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Tipp KW 52 – 2020

Für mich bitte einmal Messaging Voice Bot mit Linguistik al dente

Heute möchte ich Ihnen mit diesem Tipp der Woche einen Menüvorschlag unterbreiten, der anlog zu Fusionküche ein paar bekannte Zutaten des Kundenservices neu miteinander verbindet.

Während die Verzahnung von unterschiedlichen Kunden-Touchpoints fortschreitet, indem unterschiedliche Anbindungen an einheitliche Backendsysteme geschaffen werden, um damit einheitliche Kundenerfahrungen zu schaffen, verschmelzen inzwischen auch die einzelnen Kanäle mit ihren eigenen Charakteristiken und Vorteilen immer mehr miteinander. 

Erfolgte noch vor Jahren der typische Schriftkontakt im Wesentlichen isoliert per Mail oder Brief, war andererseits Sprache oder direkte Interaktion immer zwingend nur mit Telefonie verknüpft. Eine emotionale Komponente, welche gerade im Sales und bei kritischen Service-Anfragen als entscheidend angesehen wird, wurde bislang ebenso ausschließlich einem direkten Kunden-Agentenkontakt per Telefon attestiert und doch gibt es inzwischen auch hier Trends, welche dieses Dogma langsam aufbrechen. 

Anliegen, die in einem Sprachportal initiiert oder abschließend gelöst werden, werden dem Kunden unmittelbar per Mail oder SMS bestätigt. Verkauf über einen Bot mit einem entsprechenden individualisierten Angebot ist mittlerweile keine Ausnahme und Apps oder Webseiten liefern Push-Benachrichtigungen, welche optional mit einer Instant Callback-Option versehen sind. 

Gleichzeitig zieht zudem auch AI immer mehr in all diese Interaktionen mit ein, sei es durch intelligenter werdende Chat-Bots aber auch Sprachportale mit immer besser werdender Intent-Erkennung und Antwort/Sprachqualität sowohl in Inhalt und Ton.

Chat und IVR haben aber auch einen entscheidenden Nachteil – es sind synchrone Kanäle d.h. der Kunde erwartet in der Regel eine sofortige Lösung seines Anliegens in diesem Moment, andernfalls muss der Kunde an einen Mitarbeiter weitergeleitet werden. Optional kann der Kunde zwar zu einem späteren Zeitpunkt nochmals anrufen, aber jede bislang erfolgte Kommunikation, ob im Sprachportal als auch im Chat, ist dann verloren bzw. nicht mehr verfügbar.

Ein asynchroner Kanal wie Messaging hat hier einen Vorteil, da er zum einen bei Unterbrechung die Informationen für beide Seiten speichert und eine sofortige Antwort aus Kundensicht nicht erwartet wird. Messungen zeigen, dass hier Zeiträume bis zu vier Stunden von Kunden als absolut unkritisch angenommen werden. Somit können Kundenanliegen, welche eine längere Recherche oder Bearbeitungszeit bedingen (z.B. die Nachprüfung der Erstattungsberechtigung einer Arztrechnung), durch eine Versicherung oder der Umzug eines DSL Anschlusses zu neuer Technologie mit entsprechenden Aktivierungszeitpunkten und Technikertermin) in einer einzigen Kommunikation als auch transparent für den Kunden nachhaltig verfügbar bleiben. 

Parallel schafft man mit dieser Lösung aber auch Ansatzpunkte für die Bearbeitung im Rahmen von Automatisierung und/oder mit AI abzubilden, da bestimmte Abfragen oder Verarbeitungen nun ohne Zeitdruck auf Echtzeitabfragen in den Systemen mit entsprechenden APIs gegebenenfalls komplett ohne eine Interaktion eines Agenten in einer Schattenverarbeitung erfolgen können.

Dies stellt zwar veränderte Anpassungen und Anforderungen an die Systeme und hier insbesondere in dem Zusammenspiel der Backend-Systeme mit RPA/AI als auch den Frontend- sowie Kunden-Touchpoints, aber wie erwähnt ist der Aufwand einer Echtzeit API-Schnittstelle deutlich höher einzustufen.    

Nun möchte ich dieser Basis eine weitere Zutat hinzufügen, welche einen bislang nicht so sichtbaren Trend aufzeigt und dennoch immer mehr an Bedeutung gewinnt. Vermutlich haben Sie es selbst schon einmal erlebt oder nutzen es verstärkt. Ich spreche hier von Voice-Nachrichten in Messaging Kanälen. Damit meine ich nicht die Voiceover-LTE (VoLTE) Lösungen sondern dem Trend auch in Messaging Diensten nicht mehr nur zu schreiben, sondern Sprachnachrichten aufzunehmen und diese im Anschluss zu versenden. 

Mittlerweile nimmt der Anteil der gesprochenen Sprachnachrichten in den Messaging Diensten kontinuierlich zu. Wesentliche Gründe sind hier, dass Sprechen in der Regel schneller geht als Schreiben, man nicht mit Blick auf einen Bildschirm auf einer für viele zu klein dimensionierten Tastatur längere Texte schreiben möchte und den Vorteil emotionaler Kommunikation durch Sprache einbindet. 

