DE | EN

Tipp KW 35 – 2016

Die kurzfristige Personalplanung funktioniert in vielen Unternehmen in der Regel schon relativ gut und zielgenau durch eine unterstützende Software. Bei der langfristigen Planung wird dies aber häufig über ein Budget vorgegeben, dass aus dem Controlling oder der Personalabteilung erstellt wird. Bei der Erstellung gibt es einige Fallstricke, die meist keine Beachtung finden da die erstellenden Bereiche nicht über die Kenntnisse oder die Möglichkeiten verfügen, die Planung vollumfänglich durchzuführen. Auf einige Problemfelder und mögliche Lösungen in diesem Zusammenhang soll in diesem Tipp eingegangen werden.

So wird für die Berechnung des Personalbedarfes zum Teil ein forgecastetes Volumen für das Gesamtjahr genutzt, um mit diesem unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Bearbeitungszeit und der Nutzung von Zielwerten im Bereich Produktivität, Urlaub und Krankheit sehr einfach einen durchschnittlichen Bedarf an Vollzeitkräften über das Gesamtjahr zu errechnen. Dies ist das einfachste Vorgehen, es berücksichtigt jedoch die folgenden Bereiche nicht.

Berechnung des Gesamtvolumens
Bei der Berechnung des Gesamtvolumens wird in der Regel auf Vorjahreswerten und aktuellen Jahreswerten mit gewünschten und geplanten Steigerungen oder Senkungen im Folgejahr gerechnet. Dabei sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass in den historischen Zahlen auch solche enthalten sind, die aufgrund von Unterbesetzung, Störungen oder grundsätzlich erhöhtem Volumen dazu führen können, dass dieses nicht einfach als Basisvolumen genutzt werden sollte. Im besten Fall können Wahlwiederholer ausgewertet werden, um über die Korrelation von Wahlwiederholern zum Servicelevel in der Vergangenheit und der Definition eines Ziel-Servicelevels für die Zukunft einen normalisierten Forecast zu erstellen. Dieser zeigt dann das Volumen auf, dass bei entsprechender Besetzung und Erreichung der Ziele zur Verfügung stehen sollte.

Volumenverteilung
Die Anrufe verteilen sich natürlich nicht gleichmäßig über die einzelnen Monate, Wochen, Wochentage bis hin zum einzelnen Intervall. In der Regel gibt es saisonale und strukturelle Themen, die einer detaillierteren Prognose, bestmöglich als Simulation der Werte bis auf jedes einzelne Intervall des Folgejahres, bedürfen. Dies kann in der Regel relativ einfach mit einer bereits im Einsatz befindlichen Workforcemanagement-Lösung durchgeführt werden. Ansonsten bietet hier natürlich auch Excel Möglichkeiten, die jedoch in der Erstellung des Modells aufwändiger sind.

Berechnung des Nettobedarfes
Bestenfalls wird der Nettobedarf (Bedarf an Anwesenheit zur Erreichung des Servicelevels im Intervall) durch die Zuhilfenahme von ErlangC oder anderen Simulationsmodellen auf dem vorher definierten Volumen berechnet. Dabei sollte der Aufschlag für „unproduktive Anwesenheiten“ wie die Toilettenpause oder spontane Mitarbeitergespräche sowie andere nicht vorher planbare Unproduktivität direkt aufgeschlagen werden. Das Ergebnis ist der Bedarf an Mitarbeitern, die in dem späteren Intervall vor Ort sein sollten, um den Servicelevel zu erreichen.

Planbare unproduktive Anwesenheiten / Abwesenheiten
Auf den berechneten Nettobedarf an Anwesenheiten sollten dann zusätzliche planbare Aktivitäten wie Teammeetings, Schulungen, etc. aufgeschlagen werden, die einen Brutto-Anwesenheitsbedarf ergeben. Zusätzlich können jetzt auf diesen Wert die Abwesenheiten wie Urlaub und Krankheit aufgeschlagen werden, um den Bruttobedarf zu errechnen. Hierbei können sowohl Zielwerte (gern bei Urlaub auf Basis des zukünftigen Volumens) als auch historische Werte (z.B. bei den Krankenquoten) auf Monats- oder KW-Basis genommen werden, da diese sich natürlich nicht gleichmäßig über das Jahr verteilen.
Zu beachten ist, dass bei einer Urlaubsquote von z.B. 12% dieser Wert nicht auf den Nettobedarf aufgeschlagen wird (+12%), sondern der Nettobedarf 88% des Bruttobedarfes beträgt, da der Urlaub ein Teil des Bruttobedarfes ist.
Damit liegt dann der Bruttobedarf an Stunden je Intervall / Tag vor, der für die weiteren Berechnungen genutzt wird.

Berücksichtigung Arbeitstage / Monat
Bei der Berechnung der benötigten Vollzeitkräfte auf Monatsbasis sollte Beachtung finden, dass die Monate eine unterschiedliche Anzahl an Arbeitstagen haben, es kann also der Gesamtstundenbedarf nicht einfach durch die Durchschnittsmonatsstundenzahl geteilt werden, sondern es sollten die individuell im Monat verfügbaren Stunden einer Vollzeitkraft genutzt werden.

Bedarfskurven vs. Mitarbeiterplanung
Bedingt durch den Einsatz von Vollzeitkräften und nicht flexiblen Teilzeitkräften kommt es in Abhängigkeit von der Verteilung der Bedarfe im Monats-, Wochen- und Tagesverlauf zu Unterdeckungen und Überdeckungen in einigen Intervallen. Diese wurden in den vorhergehenden Berechnungen nicht berücksichtigt und sollten zusätzlich betrachtet werden, da diese sowohl von den Verlaufskurven als auch der Verteilung von Voll- und Teilzeitkräften sowie der Flexibilität der Mitarbeiter abhängig ist. Aus diesem Grunde wird häufig noch ein Aufschlag für das „Shrinkage“ durchgeführt.

Abschluss
Nach Beachtung all dieser Vorgehensweisen liegt im Optimum eine Auswertung vor, mit der eine Sicht von der Jahresbetrachtung bis hin zum einzelnen Intervall möglich ist. Durch diese können die Herausforderungen von einzelnen Tagen oder gar Intervallen mit einem bestehenden oder budgetierten Personalbestand sehr gut visualisiert werden. Dies hilft in der Regel sehr gut beim Verständnis, wodurch eine konstruktive Diskussion bezüglich der Zusammenhänge zwischen Budget und gewünschten Ziel-Servicelevel oder Erreichbarkeiten durchgeführt werden kann. Ziel sollte es sein, ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen Budget und Servicelevel zu erreichen, da es aufgrund der Komplexität keinen Königsweg gibt, der alle Bedingungen erfüllen kann.

– Ole Klinge (Berater)
junokai

Um den Tipp der Woche zu abonnieren, klicken Sie hier.