DE | EN

Tipp KW 17 – 2018

In diesem Tipp der Woche werden Trends und Charakteristika im Bereich Contact Center Dienstleistungen beschrieben, die nicht mit Trends im Bereich Kundenservice gleichzusetzen sind, jedoch durch diese beeinflusst werden. Dies liegt daran, dass Contact Center Dienstleiter typischer Weise nicht Treiber für Trends im Kundenservice sind. Dazu weiter unten mehr. Ein aktueller für Contact Center Dienstleister im besonderen Maße relevanter Trend ist die Verknappung der verfügbaren Mitarbeiterressourcen. Dies liegt einerseits an der anhaltend guten Konjunkturlage und der damit zur Verfügung stehenden Alternativen für Arbeitnehmer sowie andererseits an der demografischen Entwicklung in unserem Land. Auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat dazu geführt, dass es in der Regel keinen Abstand mehr gibt zwischen den Löhnen bei Contact Center Dienstleistern im Vergleich zu noch niedrigeren Lohnsegmenten. Dies führt zum einen dazu, dass Contact Center Dienstleister Schwierigkeiten haben, geeignetes Personal in der notwendigen Anzahl zu rekrutieren und zum anderen zum Anstieg der Löhne bei Contact Center Dienstleistern, um dieser Herausforderung entgegenzutreten. Daher sollten Auftraggeber bei Dienstleistern darauf achten, wie diese geeignete Mitarbeiter rekrutieren und binden. Wer lediglich den Mindestlohn in Höhe von 8,84 € pro Stunde bietet, wird kaum noch die notwendigen Mitarbeiterressourcen rekrutieren und halten können. Die Löhne haben sich gerade in den letzten 12-18 Monaten in Richtung 10,00+ € pro Stunde entwickelt. In diesem Zuge ist auch der Druck seitens der Contact Center Dienstleiter gestiegen, die Preise für Ihre Leistungen entsprechend anzuheben. Um eine gute Leistung erbringen zu können, benötigt ein Dienstleiter typischer Weise einen DB1 im Projekt von ca. 30% (Anteil direkter Kosten im Projekt im Verhältnis zum Umsatz des Projekts). Das sollten Auftraggeber bei der Gewichtung des Preises bei der Auswahl eines geeigneten Contact Center Dienstleisters berücksichtigen.

Ein Trend im Kundenservice ist die zunehmende Digitalisierung von Kundenserviceprozessen. Einfache Prozesse werden zunehmend von Self-Service-Applikationen oder von Bots übernommen. Nach und nach werden also eher die komplexeren Themen von Mitarbeitern im Call Center bearbeitet werden, was zu einer Steigerung der Anforderungen führt. Dies ist dann wieder relevant für die Lohngestaltung und Rekrutierung. So setzt sich z.B. auch der Trend fort, dass Contact Center Betreiber auf Home-Office oder Mikro-Standortlösungen zurückgreifen, um genügend geeignetes und qualifiziertes Personal zu finden.

In diesem Zusammenhang betrachten wir auch das Thema Nearshoring. Dies ist zwar kein ganz neuer Trend, wird aber gemeinhin als Option häufig betrachtet. Ob der Einbezug von Nearshoring Standorten von Dienstleistern zielführend ist, hängt von der Zielstellung der Auftraggeber für den Kundenservice ab. Wenn das Thema Kosteneffizienz stark im Vordergrund steht, kann Nearshoring dann eine Option sein, wenn ein bestimmtes abtrennbares Mindestvolumen an einfachen Aufgabenstellungen in kostengünstige Regionen verlagert werden kann, ab dem sich der Aufwand für Steuerung und Qualitätssicherung lohnt. Zudem ist zu beobachten, dass der Preisvorteil im Nearshoring-Bereich zunehmend geringer ausfällt.

Wenn Serviceexzellenz, eine positive Kundenwahrnehmung sowie Image gegenüber der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle spielen, zahlt der Einsatz von Nearshore weniger gut darauf ein. Zudem sind die Vorgaben der EU Datenschutzgrundverordnung eine wichtige Determinante für die Auswahl von Nearshore-Lösungen.

Auch zu beachten ist, dass Dienstleister aufgrund des Preisdrucks immer schon auf die operative Abwicklung fokussiert sind; die Kalkulation gibt kaum Ressourcen her, die sich um die Weiterentwicklung im Bereich Technologie und der Services und Prozesse der Auftraggeber kümmern können. Das gibt auch das typische kommerzielle Partnerschaftsmodell nicht her, da es Optimierungen für den Auftraggeber nicht honoriert. Der Drive zur Weiterentwicklung des Kundenservice kommt also eher von den Auftraggeber-Unternehmen, die zumindest in Teilen von dem Input der Contact Center Dienstleister insofern profitieren können, dass diese wertvolle Erfahrungen, die sie mit anderen Auftraggebern machen, mit dem Auftraggeber teilen können. Hier gibt es durchaus einen Trend, Contact Center Dienstleister kommerziell daran profitieren zu lassen, wenn aufgrund von Vorschlägen seitens der Contact Center Dienstleister Maßnahmen umgesetzt werden, die z.B. zu mehr Kosteneffizienz, Kundenzufriedenheit und Vertrieb führen, bzw. auf die Ziele der Auftraggeber einzahlen. Dies kann bis zu einer echten BPO-Partnerschaft mit Cost-per-Customer Modell führen, in dem der Dienstleister die volle Verantwortung übernimmt und von Effizienzsteigerungen und Innovationen direkt profitiert.

Für Auftraggeber leitet sich daraus die Empfehlung ab, sich der Herausforderungen und der Charakteristika der Contact Center Dienstleister bewusst zu sein und in einer partnerschaftlichen Art und Weise mit diesen zu kooperieren. Dabei gilt es, dem Partner kommerzielle Anreize oder zumindest genügend Luft zu verschaffen, neben der Einhaltung der operativen KPIs auch Weiterentwicklungsthemen gemeinsam mit dem Auftraggeber zu managen. Denn aufgrund der vielfältigen Erfahrungen der Dienstleiter mit anderen Auftraggebern können diese gute Partner und Inputgeber dafür sein, Nutzen aus den Trends im Kundenservice – Omni-Channel, AI, RPA, Data Analytics etc. – zu ziehen und die Ziele der Auftraggeber im Kundenservice noch besser zu erreichen.

– Jonas Leismann (Associate Partner)
junokai

Um den Tipp der Woche zu abonnieren, klicken Sie hier.