Und hier entsteht eine interessante Option der Verschmelzung von zwei Kanälen, welcher die Vorteile beider Welten miteinander verknüpfen kann:

  • Der Kunde hat über Messaging gefühlt keine Öffnungs- und Wartezeiten, weil er jederzeit diesen Kontaktkanal einfach auf seinem Smartphone aktivieren und nutzen kann. Das Smartphone ist selten weit weg und oft in Dauernutzung. 
  • Während eine IVR ein Kundenanliegen identifizieren kann, aber einen synchronen Kanal darstellt welcher eine unmittelbare Antwort erfordert, kann hier Messaging wie vorher erwähnt einen größeren Self-Service Anteil ohne Agenteninteraktion ermöglichen.
  • Der Kunde muss seine Anfrage bzw. sein Anliegen nicht in langen Texten auf dem Smartphone (be)schreiben sondern kann dies per Sprache durchführen. Diese wird ebenso im Messaging Verlauf gespeichert, sodass er volle Transparenz über die Kontakthistorie behält. Der Kunde hat somit die sofortige Bestätigung, dass seine Nachricht abgesendet, empfangen und auch gelesen wurde.
  • Die benötigte Technologie mit Speech-to Text (STT) Schnittstellen und Natural Language Programming (NLP) hierfür ist mittlerweile in vielen IVRs etabliert und arbeitet sehr zuverlässig. 
  • Identifizierung/Authentifizierung der Kunden ist ebenso durch z.B. eine Mobilfunknummer welche die Messaging-App nutzt als auch dann durch Biometrie (Fingerabdruck oder Face-Detection auf dem Smartphone) aber auch Sprachbiometrie-Verifizierung des aufgenommenem Textes möglich.

Ein wesentliches Element ist, wie erwähnt, aber auch der emotionale Aspekt einer Kunden-Kommunikation. Hierbei hat Sprache eine ganz wesentliche Aufgabe und gerade hier trennt sich oftmals die Spreu vom Weizen in der automatisierten Bearbeitung:  Die Intent-Erkennung, ob über IVR oder Online funktioniert zwar weitestgehend, aber der Kunde wird in seinem emotionalen Status oft nicht erkannt und abgeholt. 

Auch hier kann analog zu einem Sprachportal der emotionale Status des Kunden durch Sprachanalyse des gesprochenen Textes besser zugeordnet werden, um daraus eine Entscheidung abzuleiten, ob der Kunde in diesem Fall nicht besser zu einem Agenten weitergeleitet wird, da eine Eskalation wahrscheinlich wird. 

Auf Basis dieser Erkennung kann auch die Antwort auf die Kunden emotional besser angepasst werden. Hier empfiehlt sich eine gute Linguistik-Analyse bzw. Verarbeitung.  

Sprachportale haben hier meist einen Nachteil: Die Verarbeitung der Daten in Echtzeit inklusive der Abfrage in den Backends parallel zu einer Intent- und Stimm(ungs)analyse benötigt Systemperformance und derzeit bringt dies bei großen Datenmengen auch ausgereifte Systeme in die Knie. Und genau hier haben wir wieder den Vorteil über Messaging-Voice, als asynchronen Kanal zusätzliche Bearbeitungszeit und Puffer in den Systemen zu schaffen, ohne dass der Kunde dies als negativ empfindet. 

Was bei alledem nicht vergessen werden darf ist, dass wir hier nicht bis ins Unendliche gehen können und selbst im Messaging bestimmte Wartezeiten auf Antworten nicht überschritten werden sollten. Diese können von Use Case zu Use Case unterschiedlich aussehen und es macht Sinn, dem Kunden bei zu erwartender Überschreitung entsprechende Vorabinformationen bereitzustellen.

Ebenso ist es generell wichtig, wie automatisierte Kundenanfragen aus einer AI heraus inhaltlich und emotional konzipiert werden. Hierzu empfiehlt es sich, den Bereich Linguistik Analysis genauer anzuschauen und hier sowohl bei der Intent-Erkennung als auch bei der Antwort auf Formulierungen und Tone-of-Voice kontinuierlich zu optimieren.

Optional kann man auch – wenn es sich anbietet – die Antworten an die Kunden ebenso als Voice Message offerieren. Hierfür bieten sich Speech Synthetic Markup Language (SSML) Lösungen, die mittlerweile zum Teil auch als Module moderner IVR Systeme einzeln verfügbar sind. 

Zum Abschluss nun die wichtige Frage: Ist Voice Messaging für mich eine Lösung?

Unser Tipp: Voice Messaging ist nicht ein Allheilmittel und für alle Unternehmen, Kundenanliegen und für Kundenserviceeinheiten ebenso gleichermaßen nicht immer eine gute oder sinnvolle Lösung. 

Aber wie bei Fusionküche hängt es stark von persönlichen Präferenzen ab und kann es gerade für den eigenen Bedarf unter Berücksichtigung den genannten Vorteilen eine interessante und innovative Lösung und Abwechslung zu bestehenden Kommunikationsstrategien darstellen. 

Wichtig dabei ist immer zu prüfen, welchen Mehrwert es im Vergleich zum Aufwand bietet und ob insbesondere hierdurch Kundenerfahrungen verbessert und auch die eigenen (Kundenservice)Ziele optimiert werden. 

Carlos Carvalho –  Senior Berater

 junokai

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