das Kontaktvolumen der Unternehmen weiter kontinuierlich stark an. Die Dienstleister begegneten diesem Bedarf mit dem Bau weiterer Contact Center und dem Aufbau vieler Arbeitsplätze.

Allerdings explodierten damit natürlich auch die Kosten für die Auftraggeber. Dieser Kostenexplosion wurden mit radikalen Kosteneinsparprogrammen begegnet. Und der Kostendruck wurde direkt an die Dienstleister durchgereicht.

Um immer weiter und noch stärker wachsen zu können, entfachte ein gnadenloser Preiskampf unter den Dienstleistern. Leider wurde in diesem Kampf Erfolg mit Umsatzwachstum gleichgesetzt und die Margen vernachlässigt.

Parallel wurde klar, dass die Qualität des Kundenservice als Differenzierungsmerkmal stark gesteigert werden musste. Aus diesem Grund wurden Kriterien installiert, welche die Qualität anheben und die Kostensteigerung dämpfen sollte, wie z.B. die Begrenzung der Bearbeitungszeit pro Kontakt, auch als AHT-Cap bekannt, Qualitätskennzahlen aus Kundenzufriedenheitsbefragungen mit Strafzahlungen bei Nichterreichung, Steigerung der Erstlösungsquote, um unnötige Folgekontakte zu vermeiden u.v.m.

Fast alle Outsourcing Dienstleister forcierten den Fokus auf „Qualität“ und stellten diesen in den Vordergrund ihrer Vermarktung. Diese Qualität basiert auch heute noch auf speziellen Mitarbeiter-Auswahlverfahren, Trainingsmethoden, Mechanismen zur Mitarbeiterentwicklung und -bindung usw. Darüber hinaus wurde viel Wert auf Mitarbeiterführung und Coaching gelegt, wie auch die Kennzahlen zur Messung der Performance erweitert und verfeinert. Alles richtige Maßnahmen, die zu einer generellen Verbesserung des Kundenservice vieler Unternehmen beigetragen hat und noch beiträgt.

Ein nächster Schritt, um von dem reinen Kostenimage des Kundenservice wegzukommen, war der Auf- und Ausbau von Cross- und Up-Sell Maßnahmen, die einen direkteren zählbaren Wertbeitrag im Unternehmen leisten. Dieses zusätzliche Themenfeld ermöglichte es den Outsourcing Dienstleistern einen ergänzenden, höhermargigen Umsatz zu generieren.
Dennoch, der Konflikt zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Outsourcing Dienstleister) bleibt im Kern bestehen. Aufgrund der Abrechnungsmethoden profitiert der Dienstleister von höherem Volumen während der Auftraggeber nach Möglichkeiten der Reduktion von „nicht bzw. weniger werthaltigen“ Kontakten sucht. (Anmerkung – mit nicht bzw. weniger werthaltigen Kontakten sind Kontakte gemeint, die der Kunde ebenfalls gerne vermeiden würde, weil ein Prozess nicht funktioniert oder er die Informationen nicht auf anderem Weg, wie z.B. online, gefunden hat. Die Möglichkeiten einen solchen Kontakt evtl. noch vertrieblich zu nutzen sind limitiert).

Dabei hätte der Dienstleister alle Möglichkeiten, sich seinem Auftraggeber gegenüber anders zu positionieren. Er bearbeitet meist einen Großteil der Kundenanfragen, kennt die Nöte und Sorgen der Kunden, weiß, welche Prozesse optimiert oder digitalisiert werden könnten, um die Anzahl der Kontakte zu reduzieren, die Kundenzufriedenheit zu steigern und den Verkauf zu optimieren.

Aufgrund des oben genannten Konflikts, aber auch aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel durch den harten Preiskampf der letzten Jahre haben die meisten Dienstleister heute nicht die Motivation, aber auch nicht die Kapazitäten und Kompetenzen, um mit dem Auftraggeber ein Optimierungsprogramm zu etablieren und das Optimierungspotential voll auszuschöpfen.

Aber hier setzt der Wandel im Outsourcing des Kundenservice an. Durch eine neue Art der Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Dienstleister und neue, alternative Abrechnungsmodelle lässt sich eine WIN-WIN-Situation von beiden Seiten für beide Seiten schaffen. Diese Möglichkeiten sollen im zweiten Teil des Tips der Woche zu diesem Thema im Januar beleuchtet werden.

– Sven Beiling (Associate Partner )
junokai

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