Im Rahmen von Digitalen Transformationen und Automatisierungsinitiativen in Kundenservice-Organisationen erhält auch der Teilbereich Robotic Process Automation (RPA) derzeit eine starke Rolle und die Erwartungen sind hoch. Eine Vielzahl von Anbietern hat sich inzwischen am Markt etabliert und bietet augenscheinlich maßgeschneiderte Lösungen für genannte Anforderungen.
Dabei herrscht jedoch oft ein mittlerweile veraltetes aber auch falsches Bild über die Möglichkeiten, die RPA bieten kann und somit schöpfen die gebotenen Lösungen auf Basis dieser Anforderungen nicht das volle Potenzial aus. Schauen wir uns daher typische Mythen über RPA Lösungen an und wagen auch den Blick in die Zukunft von RPA:
Eine typische Wahrnehmung ist, dass die genannten RPA-Lösungen bestehende, standardisierte Prozesse, welche von Mitarbeitern in dem jeweiligen CRM-Frontend ausgeführt werden, „aufzeichnen“ und dann „imitieren“. Soweit ist das prinzipiell auch korrekt, wenn man ausschließlich diesen Aspekt betrachtet und die weitere Entwicklung von RPA als auch Potenziale der letzten Jahre ausklammert.
Mittlerweile sind aber RPA Lösungen in folgender Form intelligenter geworden:
Viele RPA Systeme haben inzwischen zwei Wege zur Aufzeichnung eines Prozesses. Entweder es wird Schritt-für-Schritt jede Interaktion des Agenten eingegeben bzw. programmiert oder der Schritt wird in Form einer Video-Aufzeichnung durch das RPA System erfasst und die jeweiligen Schritte interpretiert. Ein Risiko ist hier, dass wenn einmal diese perfekte Klickstrecke nicht funktioniert, das System entweder paralysiert oder – schlimmer noch – mit einem Fehler weitermacht. Das mag erstmal nicht so tragisch erscheinen, aber wenn der Beispielprozess „Guthabenauszahlung“ lautet und ein RPA-System 24/7 arbeitet, kann man erahnen, wie viel hier schief laufen kann. Daher haben moderne Systeme so genannte „Happy Path“-Erkennungen die selbstständig Fehler erkennen und sogar gegensteuern. Das kann mit einfachen Punkten wie:
beginnen, aber auch Checks wie
Wenn Sie allein diese beiden Szenarien betrachten, kann man erwarten, dass sich auch das mögliche Automatisierungspotenzial in ihrer Prozesslandschaft erhöht aber damit gleichzeitig auch die Anforderungen an ihren RPA Anbieter. Das kann im Zweifel die Anzahl der in Frage kommenden Anbieter reduzieren, liefert dann aber die für ihre Anforderung beste Lösungskompetenz.
RPA im Frontend ist schon seit langer Zeit Standard, ebenso in Backendsystemen ohne Kundenservicemitarbeitereinwirkung. Und auch die automatisierte und aufbereitete Zulieferung von Daten aus verschiedenen Backend- in Frontend-Systeme, als auch die Versorgung von Web, IVR oder Apps mit RPA ist ebenso keine besondere Neuerung.
Erweitert man aber die jeweiligen Kanäle mit den neueren Potenzialen von RPA, können interessante Use Cases entwickelt werden. Nehmen wir als Beispiel, dass in ihrer Prozesslandschaft Vor-Ort-Termine beim Kunden notwendig sind. Dies kann ein Service-Techniker, aber auch ein Lieferant sein.
Einige RPA Lösungen bereiten die Tracking Daten des Service-Mitarbeiters per App oder per SMS an den Kunden auf, so dass dieser weiß: Service Mitarbeiter X kommt zwischen 14-15 Uhr vorbei. Das ist aber nur die eine Seite, denn wie oft steht der Service Mitarbeiter dann vor einer verschlossenen Tür, was Anfahrtszeit, Kosten und enttäusche Mitarbeiter als auch Kunden bedeutet. Viele Mitarbeiter rufen dann selbst noch vorher die Kunden an, was für sie ebenso lästig ist, weil diese zum Teil dann auch nicht erreichbar sind.
