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Tipp KW 38 – 2016

Zur Steigerung der Self-Service Quoten von Servicekontakten und damit vornehmlich zur Ausweitung der Kosteneinsparung im Rahmen einer Digitalisierung werden oft eine Vielzahl von technischen und prozessualen Maßnahmen herangezogen:

  • Kundendialogsysteme mit dem Verweis zu spezifischen Self-Service-Angeboten.
  • Incentivierungen von Self-Service Aktionen des Kunden zur Steigerung der Self-Service-Aktivität.
  • Serviceprozesse werden digitalisiert und auf Portalen, Apps oder der Website implementiert. Die Kunden werden regelmäßig durch eine Vielzahl von Kommunikationsmaßnahmen über Self-Service-Angebote in Kenntnis gesetzt.

Die Anzahl und Art derartiger Maßnahmen ließe sich noch beliebig erweitern und doch stellt man fest, dass sich trotz viel Aufwand in Analyse und Umsetzung der gewünschte Effekt in der erwarteten Höhe nur schrittweise einstellt. Das Sprichwort vom Mensch als „Gewohnheitstier“ lässt sich nahezu wörtlich nehmen. Die Kunden suchen nach wie vor gerne den traditionellen Kontaktkanal und meiden die doch so gut konzipierten und gut gemeinten Self-Service-Lösungen.

In der Betrachtung möglicher Erfolgskriterien für eine nachhaltige Kontaktreduzierung stellt man dann fest, dass andere Kriterien besonders ausschlaggebend sind:

1. Kundenkontakte aus der Root-Cause-Sicht betrachten

Entscheidend ist, warum der Kunde anruft und genau an diesem Punkt anzusetzen. Wenn Fehler im Bestell-, Zahlungs- oder Serviceprozess passieren, wird der Kunde auch online dieses Anliegen meist nicht lösen können. Anders als Online-Service-Prozess-Designer es gerne sehen, handelt es sich hierbei um ein für den Kunden individuelles Thema, welches in seiner Interpretation ohnehin nicht online bzw. im Self-Service zu lösen ist. Hier hilft es auch nicht, den Prozess einfach ohne Analyse des Prozessdesigns zu digitalisieren, denn mögliche schlechte und nicht funktionierende Prozesse zu digitalisieren, bringt als Ergebnis nur schlechte nicht funktionierende digitale Prozesse.

2. Root-Causes erkennen und diese kontinuierlich nachhalten

Customer Service Mitarbeiter kennen die Situationen: Eine schlecht durchdachte Kampagne, ein nicht korrekter Rechnungslauf, Produktfehler, Probleme bei Logistik oder der Retourenverarbeitung, eine unglücklich formulierte Kommunikation an Kunden, schnell laufen die Leitungen voll. Email-Backlogs steigen an, in Foren und Social-Media-Kanälen schaukeln sich Emotionen hoch. Eine kurzfristige Lösung ist nicht in Sicht oder birgt, weil nicht immer sauber durchdacht, oft sogar das Risiko einer weiteren Verschlimmerung der Lage. Hier kann keine Self-Service-Lösung weiterhelfen, denn solche Fehler sind vielfältig, nicht im Voraus und der Dimension planbar und daher meist nicht mit einer standardisierten Self-Service-Lösung zu beheben. Daher müssen auch hier für die verursachenden Root-Cause-Fehlerquellen KPI-Ziele etabliert werden und es muss regelmäßig mit den dafür verantwortlichen Unternehmensbereichen an diesen gearbeitet werden. Ohne klar definierte KPIs werden diese Themen als gegebene Seiteneffekte in Kauf genommen und es wird keine Verbesserung erfolgen.

