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Tipp KW 48 – 2016

Die besten Kundenservicemitarbeiter verfügen über ein umfängliches Produkt- und Service-Know-How, sind stetig verfügbar, flexibel, belastbar, immer freundlich und wissen genau wie sie dem Kunden weiterhelfen können… und sie bestehen neuerdings in steigender Anzahl nur aus Bits und Bytes.

Aktuell lässt sich kaum ein stärkerer Hype in allen Industriesektoren verzeichnen, als den geplanten Einsatz von Robotics und künstlicher Intelligenz. Selbstverständlich greift dieser Trend auch in Kundenservice-Organisationen und so tummeln sich mittlerweile viele Anbieter unterschiedlicher Lösungen auf dem Markt, um diese Transformation zu ermöglichen.

Angefangen von Kundeninteraktions-Lösungen wie Chat-, Voice- und Video-Bots über Automatisierungslösungen für Backend- oder interne Prozesse bis hin zu vollautomatisierten Kundenservice-Organisationen wo allein menschliche Workflow-Manager den automatisierten Kundenservice-Prozessablauf beobachten und, ohne jeden Einsatz von Kundenservicemitarbeitern, bei entsprechendem Kundenverhalten Erweiterungen oder Anpassungen durchführt.

Während bei einfachen Prozessen der Einsatz bereits schon heute weit etabliert, praktikabel und erfolgreich ist, zeigen sich in komplexen Situationen die Grenzen der heute verfügbaren Lösungen.

Beispiel Fashionbereich: Die Zielgruppe dieser Branche ist in der Regel sehr online-affin und nutzt bereits mehrheitlich digitale Kanäle zur Bestellung und Interaktion. Wenn eine online Bestellung und Beratung mit KI zu passenden Produkten über mehrere Kanäle, Big- und Smallscreen, Chat, Messenger oder App angeboten wird und zusätzlich über App-Features mit Standortinformationen optional auch ein POS des Anbieters angeboten wird, den der Kunde zeitnah erreichen kann und falls er dies tut in diesem Fall sogar ein Preisvorteil beinhaltet ist, kann man hier mit automatisieren KI-Lösungen Win-Win Situationen schaffen und den Kunden ohne Servicemitarbeitereinsatz an mehreren verfügbaren Touchpoints abholen.

Ebenso erfolgen einfache und für den Kunden sichtbare Interaktionen, wie Adressänderungen oder die automatisierte Erstellung von Retourenscheinen mit automatisch und sofort erfolgender Gutschrift sobald die Retoure im Lager eingegangen und über Barcodes geprüft wurde. Zudem sind auch für den Kunden nicht sichtbare KI-Prozesse wie das Anbieten limitierter Zahlarten in einem im Hintergrund laufenden Credit Check oder zusätzlich personalisierte Angebote anhand des bisherigen Bestellverhaltens oder dem Kundenlebenszyklus, gängige Praxis.

Problematisch wird es allerdings, wenn der Kunde den vorgezeichneten Regelprozess verlässt und er Servicebereiche nutzen muss, die für ihn sensibel und aus seiner Sicht individuell oder kritisch sind. Und obwohl Kunden mittlerweile gewöhnt sind, mit intelligenten Chat- oder Sprachcomputern wie SIRI, ALEXA, Cortana oder Google Now zu interagieren, kennen sie ebenso deren Grenzen, nutzen diese daher meist auch nicht für jedes Anliegen und möchten in einer aus ihrer Sicht kritischen Situation mit einem realen Mitarbeiter sprechen, der ihr Anliegen abschließend löst.

Und hier beginnt der aktuelle Grenzbereich jeder künstlichen Intelligenz, da für sie weder Intuition, Emotion oder Gewissen eine Rolle spielen. Künstliche Intelligenz basiert immer auf Regeln welche zwingend befolgt und nicht in Frage gestellt werden können. Sobald Regelpfade verlassen werden, kommen alle KI-Systeme ans Limit.

Zudem darf der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotics im Service nicht als reines Kundenservicethema betrachtet werden, denn Analyse und Konzeption sind alles andere als trivial: Da es immer wichtiger ist bei Kunden emotionale Bindungen an das Unternehmen zu schaffen, ist zu prüfen inwiefern, die Stimme, der Ton, die Sprache und z.B. sogar der Avatar und dessen Style, Gestik, Mimik die Marke richtig repräsentiert und mit dem aktuellen Marketing, Kampagnenmanagement oder Markenstrategie zusammenpasst.

Zuletzt muss berücksichtigt werden, dass neben den Aufwendungen für die benötigte Technik auch das Know-How verfügbar sein muss, die Lösung im Unternehmen zu implementieren und stetig weiterzuentwickeln.

Letztlich darf man auch den Einsatz innerhalb des Unternehmens nicht als Self-Runner annehmen. Sowohl Mitarbeiter, als auch Arbeitnehmervertretungen und sogar das operative Management kann den Einsatz von Robotics oder Communication-Bots als Risiko für den eigenen Arbeitsplatz oder als starken Wettbewerb sehen.

Welche Tipps lassen sich also aus diesen Punkten ableiten:

1. Überprüfen Sie im Vorfeld welche Prozesse oder Services sinnvollerweise mit künstlicher Intelligenz versehen werden können?

