Es gibt sie immer noch: die klassische Teamleitung. In einem bestimmten Schlüssel – z.B. 1:15 – ist sie für ein Team aus Kundenberatern verantwortlich. Zu den Aufgaben gehören etwa das Onboarding neuer Mitarbeiter, die Beantwortung von Organisations- und Fachfragen jeglicher Natur, die Bearbeitung ausgewählter komplexer Fälle, Qualitätssicherung, Coaching, Feedbackrunden, kurze Trainings (die Grundausbildung wird meistens von dedizierten Trainern vorgenommen), das Monitoring der Mitarbeiterergebnisse und die Aufbereitung von Zahlen, die Steuerung sowie die disziplinarische Führung des Teams. Dies umfasst auch regelmäßige Gespräche mit jedem einzelnen Mitarbeiter, in denen auf Basis z.B. von Monitoringergebnissen die Entwicklung besprochen wird und Ziele vereinbart werden. Wir reden hier also von dem Teamleiter als einer Eier legenden Wollmilchsau. Weil nur wenige Teamleiter all diesen Aufgaben gleichermaßen und umfassend gerecht werden können, kommt es häufig vor, dass sie für sich Schwerpunkte setzen, so dass nur ein Teilbereich der oben genannten Aufgaben abgedeckt wird. So gibt es Teamleiter, die sich lieber hinter Ihrem Rechner „verstecken“ anstatt sich um die Mitarbeiter zu kümmern und/oder rein disziplinarisch agieren. Auf der anderen Seite gibt es Teamleiter, die sich intensiv in fachliche Themen involvieren und dabei dem Aufgabenspektrum der Mitarbeiter so nah kommen, dass eine disziplinarische Führung kaum mehr möglich ist. Zusätzlich kommt es häufig vor, dass Teamleiter sich besonders fähiger Kundenberater bedienen, um administrative oder fachliche Tätigkeiten zu delegieren, die sie selbst nicht tun können oder wollen. Diese Kundenberater erhalten dann diverse Namen wie z.B. First Agent, Support Agent etc. und bekommen teilweise auch Boni für ihre Sonderaufgaben, obwohl es für diese Tätigkeiten keine offiziellen Stellen und Stellenbeschreibungen gibt. Somit wird der tatsächliche Overheadaufwand nicht erfasst und kann auch nicht transparent gestaltet und gesteuert werden.
Es macht also Sinn, alle notwendigen Rollen und Tätigkeiten für die Betreuung von Operations Teams zu beschreiben und die jeweiligen Aufwände abzuschätzen. Daraus können dann sinnvolle Stellen und Rollen geschnürt werden. In der Praxis hat sich hierbei bewährt, disziplinarische und fachliche Rollen voneinander zu trennen. Die Teamleiter übernehmen dabei hauptsächlich administrative und disziplinarische Aufgaben, werden von fachlichen Projekt-Support Rollen unterstützt und können durch diese Entlastung auch für eine etwas größere Spanne von Mitarbeitern – z.B. 1:25 oder sogar noch breiter – verantwortlich sein und sich um die Entwicklung des Teams kümmern. Die Stelle des Projektsupporters kann mit verschiedenen Rollen belegt werden, welche die notwendigen fachlichen Aufgaben abbilden: Fachtraining, Coaching, Helpdesk, Qualitätssicherung, Informationsmanagement, Reporting. Je nach Kompetenz und Entwicklungspfad kann ein Projektsupporter eine oder mehrere dieser Rollen gleichzeitig innehaben. Der geeignete Schlüssel von Projektsupportern zu Kundenberatern richtet sich nach der Komplexität der Aufgaben und den Zielen des Projekts. Diese Aufgaben kann man als in die Teams integrierte Supportfunktionen bezeichnen. Die Projektsupporter haben neben der fachlichen Betreuung auch die Aufgaben, einen Teil Ihrer Arbeitszeit (z.B. 20 Prozent) selbst in den einzelnen Lines zu arbeiten, um im Thema zu bleiben. In Peak Situationen stellen sie damit sogar eine kleine Reservemannschaft dar.
Bei größeren Organisationen macht es zudem Sinn, teamübergreifende Aufgaben in zentrale Supportfunktionen zu bündeln, um Know how zu konzentrieren und Skaleneffekte zu nutzen. Zu diesen Aufgaben gehören z.B. das Reporting sowie Forecasterstellung, Personaleinsatzplanung und Steuerung, also das Workforce Management. Diese zentralen Funktionen sorgen für eine professionelle und übergreifend gleichartige Versorgung der Operationseinheiten mit den entsprechenden Leistungen und damit für Entlastung in den Teams sowie für mehr Transparenz und Steuerbarkeit für die Kundenservice- oder Geschäftsleitung. Ein weiterer Vorteil dieser differenzierten Stellenausgestaltung ist die Schaffung von unterschiedlichen Karrierepfaden für die Kundenberater in disziplinarische und fachliche Bereiche. Innerhalb der Stelle der Projektsupporter bestehen Karrieremöglichkeiten durch die schrittweise Hinzunahme von weiteren Rollen. Wichtig ist, dass es für die einzelnen Rollen auch passende Assessmentcenter und Ausbildungsmodule gibt.
Aber kann man eine klassische reine Teamleiter Organisation ohne eine Demotivation von Teamleitern in eine wie oben beschriebene differenzierte Betreuungsorganisation überführen? Denn nach dem Switch wird es weniger Teamleiter geben, aber dafür neue Rollen in der fachlichen Betreuung. Wenn Sie das Modell gut erläutern und die Mitarbeiter bei dem Change einbeziehen – z.B. mit der Selbsteinschätzung der Teamleiter, ob sie zukünftig eher Teamleiter bleiben wollen/können oder eher Projektsupporter und diese dann mit Ihrer Fremdeinschätzung abgleichen – werden Sie sehen, dass dies in einem hohen Maß konfliktarm vonstattengeht. Denn häufig finden bisherige Teamleiter dadurch erst die Möglichkeit, gemäß ihren tatsächlichen Talenten und Vorlieben eingesetzt werden zu können.
Jonas Leismann (Associate Partner)
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