3. Richtige Analyse = Richtige Root Causes

Ob man nun auf manuelle Anrufqualifizierung durch den Agenten oder automatische Analyse über Spracherkennungs-Software setzt: Die Analyse-Ergebnisse müssen zusätzlich aus Prozess- und Kundensicht betrachtet werden. Zeigt z.B. eine automatische Spracherkennung in der Analyse einen hohen Anteil an Anfragen zu falschen Rechnungen, muss dies nicht zwangsläufig die Ursache des Kontaktes sein. Da Spracherkennung auf Schlüsselworte und Algorithmen basiert, kann es sein, dass zum Beispiel die Wortkombination: „Falsche Rechnung“ + “Beschwerde“ = „Probleme mit Rechnung“ nur eine Kundenwahrnehmung zeigt, weil sich das Problem aus Kundensicht erst mit dem Erhalt der Rechnung manifestiert. Die Ursache kann jedoch viel früher und an ganz anderer Stelle unmerkbar für den Kunden erfolgt sein. Ebenso gilt in einem manuellen Szenario, dass mehrere Anfragethemen in einem Gespräch vom Agenten in eine aus seiner Sicht sinnvolle Kategorie zusammengeführt werden, obgleich diese möglicherweise die Hauptursache nicht abdeckt. Daher gilt auch hier: Neben einem standardisierten Reporting aus Tracking Codes oder Sprachanalyse kann nur eine zusätzliche individuelle Analyse von Kontakten durch Gesprächsmitschnitte, Side-by-Sides und der erfolgten Kundenkommunikation im Vorfeld und Nachgang die wahre Anrufursache, insbesondere auch für Wiederkontakte ermitteln.

4. Digitalisierung ist nicht für alle da

Mittlerweile werden Service-Interaktionen, welche Kunden selbst durchführen, belohnt. Das beginnt bei Rabatt-Codes bei der Verifizierung einer Email-Adresse, geht über Bonuspunkte bei selbst durchgeführter Änderung von Adressdaten, Provisionen bei Onlinewerbung von neuen Mitgliedern bis zu Sondertarifen bei der Durchführung von Vertragsverlängerungen oder das Hinzubuchen von freien Optionen und Features.
Die Ergebnisse der Self-Care-Quote bleiben aber oft deutlich hinter den Erwartungen zurück. Oft zeigt sich hier, dass digital-affine Kundengruppen und solche, die willig sind ihr Anliegen online zu erledigen, bereits ohne Incentive den Weg über einen Self-Service beschritten haben. Andere Gruppen können und wünschen mangels Affinität oder in Fällen von mehrdimensionalen Anfragen ein persönliches Gespräch. Daher ist wichtig zu verstehen: Wie mehrdimensional sind typische Kundenanliegen? Sobald mehr als 2 Ebenen bzw. Themen abgefragt werden, fordert der Kunde ein persönliches Gespräch. Self-Service-Lösungen finden bei komplexen Themen weniger Akzeptanz. Verfüge ich in der Mehrheit über eine nicht-online-affine Gruppe, wird jede Digitalisierung nur geringe Effekte ausweisen.

Der Schlüssel für eine nachhaltige Kontaktreduzierung liegt somit nicht allein in der reinen Digitalisierung von Prozessen oder einer Angebotserweiterung von Self-Service-Lösungen. Diese können maximal dabei unterstützen, gut durchdachte und einfache Prozesse mit einer erhöhten Self-Service-Quote zu versehen.

Zu gewünschten Kontaktreduzierungsquoten und Mengen kommt es dann, wenn kontinuierliche und nachhaltige Analysen Anwendung finden und KPI-Tracking der Root-Causes für Kontakte besser ausgeführt werden.

Die Kombination aus gutem Management von Root-Causes und dem Angebot eines sinnvollen Self-Service-Angebots hat das Potenzial, Kontaktquoten nachhaltig und kontinuierlich zu reduzieren.
Am Ende kann es möglicherweise ein gutes und beruhigendes Gefühl für alle Beteiligten sein, dass im Einzelfall durch Root-Cause-Optimierung sowohl Kontaktkosten durch Volumenreduzierung als auch Kosten gespart werden können, weil keine Notwendigkeit zur Anschaffung von technischen Lösungen zur Digitalisierung von schlecht konzipierten Prozessen notwendig ist.

– Tine Schellenberg (Junior Beraterin)
junokai

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