Was verdient ein Agent im Callcenter? Was ein Teamleiter? Wie hoch ist der Unterschied zu den Verdienstmöglichkeiten in Inhouse Servicecentern? Gibt es regionale Unterschiede? Anlass, uns mit diesen und weiteren Fragen rund um die Kernthematik Gehalt im Kundenservice zu beschäftigen, lieferte eine Anfrage eines Auftraggebers mit dem Hintergrund, sich mit dem Wettbewerb zu vergleichen. Doch grundsätzlich wissen wir, dass die Frage nach dem Gehalt tagtäglich in Servicecentern – Inhouse und ausgelagert – gestellt wird. Das gezahlte Gehalt bildet die Grundlage für den Preis, den ein Dienstleister, sei es ein Outsourcing Partner (OSP) oder das unternehmenseigene Servicecenter, kalkuliert. Gerade für OSPs ist der Druck, einen wettbewerbsfähigen Angebotspreis zu liefern, von Ausschreibung zu Ausschreibung immens. Die Stellschraube ist zumeist das Gehalt. Abgegebene Preise lohnen sich meist nur noch, wenn on-top Vertriebsvergütungen erzielt werden.
Gehälter im Kundenservice sind ein kontroverses Thema. Was hat sich zum Beispiel seit der Einführung des MiLog (Mindestlohngesetz) im Januar 2015 getan? Die Ergebnisse unserer aktuellen Erhebung geben einen Einblick in gezahlte Gehälter in den Städten Berlin, Essen und Potsdam. Sie vergleichen Fixgehälter, Boni und weiche Faktoren wie Urlaubstage und eventuelle Zuschläge zu Getränken und ÖPNV in den unterschiedlichen Regionen und zwischen Inhouse und externen Servicecentern miteinander. Zudem haben wir unsere Ergebnisse mit denen zweier anderer aktueller Studien verglichen.
Die Ergebnisse unserer Erhebung zeigen das erwartete klare Bild, dass Gehälter, die Inhouse gezahlt werden, klar über denen der OSPs liegen. Unserer Meinung nach sind mit den meisten erhobenen Beträgen bei den Angestellten „keine großen Schritte“ möglich. Der Preiskampf und ständige Vergleich zum Wettbewerb zieht seine Spuren: gespart wird am Gehalt und damit womöglich an der Qualität der Mitarbeiter. Ganz nach dem Motto „you get what you pay for“. Ob damit das allgegenwärtige Ziel des „besten Kundenservice” erzielt werden kann, bleibt zu bezweifeln.
Die konkreten Ergebnisse unserer Studie können Sie gern auf Anfrage per E-Mail an info@junokai.de erhalten.
Methodik
Das Vorgehen zur Erhebung der Gehälter war zweigeteilt: für die Ermittlung der Daten bei Inhouse Servicecentern nutzten wir unsere Kontakte in die Branche und kontaktierten die Ansprechpartner mit der Bitte, eine von uns erstellte Online Befragung auszufüllen. Die Bereitschaft war bei allen Ansprechpartnern hoch und die Ergebnisse konnten nahezu vollständig zur Auswertung herangezogen werden.
Anders gestaltete sich der Erfolg der Erhebung bei den OSPs. Eine Woche kontaktierten wir die jeweiligen Ansprechpartner im HR Bereich der Callcenter telefonisch und stellten uns selbst sowie das Projekt vor. Als junokai GmbH bekamen wir keine ausreichenden Informationen, so dass wir anders vorgehen mussten. Da die Callcenter stets neue Bewerber suchen und auch aktiv damit werben, riefen wir die jeweiligen Unternehmen an und gaben uns als Interessenten für die ausgeschriebenen Callcenter Agent Positionen aus. Die Mitarbeiter waren dem „Bewerber“ gegenüber sehr offen und beantworteten unsere Fragen wie Lohn pro Stunde, Urlaubstage und Benefits ohne weitere Nachfragen. Von 18 Unternehmen gab es lediglich nur ein Unternehmen, das keine Angaben machen wollte.
Ergebnisse
Inhouse vs. OSP
Die Ergebnisse unserer Erhebung zeigen, dass Agenten in Inhouse Servicecentern im Schnitt 28% mehr pro Stunde verdienen, als ihre Kollegen beim OSP. In Berlin verdient ein Agent beim Dienstleister durchschnittlich 3,43€ pro Stunde weniger als ein Agent, der Inhouse arbeitet. Teamleiter in Inhouse Servicecentern verdienen im Schnitt 38% mehr pro Stunde als ihre Kollegen beim OSP; die Differenz für Berlin sind 7,80 € pro Stunde weniger.
Banken zahlen ihren Mitarbeitern (Agenten und Teamleiter) im Kundenservice das höchste Gehalt pro Stunde; bei einem Lieferservice haben wir im Schnitt die geringsten Beträge erfasst – sie gleichen sich in etwa mit denen der Dienstleister.
Auch die variablen Verdienstmöglichkeiten sind Inhouse am höchsten. Agenten können Inhouse fast doppelt so hohe Boni erzielen als beim Dienstleister.
Mit durchschnittlich 29,4 Tagen Urlaub pro Jahr haben Inhouse Mitarbeiter ganze 6 Tage mehr Urlaub als die Mitarbeiter eines OSP, für Berlin sind dies sogar knapp 8 Tage mehr.
