Immer häufiger haben serviceorientierte Unternehmen Schwierigkeiten, ausreichend geeignete Mitarbeiter zu rekrutieren. Gerade in den Branchen der Dienstleistungsindustrie, also auch in Customer Service-Centern ist der Mangel mittlerweile allgegenwärtig.
Dabei erleben wir in Projekten, bei denen größere Kapazitäten für den Kundenservice aufgebaut werden müssen, dass notwendige Agentenanzahlen mit definierten Skills nicht oder nicht dauerhaft rekrutiert und aufgebaut werden können.
Das ist auch der demografischen Entwicklung geschuldet, d.h. es treten regelmäßig weniger junge Menschen ins Berufsleben ein als es Menschen gibt, die in Rente gehen.
Demzufolge sind die Bewerberzahlen im Customer Service, bei Inhouse-Einheiten wie auch bei BPO-Dienstleistern, rückläufig und es wird immer schwieriger, in der umworbenen Zielgruppe der jüngeren Mitarbeiter ausreichend Bewerber zu finden.
Gleichzeitig ist die Automatisierung und der Selfservice noch nicht so fortgeschritten, dass der Rückgang an verfügbaren Mitarbeitern im Kundenservice ausreichend kompensiert werden kann. Das liegt weniger am Stand der Technik – Selfservice, Bots etc. sind ja bereits vielfach im Einsatz, sondern auch dem Verhalten der Kunden.
Zwar wurde schon vor Jahren prognostiziert, dass Kunden immer weniger den Kontakt zum Kundenservice über das Telefon suchen werden, jedoch bewahrheitet hat sich das noch nicht so über alle Serviceprozesse und -anliegen.
Neben anderen Möglichkeiten zur Lösung des o.g. Problems berücksichtigen die Unternehmen nun zunehmend bei der Rekrutierung auch Arbeitnehmer mit einem Alter von 50 oder mehr Jahren (50+).
Klischees
Doch die Fokussierung auf diese „Zielgruppe“ ist noch nicht so ausgeprägt und liegt an der oftmals klischeehaften Betrachtung derselben. In den Köpfen der verantwortlichen Recruiter ist verankert, dass Mitarbeiter mit 50+ nicht so gut geeignet sind, weil sie:
Dabei ist es wichtig, das Thema der älteren Mitarbeiter 50+ ohne diese Klischees zu betrachten. Viele davon sind ohnehin schon durch entsprechende Untersuchungen widerlegt.
Jeder Mitarbeiter ist individuell, hat seinen individuellen Hintergrund. Er ist aus diesem Grunde einzigartig und auch so zu betrachten, egal welches Lebensalter. Unbestritten ist aber auch, dass bei jedem (potenziellen) Mitarbeiter im Kundenservice Mindset und die Servicebereitschaft zu dieser anspruchsvollen Tätigkeit passen muss.
Die hier dargestellten Besonderheiten bei der Integration von Mitarbeitern 50+ sind nur der Versuch, dieser Mitarbeiterzielgruppe gerecht zu werden und gute Voraussetzungen für eine gelungene Integration in Servicecentern zu gewährleisten.
Der Beruf des Service-Agenten, früher klassisch oft besetzt von jungen Menschen, die am Anfang des Berufslebens stehen, wird also zunehmend von älteren Mitarbeitern ausgefüllt werden. Daraus ergeben sich in Hinblick auf das Alter und die Lebens- und Berufserfahrung Vor- und Nachteile, die berücksichtigt werden sollten.
Vorteile der älteren Arbeitnehmer
Menschen ab 50 Jahren haben in Schnitt eine Berufserfahrung von ca. 25 Jahren. Daraus ergibt sich ein großes Verantwortungsbewusstsein gepaart mit einer hohen Loyalität zum Unternehmen. Für jüngere Kollegen in vergleichbarer Position dienen sie häufig als Vorbild und als Meinungsbildner. Durch die Lebenserfahrung sind die empathischen und sozialen Kompetenzen oft größer als bei vergleichbaren jungen Kollegen. Konflikte im Team werden anders ausgetragen, es besteht eine höhere Tendenz zu Kompromissen.
Folgende soziale Kompetenzen sprechen also u.a. für diese Mitarbeitergruppe:
Gute Integration von älteren Mitarbeitern
Im Kern müssen die Prozesse für die Personalrekrutierung, Personalentwicklung und -bindung sowie die Personaleinsatzplanung an die Bedürfnisse dieser Mitarbeitergruppe angepasst werden.
Von großer Bedeutung sind auch Akzeptanz und die richtige Integration älterer Beschäftigter in die Teams. Folgende Instrumente und Maßnahmen sind Beispiele für potenzielle Anpassungsfelder:
Zur Nachhaltigkeit und Akzeptanz des Konzepts der stärkeren Integration von älteren Kollegen müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte bei Maßnahmen eingebunden werden. Dieses sollte von der Personalentwicklung (Human Ressource, HR-Abteilung) federführend organisiert und vom Management stark mitgetragen und unterstützt werden.
Führung spielt eine wichtige Rolle
Eine Schlüsselrolle kommt in der täglichen Umsetzung und Führungsweise den Vorgesetzten zu. Sie sind dazu aufgerufen, Vorurteile abzulegen und die Integration nachhaltig zu fördern und voranzutreiben.
Fazit
Die Belegschaften der Unternehmen werden aufgrund des demografischen Wandels älter. Fragwürdig wird somit die Personalstrategie, die Unternehmen oft heute noch bezogen auf ältere Mitarbeiter praktizieren: Viele Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ihrer Berufstätigkeit entweder nur noch mitlaufen, ohne weiter in deren Entwicklung zu investieren. Oder sie unterbreiten ihnen das Angebot, sich mit einer Abfindung in den vorgezogenen Ruhestand zu verabschieden. Neueinstellungen und Rekrutierungen solcher älteren Mitarbeiter sind noch nicht ausreichend in den Köpfen aller Personalverantwortlichen verankert.
Diesen Luxus können sich die Betriebe künftig nicht mehr leisten, denn mit jungen Mitarbeitern allein können sie ihren Bedarf an Servicemitarbeitern nicht decken.
Die Integration von älteren Arbeitnehmern in Servicecentern ist sinnvoll und wichtig. Altersmäßig heterogene Teams sind als Einheit gesehen kompetenter und konstanter.
Dabei müssen die älteren Mitarbeiter entgegen der verbreiteten Meinung nicht in Watte gepackt werden. Der Umgang mit dieser Mitarbeitergruppe muss zielgruppengerecht angepasst werden – mehr nicht.
Die vermehrte Rekrutierung aus dieser Mitarbeitergruppe ist zukünftig auch angesichts des steigenden Rentenalters sicherlich ein Mittel, den Mangel an geeigneten Mitarbeitern in Servicecentern zu reduzieren.
Michael Fürst – Consultant
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