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Tipp KW 51 – 2019

Statement zur Digitalisierung: Für den zielführenden Einsatz von „intelligenten“ Maschinen werden intelligente Menschen benötigt

Die viel besprochene Digitalisierung nimmt Schritt für Schritt konkrete Formen an. Was in den letzten Jahren in den Fachzeitschriften stattgefunden hat oder von den Technologieanbietern schon als ausgereift und performant auf der Callcenter World angepriesen wurde, fand auch in diesem Jahr mehr und mehr Einzug in den Kundenservicealltag. Um welche Themen handelt es sich und was wird benötigt, um neue Technologien zielführend zu nutzen. Wir haben uns in diesem Jahr in mehreren Tipps der Woche mit Ansätzen rund um digitale Transformation und digitale Enabler im Kundenservice beschäftigt. Darunter z.B. folgenden Themen: Sprachanalyse (48/2019), Robotic Process Automation (18+38/2019), IVR als Touchpoint (26/2019), digitale Agenten (16/2019), Das Kundenservice Universum (11/2019), Gestaltung der digitalen Transformation (6+7/2019). 

Diese Themen werden in der Praxis noch durch die Anwendung zahlreicher weiterer technologischer Enabler und Assistenzsysteme ergänzt wie z.B. intelligente Sprachdialog Systeme, Next Best Action Systeme, Intelligentes Warteschleifen Management, Chat Bots und einige mehr. 

Häufig wird mit diesen Applikationen das Adjektiv „intelligent“ verbunden. Doch wie intelligent sind all diese Enabler? Wenn Sie in die Nähe der Intelligenz kämen, die wir uns Menschen zuschreiben, würde es keines einzigen Tipp Woche bedürfen, um deren optimalen Einsatz zu beschreiben. Aber so ist es nicht. Kein Sprachanalyse Tool wertet auf Knopfdruck die Qualität von Kundengesprächen aus oder macht eine verwertbare Root Cause Analyse. Kein Sprachdialog System erkennt untrainiert die richtigen Inhalte oder spuckt ein optimales Routingkonzept aus. Kein RPA-System erkennt von sich aus die für eine Automatisierung geeigneten Prozesse, richtet sich selbst ein und erstellt einen Business Case. Die Liste ließe sich für alle neuen sogenannten intelligenten Enabler fortführen. Und schon bei Supportsystemen, die schon seit längerer Zeit standardmäßig eingesetzt werden (z.B. Workforce Management Systeme), beträgt der Nutzungsgrad, d.h. der Grad der Nutzung der arbeitserleichternden und/oder optimierenden Features, in der Regel nicht mehr als 60% aller in den Tools verfügbaren Möglichkeiten. Andere technologiegestützten Verfahrensweisen, die schon seit Jahren zur Verfügung stehen, werden teilweise noch gar nicht genutzt (z.B. Pushverfahren zur automatischen Zuordnung von zu bearbeitenden Geschäftsvorfällen an Kundenberater im Gegensatz zum Pullverfahren, bei dem sich Kundenberater selbst die Geschäftsvorfälle aus dem Arbeitsvorrat auswählen). Der Einblick in zahlreiche Kundenservice Operations in diesem Jahr zeigt, dass entweder kaum auf die neuen digitalen Enabler zurückgegriffen wird oder man sich noch im Erprobungsstatus befindet. Einige wenige sind hier durchaus schon sehr weit.

Was ist also notwendig, um die digitalen Enabler nutzbringend für den Kundenservice einzusetzen? Zu aller erst gilt es, sich über seine Kundenservicestrategie bewusst zu werden und aus dieser die Ziele abzuleiten, um darauf basierend die KPIs zu definieren, die auf diese Ziele einzahlen. Das nimmt einem (noch) keine KI ab. Danach werden die Felder identifiziert, deren Optimierung die KPIs positiv beeinflussen. Und erst dann sollten die digitalen Enabler ausgewählt werden, die eine entsprechende Unterstützung bringen können. In diesem Prozess darf man sich gerne auch von am Markt verfügbaren Technologien inspirieren lassen. Jedoch darf das nicht den oben dargestellten Prozess ersetzen. Sind die digitalen Enabler identifiziert, die potenziell unterstützen können, müssen diese richtig ausgewählt und angewendet werden. Wer glaubt, dass dies wie Plug & Play funktioniert, wird schnell eines Besseren belehrt. Hierzu werden Leistungen benötigt, die Leistungen von Ingenieuren ähnlich kommen. Es werden also „Customer Service Engineers“ benötigt, die in der Lage sind, aus Entwicklungszielen in Kundenservice Operations Anforderungen an (neue) Technologien zu formulieren, die richtigen Technologien auszuwählen und diese dann intelligent so zu konfigurieren, dass diese am Ende tatsächlich auf die formulierten KPIs und Ziele einzahlen. Solche Rollen sind in Kundenserviceorganisationen typischerweise selten zu finden. Daher gilt es, diese zu definieren und dann entsprechende Personen dafür im eigenen Haus zu entwickeln oder zu rekrutieren oder diese Leistungen – zumindest für eine Übergangszeit – extern einzukaufen oder diese Leistungen als Service zu beziehen. Sogenannte intelligente Maschinen können nur durch intelligente Menschen zielführend eingesetzt werden. Kundenservice Organisationen, die auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, benötigen Customer Service Engineers. 

Jonas Leismann – Associate Partner

 junokai

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