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Tipp KW 20 – 2021

Führung und Struktur: Die wichtigsten Leitplanken für neue Projekte

Sei es als Auftraggeber, der bei einem Outsourcingpartner seinen Kundenservice neu aufsetzt, … sei es als Outsourcingpartner, der eine Ausschreibung gewonnen hat und nun ein neues Serviceteam für einen Kunden implementiert, … sei es als Verantwortlicher für die Inhouse-Kundenserviceeinheit, der einen neuen Teilbereich des eigenen Service aufbauen will, … letztlich handelt es sich immer um ein Projekt. Und letztlich steht man vor den immer gleichen Herausforderungen.

Nun haben Sie über Projektmanagement in den Tipps der Woche von junokai in den letzten Jahren schon einiges gelesen. In dieser Ausgabe soll es auch nicht um Projektmanagement als solches gehen – sondern um eine sehr einfache, sehr grundlegende Wahrheit, die so gut wie immer zutrifft, wenn Sie den oben genannten Herausforderungen gegenüberstehen. Und die, so die wiederkehrende Erfahrung aus vielen solchen Projekten, immer wieder übersehen oder nicht mit der ihr zustehenden Priorität behandelt wird:

Führung und Struktur sind die wichtigsten Leitplanken in neuen oder sich verändernden Projekt- und Arbeitsumgebungen. Ihre Wichtigkeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Vergegenwärtigen wir uns einige beispielhafte Rahmenparameter, die typisch sind für die oben genannten Situationen:

  • Viele neue, gegebenenfalls neu rekrutierte, unerfahrene Mitarbeiter, die sich oft zugleich mit einem neuen Job, einem neuen Unternehmen, vielleicht einer neuen Stadt und neuen Arbeitsinhalten in intensiven Trainings auseinandersetzen müssen
  • Neue, mit dem Kunden/dem Projekt unerfahrene Führungskräfte wie Teamleiter, Coaches, Trainer und Stabsfunktionen – die möglicherweise sogar erstmals in dieser Rolle sind und erst lernen müssen, wie sie damit umgehen
  • Ein Projektleitungsteam, das gerade in der Set-up-Phase so eines Projekts chronisch überlastet ist und viele (oft auch zu viele) Bälle zugleich jonglieren und in der Luft halten muss
  • Viele Arbeitsbereiche von Rekrutierung über Training, Technik- und Prozess-Set-up, Facility, Prozess-Set-up, Organisationsstruktur usw. bis hin zu Coaching, Qualitätskontrolle und Kennzahlenmanagement, die definiert und implementiert werden wollen
  • Hohe Erwartungshaltungen vom externen oder internen Auftraggeber, und zugleich oft hohe Erwartungshaltungen der Beteiligten an sich selbst – was oft starken Druck auf alle Beteiligten ausübt.

Diese und noch viele weitere Herausforderungen warten auf alle Beteiligten. Letztlich sprechen wir von Veränderung. Von einer Kombination aus Change Management und Projektimplementierung. Von einer Phase, die üblicherweise sowohl von viel Energie als auch von viel Unsicherheit geprägt ist. Unsicherheit deshalb, weil viele Prozesse, Vorgehensweisen, Verantwortlichkeiten entweder neu oder noch gar nicht definiert oder zumindest noch keine gelebte Routine sind.

Menschen reagieren meist sehr ähnlich auf solche Situationen. Sie sind unsicher. Unsicher über ihre eigene Rolle, unsicher über die nötigen oder wichtigen Tasks, unsicher über die Erwartungshaltung an sie, unsicher über ihre Verantwortung und ihre Grenzen.

Diese Unsicherheit wird durch viele unterschiedliche mögliche Handlungsweisen kompensiert. Je nach Typ, Rolle und Erfahrung ist alles von Übereifer (ich reiße viel zu viel an mich und vergesse dabei Priorisierung, meine eigenen Ressourcen oder gleich ganze Tasks) bis Lethargie möglich (ich warte bis mir jemand sagt, was ich tun soll, und bis dahin mache ich nichts, so mache ich auch keine Fehler), und manchmal sogar offene Rebellion (ich mache hier gar nichts mehr, wenn nicht sofort dieses oder jenes Thema von den Chefs gelöst ist, denn hier ist alles ***).

