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Tipp KW 19 – 2017

Bei der Wahl des geeigneten Dienstleisters zur Auslagerung des Kundenservice sollte man sich bereits im Auswahlprozess die Zeit für eine solide Entscheidung nehmen. Die Verträge werden in der Regel über eine Laufzeit von mindestens zwei bis drei Jahren geschlossen, wobei beide Seiten grundsätzlich an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sind und Verträge mit fünfjähriger Laufzeit zunehmend nicht selten sind. Denn bis die Zusammenarbeit im business as usual-Modus funktioniert und – idealerweise – profitabel ist, sind Einschwingphasen von 6-12 Monaten nicht unüblich. Nichtsdestotrotz ist es von Zeit zu Zeit notwendig, den Dienstleister zu wechseln. Effizientere Prozesse, neue Kanäle, das Abwägen von Kosten-Nutzen Verhältnis, eine geänderte strategische Ausrichtung im Kundenservice und das Ziel einer höheren Qualität können Gründe sein. Jedoch ist der Wechselprozess von einem auf den anderen Dienstleister kein Selbstläufer. Inkonsistente Informationen, keine dokumentierten Prozesse, mangelnde Kooperation und Motivation des bisherigen Dienstleisters werden zu Herausforderungen in einem engen Zeitrahmen. Daher sollte der Prozess des Dienstleisterwechsels optimal vorbereitet, begleitet und durchgeführt werden.

Bereiten Sie sich auf die Herausforderungen vor.
Zu den Problemen, die durch den Wechsel des Kundenservice Dienstleisters auf die eigene Organisation zukommen, gehören:

Planungslücken
Beim Wechsel zum regulären Vertragsende können sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer Ramp-down und Exit gemeinsam festlegen und planen. Idealerweise besteht zwischen den Vertragsparteien lediglich ein Rahmenvertrag zur Zusammenarbeit und die tatsächlichen Aufträge sind durch einzeln kündbare Leistungsbeschreibungen geregelt. In dem Fall können beide Seiten einzelne Services aufkündigen und neu vergeben. Bei ungeplantem Wechsel, z.B. bedingt durch Vertragsbruch, bleibt wenig Zeit für Planung, Wissenstransfer und Training. Daher kann sich der neue Dienstleister nicht optimal auf die Übernahme vorbereiten, was zu Problemen im daily business führen kann.

Zeitdruck
Wenn der ehemalige Dienstleister wenig Bereitschaft zur Kooperation zeigt oder sogar gegen den Wechsel arbeitet, führt dies zu noch mehr Druck im Zeitplan. Sollte sich der Wechsel mitten in der Vertragslaufzeit ankündigen, fehlen Ihnen interne Ressourcen für andere Projekte, da die Stabilisierung des Service Providers zur Priorität wird.

Keine Dokumentation
Ist der IST-Zustand nicht ausreichend dokumentiert, muss der neue Dienstleister mit einigen Wissenslücken starten. Das wirkt sich in seiner Einarbeitung erheblich auf die Performance aus, vor allem wenn die Aufgabenstellung komplex ist. Die Kooperation des bestehenden Dienstleisters ist unerlässlich für einen erfolgreichen Wechsel, da sie die Abläufe aus eigener Erfahrung besser kennen als der Auftraggeber. Daher muss eine Informationsübergabe zu Prozessen, Operations, Anwendungen, Leitfäden und Systemen stattfinden – idealerweise von Dienstleister zu Dienstleister. Problematisch sind auch bereits langjährige Outsourcing Verhältnisse, da hier das grundlegende Prozesswissen nicht mehr in-house vorhanden ist.

Mangelnde Zusammenarbeit
In der Wechselphase arbeiten bestehender Provider, Auftraggeber und neuer Dienstleister zwar zusammen, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele. Die Organisationsstruktur und Berichtsstrukturen sind nicht auf den Wechsel eingestellt oder es mangelt an Ressourcen, um die Aufgaben erfolgreich zu lösen. Daher spielt die Verständigung untereinander, ausgerichtet am Ziel des erfolgreichen Wechsels und begleitet durch strukturiertes Projektmanagement unter Beteiligung aller Stakeholder, eine entscheidende Rolle.

Struktur sichert Wissen und Leistung.
Ein erfolgreicher Übergang vom einen auf den anderen Dienstleister erfordert genaue Planung, strukturierte Durchführung und kontinuierliche Erfolgskontrolle. Der Fokus liegt dabei auf dem betroffenen Personal, Prozessen, Infrastruktur und Abläufen. Durch effektives Projekt- und Personalmanagement, eine gute Führung und das Anwenden erprobter Verfahren gelingt der Wechsel.

Wissen
Das Wissen des bestehenden Dienstleisters gilt es mit möglichst geringen Verlusten weiter nutzen zu können. Bereits im Vertragswerk sollte geregelt sein, dass eine Prozessdokumentation, die den IST-Zustand belegt, zwingend an den Auftraggeber übergehen muss. Auch ist hierbei Kontinuität und Vorbereitung entscheidend: Nicht zum Ramp-down, sondern ein kontinuierlicher Austausch bereits während der Zusammenarbeit sichert dem Auftraggeber eine optimale Dokumentation von Wissen. Idealerweise werden Dokumente wie Arbeitsanweisungen, Trainingsdokumente, Gesprächsleitfäden, Risikoanalysen, Prozesscharts und Vorlagen in der Wissensdatenbank des Auftraggebers geteilt. Zusätzlich sollten zentrale Wissensträger beim bestehenden Dienstleister wie Fachagenten oder Teamleiter zu Kernmitgliedern im Wechselteam ernannt werden, um den Wissenstransfer zu sichern.

