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Tipp KW 42 – 2019

Achten Sie bei ihrer Digitalisierungsstrategie auch auf ihre Kundenservice-Mitarbeiter?

Durch die kontinuierliche Verlagerung von Services und Vertrieb in Online Kanäle finden in diesen Customer Touchpoints stetige Anpassungen und Optimierungen statt. Der Wettbewerb ist hier für alle sichtbar und es wird sehr viel Augenmerk auf intuitiv bedienbare Oberflächen und Designs, geführte Prozesse und höchste Customer Experience durch geringe Klicktiefen, Related Content Optimierungen und verbesserte Darstellung für Web- und App-Darstellung bei Big und Small Screen gelegt.

Aktuelle Trends werden schnell umgesetzt wie die Evolution der Sales Plattformen weg von herkömmlichen Verkaufs-Website Auftritten und hin zu Social-Media-Kanälen wo zum Beispiel Instagram Stories (1.5 Milliarden Daily User) immer stärker jüngere Käuferschichten mit Verkaufsangeboten locken. Man holt damit die potenzielle Zielgruppe dort ab wo sie sie die meiste Online-Zeit verbringt und der impulsgesteuerte Bestellvorgang aus einem gesehenen Insta-Video oder Bild ist teilweise erstaunlich einfach konzipiert sowie mit geführten Online-Strecken ohne größere Barrieren gestaltet.

Neben reinen Bestellvorgängen laufen bekanntermaßen auch Waren-Retouren, Abmeldungen von Services aber auch Serviceprozesse in der Regel ohne große Hürden über die unterschiedlichen Online-Schnittstellen und der Trend geht auch hier immer weiter in Richtung Optimierung der Nutzererfahrung durch einfache und intuitive Bedienung.

Bewegt man sich aber dann andererseits auf die Seite der Kundenservice Mitarbeiter dieser Anbieter und Services zeigt sich ein komplett anderes Bild und die vorhandene Mitarbeiter-Systemlandschafts-Benutzeroberfläche mutet wie eine Zeitreise in die Vergangenheit an:

  • Überladene Bedienoberflächen mit einer Armada von Buttons oder Informationen, die weder selbsterklärend noch nutzerfreundlich angeordnet sind.
  • Historisch gewachsene Frontend-Strukturen in einem Look and Feel von vor 20 Jahren, die jedoch kaum in Frage gestellt werden. Häufig mit Ergebnissen wie „die Info/Funktion muss aber auch noch rein“ die eine bereits sehr unübersichtliche Ansicht noch weiter „verschlimmbessern“.
  • Fehlende intuitive Bedienmöglichkeiten mit teilweise diffusen Klickstrecken ohne Führung oder Unterstützung im eigentlichen Geschäftsprozess.
  • Informations-Overload in Menüs mit teils unnützen Daten, die unter Umständen sogar nicht auf aktuellem Stand sind.
  • Wissensdatenbanken, bei denen sich Mitarbeiter durch lange Baumstrukturen klicken und im Anschluss lange Texte lesen müssen. Was sie – Hand aufs Herz – am Ende doch nicht tun, weil der Kunde in der Leitung wartet und drängelt.

Diese Liste ließe sich noch erweitern – Fakt ist: Während auf der Kundenseite sehr viel Wert auf Usability der Interfaces gelegt wird, werden die Interface-Systeme der Kundenservice- oder Shop-Mitarbeiter in diesem Aspekt oft stiefmütterlich behandelt. Dies liegt und gilt aber auch zum Teil für die Anbieter dieser Systeme.

Dabei existieren große Vorteile ein Augenmerk auf diesen Aspekt zu legen:

  • Intuitiv bedienbare Frontends können die Bearbeitungszeit von Vorgängen deutlich reduzieren.
  • Geführte Systeme unterstützen zudem Fehlervermeidung bei der Vorgangsbearbeitung und reduzieren damit Re-Kontakte und eine fallabschließende Bearbeitung.
  • Je einfacher ein System zu bedienen ist, desto geringer kann eine Schulungsdauer sein, mit entsprechenden Benefits bei Kosten und gewünschten Trainingserfolgen. 
  • Gezielte und vor allem bedarfsgerechte angezeigte Informationen steigern die Lösungsquote und zudem auch mögliche Sales und Upsell Ergebnisse.
  • Automatisierte Kundenscore Programme erleichtern und steuern die Gewährung möglicher Kulanzrahmen und vermeiden zu große bzw. unnötige Ausgaben in diesem Bereich.

Obgleich dieser Benefits ist es keine triviale Aufgabe, das bestehende Kundenservice Mitarbeiterfrontend-System durch ein neues zu ersetzen. Abgesehen von dem nicht zu unterschätzenden Aufwand für den Bau von Schnittstellen zu etwaigen Backend-Systemen, Integration bestehender Daten aus dem aktuellen Frontend, Kompatibilität zu weiteren Applikationen, Schulungen von internen Mitarbeitern sowie bei externen Dienstleistern bedeutet dies in Summe immer einen enormen Kostenaufwand durch Technik, Schulungen und damit verbundenen Produktionsausfall.

