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Tipp KW 3 – 2021

Dienstleister-Ausschreibungen oder RfP-Prozesse effizient gestalten

In unserer langjährigen Beratungspraxis haben wir etliche Dienstleister-Ausschreibungen und RfP-Prozesse begleitet. Die Erfahrungen, die wir dabei gemacht haben, lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Eine gute Vorbereitung erspart später Ärger und Zeit. Wenn am Anfang der Scope beziehungsweise das Ziel nicht klar und eindeutig definiert und beschrieben ist, bedeutet das später im Prozess Nacharbeit und Mehraufwand und im ungünstigsten Fall auch noch höhere Kosten. 

Warum ist das so? Grundsätzlich sind im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer immer folgende Punkte zu definieren und zu vereinbaren: 

1) Auf welcher vertraglichen Grundlage erfolgt die Zusammenarbeit?
2) Wie sehen die kommerziellen Rahmenbedingungen dazu aus? 

Zu 1): Als Auftraggeber hat man bestenfalls bereits eine vertragliche Grundlage, bei der die relevanten operativen Parameter definiert und beschrieben sind. 

Das können zum Beispiel Folgende sein:
Auf welcher Grundlage erfolgt das Qualitäts- und Trainingsmanagement?
Wie sieht der operative Forecast- und Intradayprozess aus?
Gibt es Regelungen zur Performance, Über- oder Untererfüllung hinsichtlich Qualität, Sales und Volumenabnahme (Erreichbarkeit, Service-Level, etc.)? 

Sollte dies nicht der Fall sein, empfehlen wir dringend, vor Beginn des Ausschreibungsprozesses die Parameter klar und eindeutig zu definieren und sie auch schon in einem Vertrag zu beschreiben. Dies gilt umso mehr, wenn man nicht nur mit einem Auftragnehmer zusammenarbeitet, sondern mit zweien oder mehr. Denn das Ziel muss sein, dass alle Auftragnehmer nach den gleichen vertraglichen Parametern gemanagt und gesteuert werden. Jeder Partner muss mit denselben Qualitäts- und Effizienz-Zielwerten bei gleichen Services gesteuert werden. Wenn man das vor dem Start der Ausschreibung nicht oder nur unzureichend berücksichtigt, überlässt das Interpretationsspielraum bei den am Ausschreibungsprozess beteiligten Anbietern. Diese rechnen dann entweder in ihrer Kalkulation gewisse Risikoaufschläge ein oder bei den Rückmeldungen der Ausschreibungsunterlagen ist das „Kleingedruckte“ relativ lang. Was bedeutet, dass der Anbieter eigene Annahmen trifft, um sein Risiko bei der Preisabgabe zu minimieren. 

Zu 2): Bei den kommerziellen Rahmenbedingungen gilt dasselbe wie unter 1). Als Auftraggeber gilt es, bei der Beschreibung der kommerziellen Rahmenbedingungen klar zu sein. 

Folgende Aspekte sollten klar definiert werden: 

  • Wie sieht das Preismodell aus, z.B.: Preis pro Minute, Preis pro Vorgang, Preis pro FTE, Preis pro Stunde oder mögliche Gain-Share Preismodelle? 
  • Wie sind die Öffnungszeiten? 
  • Wie verteilt sich das Volumen im Intervall (Tag, Woche, Monat)? 
  • Gibt es eine Bonus-/Malussystematik und welche Parameter sind darin enthalten?
  • Welche Qualitäts-KPI werden betrachtet, welche Sales-KPI gibt es und wie sehen Forecast- und Servicelevel- oder Erreichbarkeitsziele aus? 

Je klarer und eindeutiger man diese Punkte als Auftraggeber in den Ausschreibungsdokumenten beschreibt, umso besser lassen sich potenzielle Risiken für einen Auftragnehmer einschätzen und in der Preisabgabe berücksichtigen.  

