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Tipp KW 40 – 2015

Die Arten, wie Contact Center Dienstleister gesteuert werden, sind so vielfältig wie die Auftraggeber selbst. Von der ausgefeilten Scorecard, über Dauerpräsenz beim Dienstleister und Detailauswertung auf Mitarbeiterebene bis zu sehr freier Steuerung ohne KPI ist alles zu finden. Im vorliegenden Tipp der Woche soll ein grober Überblick gegeben werden, worüber man sich Gedanken machen sollte, insbesondere zu Kennzahlen, Steuerung und Vertrag.

Bei den Kennzahlengruppen, die für eine Scorecard (hier: gewichtete Kennzahlenübersicht, die die vertraglich vereinbarte Leistung des Auftragnehmers bewerten) in Frage kommen, stehen üblicherweise Erreichbarkeit und Qualität an erster Stelle. Darüber hinaus werden teilweise auch Saleszahlen und Prozesskennzahlen aufgeführt. Hier stellt sich schon die Frage, ob diese Kennzahlen überhaupt auf Ebene des einzelnen Dienstleisters zur Verfügung stehen. Wenn beispielsweise alle Agenten ein gemeinsames Wartefeld teilen, wird die Erreichbarkeit schwer zu berechnen sein. Die genaue inhaltliche Definition der erhobenen Kennzahlen im Vorfeld ist besonders wichtig. Klassische Streitpunkte sind beispielsweise die Berechnung von sog. Shortcalls (Calls, die schnell beendet werden – sind sie für die Messung der Erreichbarkeit einzurechnen oder nicht?) oder die erlaubte maximale AHT (Average Handling Time). Anspruchsvoller als KPI zur Erreichbarkeit sind beispielsweise Prozesskennzahlen, wie die Durchlaufzeiten pro Prozess und Eingangskanal. Diese setzen ein hohes Maß an Vorarbeit voraus.

Darüber hinaus besteht ein breiter Fächer an möglichen Kennzahlen, die vertragsrelevant vom Dienstleister erbracht werden sollten. Diese zu definieren, in einer Scorecard vertraglich zu vereinbaren und mit einem Bonus-Malus-System zu verbinden ist herausfordernd, zumal die zugrunde liegenden Messungen von beiden Seiten anerkannte Werte liefern müssen. Abhängigkeiten für die Erfüllung der vertraglichen Leistung sind zu definieren, um nicht Gefahr zu laufen, dass einzelne Anforderungen bedient und andere bewusst vernachlässigt werden – was nutzt beispielsweise eine gute AHT, wenn die Lösungsquote darunter leidet.

Weit auseinander gehen auch die Modelle der operativen Steuerung des Dienstleisters. Wenig Einflussnahme findet man insbesondere bei kleinen Kontaktmengen. Komplexe und hohe Volumina werden hingegen oft in einem dichten Konstrukt aus Anwesenheit vor Ort, Monitoring, Fachworkshops und weiteren Standards gesteuert. Diese sollten vertraglich vereinbart werden und Schnittstellen müssen genau definiert sein. Sonst läuft man Gefahr, bei Umsetzung des Vertrags im Streit zu landen.

Mitunter werden Dienstleisterverträge eingegangen, ohne sich über die notwendigen personellen Ressourcen zu verständigen. Wenn dann der Dienstleister ausgewählt und angebunden ist, fällt es schwer, fehlende Leistung on top zu verhandeln und ohne weitere Kosten durchzusetzen. In solchen Situationen ist der positive finanzielle Effekt des Outsourcing schnell neutralisiert.

Die vertragliche Vereinbarung muss alle genannten Themenblöcke einbinden und die Rahmenbedingungen definieren. Beispielsweise ist der Zugang zu den Räumlichkeiten des Dienstleisters zu regeln – wie soll man sich beispielsweise einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen machen, wenn der Zutritt zum Dienstleister verweigert wird. Ebenso müssen die Bestimmungen der Arbeitsnehmerüberlassung mit der vertraglichen Vereinbarung abgeglichen werden. Werden interne Standorte geschlossen und stattdessen Ressourcen beim Dienstleister aufgebaut ist ein Betriebsübergang zu prüfen. Bei Verträgen mit Standorten in mehreren Ländern sind insbesondere national unterschiedliche arbeitsrechtliche Anforderungen zu beachten.

Eine Vielzahl von Themen greifen ineinander und sind aufeinander abzustimmen.
In weiteren Tipps der Woche werden wir die Themen Kennzahlensystematik, Steuerung und Vertragskonstrukt für die Dienstleistersteuerung näher beleuchten.

– Joachim Hofsähs (Geschäftsführender Gesellschafter)
junokai

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