Vor einigen Jahren begleitete ich als Berater ein E-Commerce Unternehmen bei seinem Markteintritt in Europa. Das Ziel lautete „Go-Live innerhalb weniger Monate in sechs europäischen Märkten“. Häufig werden Produktstrategien im großen Stil zentralisiert – aus verständlichen Gründen, denn gute Lokalisierung kostet Zeit und viele Ressourcen – ein häufiger Trugschluss.
Trotz Globalisierung sind Kunden nicht überall gleich. Damit ist nicht allein die alte Weisheit „Geschmäcker sind verschieden“ gemeint. Die kulturellen Unterschiede ziehen Unterschiede im Kaufverhalten nach sich. Sie variieren in Ort und Zeit genauso wie in dem Umgang mit Geld.
Folgende Gründe für Transaktionsabbrüche im E-Commerce sind am häufigsten:
Der erste Grund bezieht sich ausschließlich auf die Produkt-Ebene. Hier haben Einkauf (Sortiment) und vereinfachte Übersicht in Form von verbesserter Suchfunktion und Filtereinsatz den größten Einfluss. Dabei spielt eine Lokalisierung der Nutzeroberfläche eine gravierende Rolle. So müsse sich jedes E-Commerce Unternehmen in erster Linie die Frage stellen: „Wie soll mein Shop aufgebaut werden, um es dem Kunden am leichtesten zu machen, intuitiv die passenden Produkte zu finden?“
Der zweite Grund liegt einzig und allein im Rahmen des Begriffs „Erwartungsmanagement“. In vielen Fällen werden vom Markt bzw. Wettbewerb schon bestehende Benchmarks gesetzt. Im Bereich „Versand“ sind die Benchmarks in den großen Märkten häufig von Unternehmen wie Amazon bereits aufgestellt. Trotzdem muss nicht jedes Unternehmen diese Benchmark einhalten, wenn es im Gegenzug dem Kunden einen größeren Mehrwert bieten kann und dem Kunden gleichzeitig plausibel erklären kann, warum die Dienstleistung längere Lieferzeiten benötigt. Das Erwartungsmanagement ist jedoch kein Freifahrtschein für lange Lieferzeiten. Schließlich muss sich jedes Unternehmen die Frage stellen, ob es weitere Möglichkeiten gibt, seine Produktions- und Logistikprozesse soweit zu beschleunigen, dass die Lücke zur Benchmark auf das Minimum verringert wird.
Der dritte Grund hat möglicherweise den größten Ausschlussfaktor für eine grundsätzlich interessierte Kundschaft, denn der Zahlungsvorgang ist in seiner Sensibilität die Vertrauensvisitenkarte des E-Commerce. Ein E-Commerce, dass mit zertifizierten und bekannten Zahlungspartnern arbeitet; Zahlungspartner, die Vertrauen für den Kunden erwecken; Zahlungspartner, die vielen Kunden zugänglich sind; erzeugt bei dem Kunden ein Sicherheitsgefühl und bietet gleichzeitig eine für den Kunden bequeme Bezahlmethode. Zu diesen Methoden und Partnern gehören die bekannten Online Zahlungsdienstleister, SOFORT Überweisung, V-Pay, u.Ä.
Kunden, die der Zahlungsmethode nicht vertrauen oder keinen Zugang zu dieser haben, werden nicht nur den Kauf abbrechen – sie werden nie mehr zurückkommen.
„Dem Kunden eine Stimme geben“ heißt nicht „customer knows best“. Es bedeutet in erster Linie, den Kunden mit den Informationen und Möglichkeiten auszustatten, die er erwartet bzw. seine Erwartungen zu übertreffen. Das erreichen wir, wenn wir dem Kunden eine Bühne (oder das Gefühl einer Bühne) geben, sich Gehör zu verschaffen und erhört zu werden. Doch wäre es nicht einfacher, wenn durch Wissen über die Kunden, ein Unternehmen in der Lage wäre, den Kunden die Wünsche von den Lippen zu lesen?
Roman Bodammer (Berater)
junokai