Struktur
Um im Übergang so strukturiert wie möglich vorgehen zu können, sollte für den bestehenden Dienstleister der Ramp-down bereits im Vertrag geregelt sein. Hier lassen sich Vereinbarungen zu Zeitrahmen, Volumen und Beistellpflichten festlegen. Für den Auftraggeber ergibt sich zusätzlich die Aufgabe des parallelen Ramp-up des neuen Dienstleisters, idealerweise ohne Performance-Einbußen für den Kunden. Vier Kernelemente geben dem Übergangsprozess die notwendige Struktur:

  • Führung: Festlegen, wer in der Auftraggeber-Organisation den Prozess steuert; wer sind die Kernansprechpartner der Dienstleister im Übergangsteam; was sind die zu erreichenden Meilensteine; welche übergeordnete Eskalationsebene existiert
  • Team: Rollen und Verantwortlichkeiten sind in allen drei am Übergang beteiligten Einheiten zu definieren. Die Teams sollten dabei aus bisherigen bzw. zukünftigen Verantwortlichen bestehen (Teamleiter, Fachagent, Wissensträger, Outsourcermanagement), aber auch externe Rollen, wie Projektmanager, die lediglich den Übergangsprozess begleiten, vorsehen. Vergessen Sie nicht, eine Kultur des Vertrauens zu etablieren bzw. in der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zu sichern.
  • Stabilität: Oberste Prämisse beim Wechsel eines Dienstleisters: der Kunde darf zu keiner Zeit einen schlechteren Service wahrnehmen bzw. den Wechsel bemerken. Welche Abläufe sind leicht abzulösen, welche sind eher kritisch; welche Zeiten für Rekrutierung und Training sind wirklich realistisch, bis das Team „läuft“; gibt es Themen bei Standortaufbau oder -ausstattung; sind die IT-Systeme einsatzbereit und bereiten den Anwendern keine Schwierigkeiten; Wichtig für einen stabilen Übergang ist die Weiterführung des IST-Zustands für eine gewisse Zeit. Werden Sie in den Basics stabil, bevor Sie sich mit dem Auftraggeber an Neues, wie zusätzliche Kanäle oder ein anderes System wagen. Für Auftraggeber mit einer breiten Dienstleisterlandschaft ist es empfehlenswert, nicht mehr als einen Dienstleister zur selben Zeit zu wechseln.
  • Kommunikation: wie sieht der Zeitplan aus; wer sind die Ansprechpartner; welche kritischen Punkte gibt es; wie ist der Verlauf – alle intern und extern Beteiligten sollten stets alle für sie notwendigen Informationen zum Ablauf des Übergangs und den nächsten Schritten erhalten. Denken Sie dabei auch an andere Abteilungen Ihres Unternehmens: Plant die Marketingabteilung des Auftraggebers eine Kampagne, die das Volumen kurzzeitig ansteigen lässt? Weiß der Vertrieb beim abgehenden Dienstleister, dass Seats frei werden? Auch hier kann ein strukturiertes Management des Übergangsprozesses alle Blickwinkel einbeziehen.
    Leistung
    Nach außen, also beim Kunden, darf der Wechsel vom einen auf den anderen Dienstleister so wenig wie möglich spürbar sein. Kontinuierliche Beobachtung und Messung der Performance ist daher in allen Phasen des Übergangs zwingend notwendig. Welche 3-4 Leistungskennzahlen stehen bei Ihnen besonders im Vordergrund und geben Ihnen den besten Einblick in Qualität, Quantität und Kundenzufriedenheit? Diese sollten im Übergang einheitlich für abgehenden und neuen Dienstleister gelten. Auch hierfür sind im Übergangsteam Spezialisten im Performancemanagement gefragt, die über alle drei beteiligten Seiten zusammenarbeiten.

Fazit
Der Wechsel von einem Kundenservice Dienstleister auf den anderen kann ein herausfordernder Prozess sein – sowohl für Auftraggeber als auch den für den bestehenden, bzw. abgehenden Dienstleister sowie den neuen. Zuallererst ist bei der Auswahl des neuen Dienstleisters darauf zu achten, ob er den gewünschten Mehrwert wirklich leisten kann, bzw., ob die neue Zusammenarbeit auch tatsächlich die gewünschten Erfolge bringen kann. Ist der Übergang beschlossen, ist die Vorarbeit entscheidend: Was haben Sie im Vertrag mit dem bestehenden Dienstleister zum Ramp-down geregelt? Idealerweise sind Zeitplan und Beistellleistungen vertraglich manifestiert und stimmen nach wie vor mit Ihren Planungen und denen des neuen Dienstleisters überein. Ein strukturierter Prozess, gegenseitige Kontrolle, das Involvieren aller Stakeholder und ein kontinuierlicher Wissenstransfer tragen zum Erfolg bei.

– Sofie Schneider (Beraterin)
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