Hinzu kommt natürlich auch der Gedanke ob ein „neues“ Out-of-the Box System überhaupt die Komplexität bestehender individueller Prozesse und Systeme abbilden kann, um nicht dann doch nach wenigen Jahren vermutlich wieder gealtert oder sogar veraltet zu sein.

Andererseits besteht das Risiko, sich mit selbst entwickelten Systemen zum Teil an eigene individuelle IT-Entwickler mit entsprechenden Risiken bei Abgängen dieser Mitarbeiter zu binden und neueste technologische Entwicklungen zu verpassen, wenn das manufakturierte System dann nicht dafür konzipiert oder geeignet ist.

Eine mögliche Kompromisslösung kann hier jedoch der Einsatz eines Frontend Layers auf die bestehende IT-Frontend und Backend Landschaft darstellen. Hierbei wird eine neue Nutzer-Oberfläche auf Cloud Computing Basis (z.B. Amazon Web Services) über das bestehende Frontend gelegt und weitere Schnittstellen in benötigte Backendsysteme oder neue, z.B. KI Systeme, angebunden. 

Allein hierdurch können deutliche Performanceverbesserungen erzielt werden indem man z.B. mit Smart Data Management arbeitet. Vielfach werden bei einem Aufruf eines Kundendatensatzes durch das Frontend alle Kundeninformationen hochgeladen. Dies ist jedoch nicht immer notwendig oder sinnvoll, wenn nur eine begrenzte Anzahl von Daten zu diesem Kunden im ersten Schritt benötigt werden. Smart Data Management liefert im ersten Schritt nur begrenzte Kundeninformationen an das Frontend. Erst wenn dann andere Informationen benötigt werden, werden diese bereitgestellt. Auch wenn dies trivial erscheint, kann dies relevante Sekunden beim Aufruf der Kundendaten bedeuten, was dann sofort Effekte auf Bearbeitungszeiten hat.

Das Design spielt ebenso eine sehr wichtige Rolle, kann individuell gemäß eigenen Anforderungen erfolgen und ist in der Gestaltung komplett frei. Als Resultat kann man ein gefühlt komplett neues Frontend mit vergleichbar geringem Aufwand in Zeit und Kosten deutlich verbesserte Nutzerlebnisse für ihre Mitarbeiter gestalten. 

Beim Design des Frontends besteht ein wesentliches Erfolgskriterium darin, die Gestaltung durch betroffene Mitarbeiter in Kombination mit betriebsfremden Teilnehmern zu ermöglichen, um eine potenzielle Betriebsblindheit zu minimieren. Das Design der Prozesse im Frontend sollte zudem auf Geschäftsvorfallbasis immer wieder in einem A-B Testing in Nutzung und Geschwindigkeit gegenüber dem bisher genutzten System erfolgen. Mit Hilfe von agil weiterentwickelnden Prototypen können Prozesse und Workflows durch Visualisierung und Testing auf einfache Weise diskutiert und optimiert werden. Meist stellt man durch diesen agilen Ansatz Benefits fest, die sich 1:1 auch für andere Geschäftsprozesse eignen und dort berücksichtigt werden. 

Ein weiterer Charm solcher Lösungen biete die Möglichkeit, mitarbeiterindividuelle Frontends zu gestalten. Beispiel: In jeder Serviceorganisation wird es Mitarbeiter mit unterschiedlicher Sales-Affinität geben. Ähnlich wie auf Kundentypen angepasste Websites werden dann diesen unterschiedlichen Mitarbeitertypologien unterschiedliche Frontendelemente in Form von Gamification angezeigt. Das kann bei einem sehr Sales-affinen Mitarbeiter die Anzeige eines Rankings gegenüber seinen Mitstreitern sein oder bei einem nicht so Sales-affinen Mitarbeiter eine visuelle Belohnung mit Inhalten wie „Toll gemacht – das war echt super!“. Die Möglichkeiten hier sind sehr frei, bedingen jedoch, dass man zum einen die Mitarbeiter-Typologien richtig einschätzt und die Frontends nicht in ihrer Grundstruktur komplett unterschiedlich gestaltet.

Des Weiteren können für die wichtigsten Kundenserviceprozesse analog zu Customer Journey Mappings auch „Customer Service User Journey Mappings“ durchgeführt und dort potenzielle Verbesserungen ermittelt werden, die in eine Entwicklung des Frontend-Designs einfließen können. Ein wesentlicher Vorteil dieser Vorgehensweise ist die sofortige Visualisierung im Frontend, da diese wertvolle Zusatzideen zu Tage fördern kann. Die Nutzeroberfläche kann somit im Setup auch zukünftig mit geringem Aufwand angepasst werden, so dass Sie Ihre Ideen kontinuierlich realisieren können.

Ein neues Kundenservice-Frondend kann durchaus deutliche Vorteile für die Mitarbeiter und die Geschäftsperformance im Kundenservice bringen. Um diese Ergebnisse zu erzielen muss, ähnlich wie bei einer guten Küche, dann auch nicht alles immer wieder neu angeschafft werden. Meist schaffen neue Fronten und moderne Einbaugeräte ein komplett neues Erlebnis.

Carlos Carvalho (Senior Berater)

junokai

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