Wo man hinhört, in Kundenservicebereichen grassiert eine eklatante Mitarbeiterknappheit. Einher geht diese sich zuspitzende Entwicklung mit steigenden Preisen bei Contact Center Dienstleistern, die es sich inzwischen zu eigen gemacht haben, Projekte auf die Auftraggeber zu fokussieren, die die höchsten Preise zahlen. Projekte werden gekündigt und somit Margen optimiert. Das Nachsehen haben die Auftraggeber, die dann wiederum zunehmend umdenken müssen, was ihre Sourcing-Strategien für die Zukunft angeht.
Leider bestehen die vornehmlichen Aktivitäten der Auftraggeber immer noch darin, Ressourcen zu bestmöglichen Preisen am Markt zu ergattern, anstatt die wesentlichen Veränderungen für die Zukunft des Kundenservice im eigenen Unternehmen aktiv einzuleiten.
Die technologischen Entwicklungen, die perspektivisch die Aufgaben im Kundenservice und in Contact Centern verändern werden, sind vielfältig: Automatisierungen durch Bots oder Self Service, künstliche Intelligenz, Informationsbasen, aus denen Kunden und Agenten gleichsam mit Wissen versorgt werden, neue Kontaktmöglichkeiten und -kanäle oder auch Datenanalysen, die ein zielgerichtetes Targeting von Kunden mit Angeboten ermöglichen oder die die Auswertung von Kontaktgründen automatisiert ermöglichen, sind nur einige wenige Beispiele.
Eines haben diese Beispiele gemeinsam: Um diese zu realisieren, wird eine fachmännische Einrichtung, Pflege und Weiterentwicklung benötigt, um die eingesetzten Systeme kontinuierlich inhaltlich zu verbessern und zu entwickeln. Ich möchte an dieser Stelle von „Customer Service Engineers“ sprechen, die die Kundenservicebereiche aus unserer Sicht schon heute benötigen. Leider haben die wenigsten Kundenserviceverantwortlichen bisher verstanden, dass der Bedarf an solchen Mitarbeitern bereits heute vorhanden ist und in Zukunft noch rasanter wächst. Wenn wir jedoch ehrlich sind, muss man nüchtern feststellen, dass sich wenig talentierte Ingenieure, egal ob Mathematiker oder IT-Spezialisten, bewusst für eine Karriere im Kundenservice interessieren und andersherum auch in den Personalplanungen von Kundenserviceverantwortlichen keine besondere Rolle spielen.
Dass hier ein Umdenken stattfinden muss, liegt auf der Hand und sollte rechtzeitig erfolgen, um einerseits die immer besser werdenden technischen Neuerungen optimal einzusetzen und auf der anderen Seite das altgediente „einarmige Reißen“ am Telefon schrittweise durch einen modernen und intelligenten Kundenservice zu ersetzen.
Customer Service Engineers sind Fachexperten, die in verschiedenen Bereichen für die Implementierung, Weiterentwicklung und ständige Optimierung von neuen technologischen Möglichkeiten im Kundenservice verantwortlich sind. Beispielsweise für ein optimales Kanalmanagement der den Kunden zur Verfügung gestellten Eingangskanäle. Der Engineer führt neue Kanäle ein und sorgt dafür, dass die vor Einführung prognostizierte Akzeptanz und Nutzungsfrequenz durch die Kunden auch erzielt wird. Kurz: Nach der Einführung des Kanals ist lange nicht Schluss, sondern es wird weiter am Finetuning gearbeitet, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Dass dies eine dauerhafte Aufgabe ist, die mit akribischer Analyse-, Fein- und Detailarbeit sowie ausgiebigem Testen verbunden ist, liegt daher auf der Hand. „So nebenbei“ lassen sich optimierte Ergebnisse nicht erzielen.
Was kann ich als Kundenserviceverantwortlicher nun tun? Wie häufig raten wir auch in diesem Fall dazu, die eigene Strategie auszuarbeiten und zunächst festzustellen, in welche Bereiche, z.B. Kontaktkanäle oder Automatisierungen, investiert werden soll. Wenn das feststeht, sollte man sich die Frage beantworten, wie sich diese Themen organisatorisch neben dem Tagesgeschäft abbilden und entwickeln lassen. Derartige Projekte in der Linienorganisation abzuwickeln hat sich nicht als erfolgreich erwiesen, da der Spagat für die Mitarbeiter im operativen Tageschgeschäft hin zu den Projektthemen kaum zu bewerkstelligen ist. Es empfiehlt sich eine separate Organisation, die sich mit „dem Kundenservice von morgen“ beschäftigt. In dieser Einheit lassen sich entlang der geplanten Vorhaben die Profile der für die Umsetzung und den perspektivischen Betrieb benötigten Mitarbeiter genau festlegen und beschreiben. Danach sollte man in der heutigen Linienorganisation nach geeigneten Talenten Ausschau halten. Sollte das nicht gelingen, so ist extern zu suchen. Hierbei ist im Personalmarketing der Unternehmen endlich umzudenken, um den Kundenservice als das unter Bewerbern bekannt zu machen, was er ist, nämlich spannend, vielseitig und mit viel Zukunftspotenzial.
Leider sind die wenigsten Kundenserviceverantwortlichen soweit, ein klares Bild über die für den eigenen Service anstehenden Entwicklungen zu haben, so dass auch keine klare Vorstellung über Art und Anzahl der für den eigenen Bereich benötigten Experten vorhanden ist. Und so wird opportunistisch vorgegangen und eine richtige strategische Entwicklung des Kundenservicebereiches, über die richtigen Mitarbeiter mit zukunftsweisenden Kompetenzen, findet nicht oder nur als Stückwerk statt, frei nach dem Motto, „ich habe jetzt auch einen KI-Experten, weil man den heute braucht“.
Zusammenfassend möchten wir nochmals unterstreichen, wie wichtig es ist, dass im Kundenservice eine an der Strategie für neue Technologien, Methoden und Prozesse ausgerichtete Personalplanung erfolgt, die neue, heute im Kundenservice oftmals nur spärlich oder nicht besetzte Skills, beinhaltet. Wir gehen soweit zu sagen, dass diejenigen, denen das nicht gelingt, einen Service „von gestern“ und im Vergleich zu Wettbewerbern das Nachsehen haben werden. Wer es nicht so weit kommen lassen will, der sollte sich baldigst mit diesem Thema für sein Unternehmen und seinen Kundenservice befassen.
– Henning Ahlert (Geschäftsführender Gesellschafter)
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