Ein guter Startpunkt kann der Einsatz von Chat-Bots in Kombination mit einer gut gepflegten Knowledge Base darstellen, so dass ein Nutzer bei einfachen Anfragen mit Links oder Textinformationen eine Antwort erhält mit der er sein Anliegen lösen kann.

Vermeiden Sie hier komplexe und kritische Prozesse mit vielen Variablen und Individualisierungen zu automatisieren. Hier kann eine vorherige Simplifizierung eines Prozesses ein wichtiger und sinnvoller Zwischenschritt sein, um mit standardisierten Elementen der KI Optionen zu geben derartige Anliegen oder Prozesse zu bearbeiten.

2. Entscheiden Sie welche Art von künstlicher Intelligenz sich mit ihrer Unternehmens- und Servicestrategie verbinden lässt und auch dazu passt

Je nach Reifegrad eines Unternehmens sind unterschiedliche Level und Typen von KI-Einsatz sinnvoll. Ein Start-Up Onlineshop oder Service mit naturgemäßem hohem Online- und Digital-Native-Kunden-Anteil wird mit dem Einsatz von digitalen KI-Systemen bei seinen Kunden schneller einen höheren Akzeptanzlevel erreichen, als ein Unternehmen mit hoher Beratungsintensität und einer bisherigen individuellen Betreuung.

3. Stimmen Sie den Einsatz von KI-Systemen mit Marketing, Brand, Produktmanagement, Unternehmenskommunikation und weiteren betroffenen Bereichen ihres Unternehmens ab

Zur Etablierung und Festigung der emotionalen Kundenbindung an die Marke und das Unternehmen ist es essenziell, dass die Kundenkommunikation über alle Kanäle kongruent ist und den Spirit der Marke zum Kunden überträgt. Zudem ist zu entscheiden ob in bestimmten Situationen und Phasen wie Product-Launches oder Kampagnen eine spezifische Anpassung der Sprache, Inhalte oder sogar des gesamtes Brandings der Servicekommunikation sinnvoll und notwendig ist.

4. Künstliche Intelligenz im Kundenservice ist nicht Plug-and-P(l)ay

Sowohl die Analyse, Konzeption als auch die technische Implementierung sind alles andere als trivial und das Know-How oft intern nicht vorhanden. Versprechungen oder Angebote von Integratoren oder Beratungsunternehmen sollten insofern geprüft werden, dass diese vom Kostenrahmen zu ihrem aktuellen Kundenservicebudget passen, potenzielle Kontakt- oder Service-Einsparungen durch Automatisierung nachweislich messbar sind und das Honorar einen starken erfolgsabhängigen Anteil beinhaltet.

5. Setzen Sie auf einen gesunden Mix von KI und prüfen sie das Kundenverhalten

Prüfen sie ganz genau an welchen Punkten des Customer Lifecycles oder in welchen „Moments of Truth“ der Kunde persönlich abgeholt werden muss und keinesfalls einen Roboter als Kontaktschnittstelle angeboten bekommen darf.

Setzen sie bei bestimmten Anfragetypen auf einen stufenweisen Einsatz, beginnend z.B. mit einem automatisierten Chat mit KI, dann einen durch einen echten Mitarbeiter assistierten Chat mit der Option bei Nicht-Erfolg auch einen direkten Voice-Kontakt anzubieten.

Verlassen Sie sich nicht allein auf ein quantitatives Reporting, welches allein den Rückgang von Kontaktvolumen im Fokus hat. Wenn Kunden keinen Erfolg im automatisierten Kundenkontakt haben und sie keine andere Option finden ihr Anliegen loszuwerden, werden diese frustriert aufgeben und, für sie als Unternehmen unsichtbar, der Marke den Rücken kehren. Hinterfragen sie den Erfolg durch Feedbackoptionen in den Kanälen, Kundenbefragungen und Bewertungen sowie Input bei ihren Servicemitarbeitern aus Kundenreaktionen.

6. Stimmen Sie den Einsatz im Unternehmen mit allen betroffenen Parteien ab

Vielleicht der wichtigste Erfolgsfaktor, da hier nur mit entsprechendem Buy-In der (Service-) Mitarbeiter, operativer Führungskräfte, Arbeitnehmervertretungen und Stakeholdern ein nachhaltiger Erfolg gewährleistet werden kann. Hier ist zum einen Transparenz wichtig als auch die Chancen und Risiken klar zu benennen. Der Wegfall von Tätigkeiten kann von Mitarbeitern als Risiko aber auch als Chance gesehen werden, wenn sie ihren Mitarbeitern Möglichkeiten bieten neue Themen und Aufgabenfelder und sich selbst weiter zu entwickeln.

Und auch wenn die aktuelle Entwicklung im Kundenservice immer mehr in Richtung künstlicher Intelligenz wandert und hier im Moment noch kein Ende des Trends zu verzeichnen ist, bleibt ein wesentlicher Grundsatz des Kundenservice seit Jahren unberührt:

Ein guter Kundenservice besteht aus Vernunft, Gefühl und technischen Mitteln. Ohne Vernunft ist er ein Desaster, ohne Technik amateurhaft und ohne Herz eine Maschine.

– Carlos Carvalho (Berater)
junokai

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