Zu den aktuellen Herausforderungen im Kundenservice zählen alte als auch neue Themen.
Einerseits ist weiterhin eines der dringendsten Themen das Human Ressource Management, u.a. mit den Feldern Rekrutierung, Fluktuation, Krankenstand, anderseits nehmen der Druck auf Produktivität sowie auf die ständige Verfügbarkeit des richtigen Skills im richtigen Kanal stetig zu. Die Einführung des Mindestlohns 2015 wird als neuer Faktor unterschiedliche Wirkungen auf die Call Center Branche, insbesondere auf die externen Dienstleister, haben.
Seit ca. 2 Jahren wird nun zunehmend die Nutzung der Telearbeit (bekannt auch als work@home) als Allzweckmittel im Kundenservice diskutiert und ansatzweise in der Praxis umgesetzt. In der Tat bietet die Telearbeit viele Vorteile, die positiv auf die aktuellen Herausforderungen im Kundenservice einzahlen. Zu unseren persönlichen positiven Erfahrungen zählen
• die erfolgreiche Rekrutierung neuer Mitarbeitergruppen (Mütter, Menschen mit Handicap, Menschen, die Angehörige pflegen und Arbeitskräfte mit langen oder komplizierten Anfahrtswegen zur betrieblichen Arbeitsstätte, Menschen mit Spezialkenntnissen und -fähigkeiten),
• die geringe Fluktuation,
• die geringe Abwesenheitsquoten (u.a. wg/ Krankheit),
• die Aktivierung zusätzlicher Ressourcen bei ungeplanten Bedarfen und
• die geringen Infrastrukturkosten.
Nachweislich führen die mit der Telearbeit verbundenen Vorteile auch zu einer hohen Motivation bei den Telearbeitern. Die Qualität, die Cross- und Upsell-Quoten sowie die Produktivität lassen sich damit nachhaltig im erwartbaren Zielkorridor und auch darüber halten.
Was sind die wichtigsten Treiber, um die oben beschriebenen Vorteile der Telearbeit auch tatsächlich realisieren zu können?
Zuerst ist es wichtig, die richtigen Führungskräfte und Mitarbeiter zu finden. Bei der Auswahl der Telearbeiter ist vorrangig das Motiv entscheidend, also der Grund für das Arbeiten von zu Hause. Nur wenn die mit der Telearbeit verbundenen Vorteile aus Sicht des Mitarbeiters für diesen von elementarer Bedeutung sind, wird er alles dafür tun, um seinen Arbeitsplatz nicht zu riskieren. Da das Arbeiten von zu Hause besonderen „Verlockungen“ unterliegt, sind zudem Mitarbeiter mit einer hohen Selbstdisziplin und Selbstorganisation gefragt. Der Lebens- und Arbeitsalltag muss auch weiterhin geplant und dem neuen Arbeitsmodell angepasst werden. Sogar die für die Telearbeiter zuständigen Führungskräfte und involvierten Fachbereiche müssen andere Sozial- und Managementkompetenzen mitbringen als im klassischen Call Center Betrieb.
Ein weiterer Faktor bei der erfolgreichen Umsetzung der Telearbeit ist die Auswahl der richtigen Technologie. Um diese zu finden schlagen wir vor, zunächst die zu virtualisierenden Prozesse anhand einer Prozesslandkarte „Betrieb Contact Center“ zu identifizieren und deren Anforderungen abzuleiten. Stellen Sie sich die Frage, wie in einer virtuellen Arbeitswelt die Prozesse wie Führung, Qualitätssicherung, Informationsmanagement, Wissensvermittlung, Personaleinsatzplanung, Zeiterfassung, der Mitarbeitereinsatz im Multiskill, etc. stattfinden sollen. Einerseits helfen hier noch hybride Ansätze, also der Mix aus Präsenzzeiten in der betrieblichen Arbeitsstätte (im Center) und der Präsenz am Telearbeitsplatz. Anderseits kann man nicht immer warten, bis der Work At Home Agent (WAHA) nächstes Mal wieder im Center ist. Zudem ist aus unserer Sicht für die Auswahl der richtigen Technologie die Einhaltung der besonderen Anforderungen an den Datenschutz maßgeblich. Neue und geänderte Prozesse und Funktionen kommen allein über den Datenschutz hinzu. Das Thema Datenschutz in der Telearbeit werden wir in einem späteren Tipp der Woche separat behandeln.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Telearbeit (work@home) nachweislich auf viele aktuelle Herausforderungen im Kundenservice positiv einzahlt. Jedoch bedarf es bei der Einführung work@home einer klaren Definition der Zielstellung sowie einem professionellen Projektmanagement. Die mit der Einführung betroffenen Themenbereiche sind vielfältig sowie komplex und können nicht in deren Erarbeitung vom übrigen Betrieb abgekapselt werden. Der Rollout im Gesamtunternehmen bzw. im Geschäftsbereich Kundenservice hängt maßgeblich von einer erfolgreichen Pilotierung ab. Nehmen Sie sich die Zeit und entwickeln Sie einen ganzheitlichen Projektplan. Konzipieren Sie vorher die einzelnen Themenbereiche des Projektplans, bevor Sie mit unfertigen Lösungen die Umsetzung starten und somit die Telearbeit innerbetrieblich mit negativen Erfahrungen belegen.
– Jens Mühlberg (Berater im Partnernetzwerk von junokai)
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