Alle OSP bieten ihren Mitarbeitern ein Jobticket an, unsere Stichprobe an Berliner Inhouse Unternehmen leistet dies nicht.
Nur jeweils ein befragtes Unternehmen (Inhouse + OSP) bietet seinen Agenten die Möglichkeit für work@home.
Vergleich OSPs Berlin/ Potsdam/ Essen
Berliner OSPs zahlen gemäß unserer Studie ihren Agenten mit rund 9,49 € fix pro Stunde am meisten, gefolgt von Essen und Potsdam. Teamleiter beim OSP verdienen mit 12,11 € fix in Potsdam am meisten, gefolgt von Essen und Berlin. Die variable Vergütungsmöglichkeit ist für Agenten in Essen fast doppelt so hoch wie für Berlin.
Mit durchschnittlich 21,6 Tagen Urlaub haben Mitarbeiter beim OSP in Berlin den geringsten Urlaub, 3 von den von uns befragten 5 Dienstleistern stehen ihren Mitarbeitern nur die gesetzliche Mindestanzahl von 20 Tagen Urlaub pro Jahr zu.
Interessant ist bei der Stichprobe auch, dass die Berliner ihren Mitarbeitern im Durchschnitt keine kostenfreien Getränke zur Verfügung stellen.
Vergleich mit anderen Studien
Wir haben unsere Ergebnisse für OSPs mit folgenden Erhebungen verglichen: „Die große Contact Center Gehaltsstudie 2016“ von TGMC und SAVVY Research GmbH sowie einer Arbeitsmarktrecherche von arvato, ebenfalls aus dem Jahr 2016.
Gemäß unseren Erhebungsergebnissen sind die Gehälter für Agenten durchschnittlich um 1,30 € pro Stunde geringer als in den Quellen. Für Essen ergibt sich sogar eine Differenz von 2,30 €. Bei Teamleitern ist der Unterschied merklich höher: Gemäß unserer Umfrage liegen die Gehälter im Schnitt 3,70 € unter denen der Quellen. Auch hier ist Essen hervorzuheben: ein TL verdient hier in unserer Umfrage im Schnitt 7,40 € weniger pro Stunde. Mögliche Fehlerquellen sind, dass die Studie mit PLZ-Gebieten arbeitet, wir uns aber konkret auf Städte fokussiert haben.
Auswirkung
Wo und wie findet man angemessenes Personal? In der heutigen Zeit gibt es diverse soziale Netzwerke, wo man als Arbeitgeber potentielle Arbeitnehmer suchen und finden kann. Jedoch ist die Suche nach Kundenberatern oder Callcenter Agenten nicht so einfach. Durch den niedrigen Lohn, meist außerhalb liegenden Standorten und der Tätigkeit oder dem allgemeinen Ruf der Tätigkeit gestaltet sich die Suche nach einem „guten“ Mitarbeiter schwierig. Unmöglich jedoch ist es nicht. Auf Portalen wie eBay Kleinanzeigen findet man immer Bewerber, die interessiert und auch kompetent sind.
Nun stellt sich die Frage, ob die Branche wirklich faire Löhne zahlt und man so die Mitarbeiter halten kann. Mit den Ergebnissen aus unserer Erhebung kann man sich, vor allem beim OSP, am Ende des Monats sicher nur mit der Höhe des Gehalts zufriedengeben, wenn man zuvor einen Bonus erreicht hat. Denn sind wir ehrlich, vom Grundlohn ist nicht mehr viel übrig, nachdem man seine Fixkosten bezahlt hat. Fair jedoch sieht in der jetzigen Zeit anders aus. Der Job im Callcenter fordert den Agenten und Teamleitern viel ab. Sie müssen sich an sich ändernde Vorgaben der Auftraggeber halten, Kundenzufriedenheit steigern, Probleme im ersten Anlauf lösen und dabei immer freundlich bleiben. Laut unseren Ergebnissen verdienen Agenten mit einem Stundenlohn von durchschnittlich 9,33 € brutto pro Stunde gerade mal knapp 50 Cent mehr, als es das Gesetz aktuell vorschreibt. Daher ist ein Bonus, sei es auf Sales, KPI-Zielerreichung, Anwesenheit o.ä. unabdinglich geworden und ist auch zunehmend die Motivation der Agents. Je höher der mögliche Bonus ist, umso mehr sind die Mitarbeiter gewillt, ihre Arbeit zufriedenstellend zu erledigen. Reicht es nicht, ist der Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber vorprogrammiert. Hier können geringe Veränderungen im Gehalt die Fluktuation unproportional ansteigen lassen. Ist das aber richtig so? Denn am Ende des Monats, wenn der Bonus nicht mehr erreicht werden kann, sinkt die Motivation und der Frust steigt. Man ist mit sich selbst und der Arbeit nicht zufrieden und ärgert sich, wieso man überhaupt so wenig verdient. Um solche Situationen zu vermeiden, sollte das Gehaltsmodell im Kundenservice überdacht werden. Denn nicht nur Kundenzufriedenheit liegt im Interesse des Unternehmens, sondern auch das Interesse des Mitarbeiters.
– Sofie Schneider (Beraterin) & Narmatha Ravinthiran (HR-Recruiterin)
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