DE | EN

Tipp KW 28 – 2016

Self Help und Automated Proactive Information Lösungen im Rahmen der Digitalisierung des Kundenservice finden immer stärkeren Einzug in Produkt- und Serviceorganisationen.

Hierbei überstrahlen die scheinbar offensichtlichen Vorteile dieser Maßnahmen wie z.B. einer Lösung aus Kundensicht in Echtzeit, Steigerung der Kundenzufriedenheit, Reduzierung oder sogar Vermeidung von Kundenkontakten und damit verbundene Kosteneinsparungen, die potenziellen Nachteile oder Risiken.

Schnell werden Lösungen mit teilweise hohem technischen und finanziellen Aufwand implementiert, in der Hoffnung, einen deutlich nachweisbaren Mehrwert zu schaffen. Aber ist das immer der Fall und gibt es tatsächlich eine Garantie, dass diese Maßnahmen immer positiv wirken? Und vor allem: Wie messbar ist der Erfolg einer Lösung in diesem Bereich?

Nehmen wir als erstes Beispiel „Automtated Proactive Information“ Lösungen. Auf dem ersten Blick klingt es verführerisch: Der Kunde erhält im Fall einer Lieferverzögerung, einer technischen Störung oder falsch versendeten Rechnungen eine E-Mail, SMS, Whatsapp oder App-Nachricht auf sein Gerät. Hiermit ist er informiert, wird ggf. den Kundenservice nicht mehr kontaktieren und wird das Unternehmen als fürsorglich und schnell (re)agierend einschätzen.

Klingt zu gut um wahr zu sein – und ist es auch häufig. In vielen Fällen beinhalten die proaktiven Nachrichten für den Kunden nur unzureichende Informationen aufgrund technischer oder logistischer Engpässe:

  • Es kann bei einer verspäteten Lieferung kein genauer Lieferzeitpunkt angegeben werden
  • Eine zeitliche Information bis wann eine technische Störung behoben werden kann, fehlt.
  • Der genaue Stand einer Ticketbearbeitung mit zu erwartender Bearbeitungszeit ist nicht vorhanden
  • SMS sind auf eine bestimmte Anzahl von Zeichen beschränkt und damit ist nur eine komprimierte Information möglich.
  • Oft werden Links mitgesendet, die auf Landingpages verweisen, welche dann nicht selbsterklärend sind und Kunden noch weiter verwirren.

Als Resultat empfinden Kunden diese Informationen ohne Mehrwert als störend, vor allem, wenn die Anzahl der Nachrichten mit entsprechenden Updates steigt, ohne dass eine für ihn nachvollziehbare Lösung präsentiert wird.

Daher ist bei der Implementierung von „Automated Proactive Information“ darauf zu achten, dass die dort aufgeführten Informationen einen tatsächlichen Mehrwert bedeuten, klar und unmissverständlich formuliert sind und nicht noch weitere Fragen aufwerfen. Zudem ist zu prüfen, ob aus Kundensicht in jedem Fall und bei jedem Update eine Nachricht erfolgen muss. Was aus Sicht des Unternehmens ein neuer Status ist, ist es Sicht des Kunden noch lange nicht.

Ähnlich verhält es sich mit Self Help Aktivitäten. Auch hier wird durch die Implementierung eine Kontakt- und Kostenreduzierung bei geringer Prozessdauer mit höherer Kundenzufriedenheit angenommen. Als Kontrollinstrument wird dann gerne auch die Anzahl der App-Downloads oder ggf. Kontaktstatistiken aus dem Customer Service herangezogen. Aber bedeutet App-Download auch gleichzeitig App-Nutzung oder sogar, dass das Problem durch die Nutzung der App abschließend gelöst werden konnte? Wie kann man sicherstellen, dass nicht andere Maßnahmen das Gesamtkontaktvolumen auf Customer Service Seite beeinflusst haben?

Es ist also auch hier darauf zu achten wie effizient und kundenorientiert die Self-Help Lösung aussieht und wie der Erfolg einer Self-Help Lösung gemessen wird. Eine Erfolgsmessung kann direkt erfolgen z.B. durch anschließendes Abfragen des Kunden nach Nutzung der App- oder Self-Help Lösung ob das Problem abschließend gelöst werden konnte.

Es kann auch indirekt durch Online-Tracking des Surfverhaltens ermittelt werden (Wann und an welcher Stelle ist der Kunde im Prozess ausgestiegen?). Häufig wird auch zur Ermittlung dieser Daten und zum Abgleich auf etwaige Auswirkungen auf Kontaktreduzierung die vorherige Registrierung per E-Mail, Kundennummer…usw. vor Nutzung vorausgesetzt. Sofern der Registrierungsprozess einfach gehalten ist und nicht zu viele Informationen abgefragt werden, wird diese Barriere aus Kundenseite meist akzeptiert. Eine regelmäßige Analyse des Nutzungsverhaltens auch nach den von den Kunden genutzt oder nicht genutzten Features mit anschließender Optimierung ist ebenso wichtig um einen Mehrwehrt aus Kundensicht sicherzustellen.

Self-Help und Automated Proactive Information Lösungen bieten also in der Tat ein hohes Potenzial, um Kundenzufriedenheit bei gleichzeitiger Kontakt- und Kostenreduzierung zu erzielen. Es ist allerdings vorher genau darauf zu achten, wie kundenorientiert und transparent die Kundenkommunikation erfolgt, nach welchen Erfolgskriterien diese Lösungen geplant werden, mit welchen Messverfahren der Erfolg dieser Maßnahmen beurteilt wird und wie eine kontinuierliche Optimierung der eingesetzten Lösung sichergestellt werden kann.

– Carlos Carvalho (Berater)
junokai

Um den Tipp der Woche zu abonnieren, klicken Sie hier.