Neue RPA Lösungen bieten daher unter anderem eine Kopplung von NLP (Natural Language Programming) via TTS (Text-To-Speech) und STT (Speech-To-Text) an. Im jeweiligen Use-Case ruft das System den Kunden an, teilt ihm mit, dass der Service Mitarbeiter kommt und fragt gleichzeitig an, ob der Kunde auch vor Ort ist, um im negativen Fall einen Alternativ-Termin zu organisieren.
Die aus diesem Kontakt entstehenden Informationen werden direkt in den Backendsystemen hinterlegt und hier werden ebenso über RPA Module und entsprechende APIs Informationen übertragen, die einen neuen Termin mit Präferenzen des Kunden hinterlegen, die Fahrtroute des Technikers für den aktuellen Tag entsprechend anpassen und – falls möglich – einen alternativen Termin organisieren, der ebenso automatisiert erfolgt. Das alles ohne einen einzigen Live-Kontakt eines Kundenservice-Mitarbeiters.
Mit der Weiterentwicklung und der Kopplung oder Erweiterung von RPA an weitere digitale Initiativen bzw. Lösungen erhöht sich das Automatisierungspotenzial somit deutlich.
Und dennoch werden RPA-Anbieter in der jetzigen Form nur eine Brückentechnologie abbilden können, denn die Weiterentwicklung bleibt auch hier nicht stehen und die nächste Evolutionsstufe ist bereits gestartet. Die Treiber für diese Entwicklung sehen wie folgt aus:
Daher geht der Trend in die Richtung, die RPA Funktionalitäten direkt in Backend- oder Frontendsysteme zu integrieren. Das kann bei bestehenden und in dem jeweiligen Moment nicht änderbaren Frontend-Systemen dann über ein Frontend-Layer erfolgen der über dem aktuellen System oder den entsprechenden Datenbanken liegt. Der klare Vorteil hier: Anpassungen können agil erfolgen und die Automatisierungen laufen parallel mit.
Zusätzlich können innerhalb mit Hilfe von Self-Contained-Systemen (SCS) bzw. Architekturmustern mehrere unabhängige Kunden-, Front- und Backendsystembausteine separiert und intelligent miteinander agieren, so dass das logische Gesamtsystem zu einer Kollaboration kleiner Systeme geformt werden – die Basis für AI Implementierungen im Bereich, Deep und Machine Learning.
Wichtige Faktoren bei SCS Architekturen sind hierbei:
Wie man sehen kann, verzahnen sich verschiedene Digitalisierungsthemen in Zukunft stärker miteinander, was aber dazu führen kann, dass sich heutige RPA Anbieter mittelfristig verändern werden.
Ist eine Investition in RPA daher überflüssig und sollte man nicht direkt auf die nächste Evolutionsstufe aufspringen?
Auch wenn dies auf dem ersten Blick reizvoll und logisch erscheint, bedingt dieser Schritt auch entsprechende Investitionen, tiefgreifende Entscheidungen und damit aber auch Vorlaufzeiten. RPA kann hier tatsächlich eine sehr sinnvolle Brückentechnologie und Lösung sein, denn:
Zudem erhalten Sie bereits zu diesem Zeitpunkt eine Analyse über das Automatisierungspotenzial in Ihrer Organisation, welches auch als Entscheidungsgrundlage für künftige Schritte und Investitionen sehr nützlich ist.
Fazit:
RPA wird in der nächsten Evolutionsstufe in andere Bereiche mit integriert, aber die Anforderungen wie auch die Potenziale bleiben sehr hoch, so dass zu diesem Zeitpunkt ein Auseinandersetzen mit dieser Technologie sinnvoll sein kann.
Carlos Carvalho – Senior Berater
junokai