Führung und Struktur geben Halt und Sicherheit.

Oft neigen Verantwortliche dazu, Führung und Struktur zu Beginn eines neuen Projektes zu vernachlässigen. Denn Kommunikation findet oft zuerst auf der reinen Projekt-Implementierungsebene statt, z.B. mit HR zum Thema Rekrutierung oder mit der IT bezüglich des Set-ups der Arbeitsplätze. Das Thema „Führung“ wird auf später verschoben, wenn „das Projekt dann im Regelbetrieb ist“.

Oft wird dieser Zeitpunkt aber verpasst, oder er wird übersehen, weil beispielsweise viele Teams noch in Training oder Set-up sind, aber manche schon produktiv arbeiten (vielleicht nur in einer Einschwing- oder „Nesting“-Phase). Für Struktur, Sicherheit und Routine wichtige Regeltermine wie z.B. zwischen Führungskraft und Teamleitern oder zwischen Teamleitern und dem eigenen Team, Kleinigkeiten wie tägliche 10-Minuten-Standup-Huddles morgens vor Arbeitsbeginn, aber auch relevante Kommunikationswerkzeuge wie z.B. teaminterne Kan-Ban-Boards mit den wichtigsten Kennzahlen und Themen werden auf „später“ verschoben. Erst mal die Implementierung abschließen …

Das ist fatal. Denn bis dahin, bis „später“, wird viel wertvolle Zeit verloren gehen. Zeit, in der sich die Mitarbeiter den oben genannten Herausforderungen und ihrer eigenen Unsicherheit gegenübersehen. Zeit, in der sich eine Routine im täglichen Umgang mit Mitarbeitern, Kennzahlen und Kommunikation etablieren könnte, so lange das Projekt noch in der Aufbauphase ist und der Auftraggeber vielleicht noch nicht im Detail auf jede Kennzahl schaut. Zeit, in der jeder Teamleiter versucht, auf eigene Faust seine teaminternen Themen zu lösen, weil sich kein Führungsteam etabliert, das Themen gemeinsam löst. Zeit, in der in solchen Projekten durchaus übliche Herausforderungen wie beispielsweise noch nicht funktionierende IT-Systeme oder schwankende Arbeitsvolumen für Unsicherheit und Frustration bei den Mitarbeitern sorgen und sie sich allein gelassen fühlen. Zeit, in der Führungsroutinen geübt und etabliert werden könnten, bevor sich das Projekt im vollen Operations-Modus befindet.

Etablieren Sie Strukturen von Beginn an.

Sie sollten deshalb Halt und Sicherheit gebenden Strukturen wie die Regelkommunikation auf allen Ebenen oder das regelmäßige Auswerten, Kommunizieren und Arbeiten mit Kennzahlen (das sind nur zwei Beispiele) in Ihrem neuen Projekt so früh wie möglich etablieren. Auch auf die „Gefahr“ hin, dass in den ersten Wochen vielleicht noch nicht alle Kennzahlen vollständig vorliegen, dass noch nicht alle Mitarbeiter an Bord sind, weil die Strukturen noch weiter wachsen oder dass sie in manchen der Termine zu Beginn eher noch über die Implementierung und weniger über den Regelbetrieb sprechen.

Je eher Sie die später gültigen und gelebten Regelstrukturen einführen, desto eher geben Sie dem Team Halt, Sicherheit und Struktur. Desto eher schaffen Sie gemeinsame Ziele und gemeinsames Verständnis. Desto eher vermeiden Sie, dass sich inzwischen Fehler und unerwünschte Verhaltensweisen festsetzen, die später umso schwerer wieder abzustellen sind.

Und desto eher profitieren Sie von den Folgen: zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter auf allen Ebenen, weniger – gerade am Projektbeginn teure und fatale – Fluktuation, einfachere und schnellere Erreichung von Kennzahlenzielen, und einen reibungsloseren Übergang von der Projektierungs- und Implementierungsphase in der Regelbetrieb.

Gerhard Klose  – Senior Berater

 junokai

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