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Tipp KW 35 – 2019

Ein Pfad durch den KI-Buzzword-Dschungel

Aktuell gibt es einen Hype, der einem, weit über den Customer Service hinaus, gefühlt mindestens einmal am Tag mit einer Nachricht über den Weg läuft: Künstliche Intelligenz verändert die Welt! 

Kaum ein Thema, welches nicht mit diesem Attribut versehen wird und disruptive Veränderungen avisiert: Seien es autonom fahrende Autos, totale Überwachungssysteme mithilfe von KI in China, oder sich immer mehr überbietende Prognosen welche Arbeitsgebiete und Tätigkeiten in naher Zukunft wegfallen werden, um durch eine Künstliche Intelligenz oder einen Roboter ersetzt zu werden. Ganz vorne dabei: der anscheinend aussterbende Kundenservice Mitarbeiter.

Dabei werden viele KI Begriffe teilweise bewusst oder unbewusst ohne weitere Erläuterung (falsch) verwendet, vermengt und viele dieser Begriffe unterschiedlicher Themen und Teilbereiche als Synonym verstanden.

Hand aufs Herz: Kennen Sie den Unterschied von „Machine Learning“ zu „Deep Learning“, oder gar von „Unsupervised“ zu „Supervised Learning“? Wissen Sie, was eine sogenannte „Starke KI“ von einer „Schwachen KI“ abgrenzt? Und es geht noch munter weiter: Wie würden Sie „Lean and Augmented Data Learning“ oder „Deep Reinforcement Learning“, „Natural Language Processing“, „Hyper Personalization“,“Convolutional Neural Networks“; „Digital Twin“ oder „Explainable AI“  be- oder umschreiben?

Sollten Sie jetzt kein KI-Profi oder Nerd in dem Thema sein und bei weit mehr als der Hälfte der Begriffe auch maximal nur wissend genickt haben, weil sie den Begriff vielleicht nur irgendwo gehört haben, ohne eigentlich zu wissen, worum es genau geht, befinden Sie sich in guter Gesellschaft.

Dabei macht es schon Sinn, zumindest die wichtigsten Begriffe zu verstehen und im Rahmen aufkommender Veränderungen durch KI einordnen zu können, denn was nicht vergessen werden darf: Es existieren bereits erfolgreiche KI Systeme am Markt, die Geschwindigkeit ihrer Entwicklung ist enorm und ihre Funktionen unterscheiden sich teilweise deutlich.

Hier also ein Versuch, etwas Licht in die Flut von KI Begriffen im Kontext von Kundenservice zu bringen:

Starke KI“ oder „Artificial General Intelligence“ (AGI) – Diese KI ist in der Lage, intellektuelle Fähigkeiten eines Menschen zu erledigen. So können zum Beispiel ein Telefongespräch oder eine E-Mail-Kommunikation inhaltlich erfasst und vordefinierte Prozesse wie eine daraus resultierende Bestellung ausgelöst werden.

Eine „Schwache KI“ oder „Non-Sentient Intelligence“ (NSI) – ermöglicht nur die Ausführung isolierter Fähigkeiten wie Bild- oder Biometrie-Erkennung zur Authentifizierung eines Anrufers.

Machine Learning“ ist die Beschreibung einer KI, die ohne menschliches Dazutun oder Programmierung aus Erfahrungen lernt und diese in Prozesse umsetzt. Wenn Kunden bei einem Kontakt zu einem bestimmten Produkt immer wieder nach einzelnen Add Ons oder weiteren Services anfragt, wird die AI selbstständig diese Produkte anbieten oder nachfragen, ob ein bestimmter Service für den Kunden in Frage kommt. 

Deep Learning“ ist eine Teilmenge des Machine Learnings mit Nutzung neuronaler Netze um Informationen wie ein menschliches Gehirn aufzubereiten. Dies ist beim autonomen Fahren ein wichtiges Element wo Stoppschilder oder Fußgänger als solche erkannt werden und daraus Maßnahmen abgeleitet werden. Gerade im Bereich Spracherkennung ist Deep Learning auch bereits im Kundenservice schon präsent.

Unsupervised Learning“ ist maschinelles Lernen ohne bekannte Zielwerte oder Belohnung durch die Umwelt. Hiermit wird die Fähigkeit einer Maschine beschrieben, ohne Vorgabe aus unstrukturierten Daten und Mustern, Informationen zu möglichen Aktionen abzuleiten. Wenn bestimmte Parameter zur Störung der IT Systeme führen, kann dies über „Unsupervised Learning“ schon im Vorfeld erkannt werden und ggf. proaktive Maßnahmen zur Vermeidung angestoßen werden. 