Jeder Auftragnehmer, der sich an Ausschreibungen beteiligt, ist dankbar, je eindeutiger und klarer die Punkte unter 1) und 2) beschrieben und definiert sind. Aufgrund dessen kann er leicht ein realistisches und attraktives Angebot abgeben, da er die Risiken relativ gut einschätzen kann und nicht mit einkalkulieren muss. Unsere Erfahrung zeigt dabei auch, dass folglich die Spanne der Preisabgaben, zwischen höchstem und niedrigstem Preis, relativ gering sein wird. 

Wer zu Beginn der Ausschreibung nicht klar und präzise in der Beschreibung dessen ist, was er als Auftraggeber erwartet und erreichen möchte, muss damit rechnen, dass auch die Rückmeldungen der Partner stark unterschiedlich sein werden. 

Betrachten wir nun die Bewertung und Vergleichbarkeit der Angebote der potenziellen Auftragnehmer – die nächsten wichtigen Punkte: 

Die Bewertung der Angebote der Anbieter erfolgt mittels einer Evaluierungsmatrix. Mithilfe einer Evaluierungsmatrix können die Rückmeldungen der Angebote der Dienstleister strukturiert und objektiv bewertet werden. Die Bewertung erfolgt dabei nicht nur auf Basis des kommerziellen Feedbacks (welche Preise wurden abgegeben), sondern beinhaltet alle für den Erfolg des Projektes relevanten Punkte, wie zum Beispiel Qualität und Qualitätskonzepte, Sales-Konzepte, Flexibilisierungskonzepte, Feedback zu vertraglichen Punkten, Projektmanagement-Konzept, etc. In der Evaluierungsmatrix werden dann alle relevanten Punkte gewichtet und mit Punkten versehen. Auf Basis dieser Bewertung erzielt man eine erste objektive Bewertung der Angebote und erhält ein Ranking. Hiermit lässt sich die Spreu vom Weizen trennen und man kommt relativ einfach von einer Longlist zu einer Shortlist. Dabei helfen die Ergebnisse der Evaluierungsmatrix, objektiv und strukturiert aufzuzeigen, warum man sich für welche Anbieter entschieden hat. 

Da Papier jedoch geduldig ist, lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse der Evaluierungsmatrix nicht den persönlichen Kontakt und persönlichen Eindruck ersetzen, den ein potenzieller Auftragnehmer hinter seinem schriftlichen Feedback der Angebote abgibt. Deshalb ist es ratsam, mit jedem Partner der Shortlist nochmals die Details des Angebots persönlich durchzusprechen sowie die handelnden Personen kennenzulernen. Wir haben häufig feststellen können, dass Anbieter, die im Ranking der Ergebnisse der Evaluierungsmatrix in der Shortlist auf den ersten Plätzen lagen, aufgrund ihres persönlichen Eindrucks und der Vorstellung der Lösungskonzepte abgefallen sind beziehungsweise weniger überzeugen konnten. Ebenso konnten Anbieter, die im Shortlist-Ranking weiter hinten lagen, ihre Leistungen besser und nachvollziehbarer darlegen und mehr überzeugen und folglich im Ranking nach vorne kommen.

Wenn man sich dann final für einen Partner entschieden hat, geht es darum, den Vertrag und alle Rahmenbedingungen abschließend zu verhandeln. Das geht müheloser, wenn die oben aufgeführten Punkte unter 1) und 2) bereits detailliert beschrieben wurden. Die offenen Punkte sind bekannt und ermöglichen es, zeitnah einen Vertrag unterzeichnen zu können.  

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass eine detaillierte Ausarbeitung der Ausschreibung mit klaren Beschreibungen der Anforderungen des Auftraggebers eine sich auszahlende Vorgehensweise ist, um den richtigen neuen Anbieter zu finden. Eine strukturierte Evaluierungsmatrix hilft dabei, konkret festzulegen, welche Kriterien eine Relevanz bei der Bewertung und Analyse der Angebote und der Eingrenzung auf die richtigen Partner haben. Der persönliche Kontakt und das Kennenlernen der beteiligen Personen und Rollen sowie das konkrete Lösungskonzept des Auftragnehmers dienen dann abschließend dazu, sich ein Bild davon zu machen, mit welchem Anbieter die Ziele des Auftraggebers am besten erreicht werden können. 

Jürgen Marx –  Senior Berater

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