Analog stehen bei „Supervised Learning“ die kritischen Parameter bereits fest, bei deren Auftreten eine proaktive Behebung einer Störung oder eine andere Aktion erfolgen soll.

Bei „Deep Reinforcement Learning“ erlernt ein System selbstständig eine Strategie, um Belohnungen zu maximieren. Dabei wird dem System nicht vorgezeigt, welche Aktion in welcher Situation die beste ist, sondern es erhält zu bestimmten Zeitpunkten eine Belohnung, die auch negativ sein kann. Hierdurch werden gerade Angebots- und Upsell-Möglichkeit im Onlinebereich gesteuert und jeder von uns kennt die typischen „Kunden die Ihr Produkt gekauft haben, haben auch X gekauft“.

Lean and Augmented Data Learning“ ist notwendig, da ein System eine sehr große Menge an gelabelten Daten braucht um ein System zu trainieren. Hierfür werden zwei Ansätze gewählt: Man erstellt neue Rohdaten (Augmented Data) oder man nimmt historische Daten und eliminiert die Informationen, welche für das Training des Systems aktuell nicht nötig sind (Lean Data). Gerade bei der Implementierung erster KI Prozesse im Unternehmen werden sie eher auf einfache und nachvollziehbare Use Case Basis zurückgreifen und hier nur die relevanten Daten nutzen, um zum Start zu hohe Aufwände zu vermeiden.

Natural Language Processing“ bezeichnet die Fähigkeit eines KI Systems, Sprache zu verstehen und auch Prozesse in natürliche Sprache umzuwandeln. Beispiele sind hier SIRI oder Alexa oder die weiter entwickelten Systeme Digitaler Agenten, die kaum mehr von einem echten Menschen unterscheidbar sind.

Explainable AI“: Aktuell nutzen viele Machine Learning Systeme Algorithmen, um ihre Ergebnisse zu erreichen. Interessant ist es aber zu verstehen, wie diese Ergebnisse erzielt wurden, d.h. welche Informationen zu welchen Aktionen und Reaktionen der KI führen. „Explainable KI“ macht diese Informationen für die Entwickler transparent. Im Kundenservice könnte zum Beispiel die Reduktion einer Verkaufsansprache in einem bestimmten Kundensegment und eine alternative Vorgehensweise mithilfe eines Mitarbeiters dann damit erklärt werden, dass X Versuche mit einem Agenten erfolgten und die Conversion damit um Y% angezogen hat.    

Hyper Personalization“: Je genauer ein Produkt oder Angebot auf mich als Kunden zugeschnitten ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs. Künstliche Intelligenzen versuchen hier, mögliche Informationen so zu bündeln, dass ein perfekt zugeschnittenes Angebot erstellt werden kann. Hierbei muss man aber sehr sensibel agieren. Wenn sie z.B. folgende Kriterien anwenden würden: Geburtsjahr 1948, berühmt, reich, Engländer, Familie mit mehreren Kindern, können gleichzeitig Prince Charles oder Ozzy Osborne als möglichen Kunden für dieses Angebot in Frage kommen.

Convolutional Neural Networks“ wird stark in der Bild- und Spracherkennung genutzt. Hierbei wird der nicht benötigte Inhalt von Informationen eliminiert um eine effizientere Verarbeitung zu ermöglichen. Bei biometrischer Authentifizierung über die Stimme ist es zum Beispiel nicht zwingend nötig, den Inhalt der Sprache zu analysieren, da die Prüfung allein auf Stimmfrequenz, Intonation, Modulation oder Lungenvolumen und Muster basiert. 

Bei „Digital Twins“ wird neben einem physischen oder einem virtuellen Produkt ein digitaler Zwilling erstellt, mit dem Simulationen wie z.B. Alterungsprozesse oder Belastungen simuliert werden. Dies ist sehr gut vergleichbar mit sogenannten Stresstests, die bei CRM Systemen oder Telefonanlagen gemacht werden.  
Wie Sie sehen greifen immer mehr KI Systeme auf bestehende Infrastrukturen zu und es wird spannend zu beobachten sein, wie ihr Anteil bzw. ihre Lern-Geschwindigkeit und die Einsatzmöglichkeiten weiter wachsen werden. Daher macht es durchaus Sinn, schon heute zumindest grob zu verstehen, was mit den einzelnen KI-Buzzword-Begriffen gemeint ist – Sie werden eher früher als später damit konfrontiert werden. 

Carlos Carvalho (Berater)
junokai

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