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Tipp KW 32 – 2020

Was Sie bei alternativen Anreizsystemen beachten sollten – ein Exkurs

Einige unter Ihnen können sich vielleicht noch an die Zeiten erinnern, in denen die schwierigste Frage, die es bei der Urlaubsplanung zu beantworten galt, „Spanien oder Italien?“ lautete. Der Sommer 2020 steht jedoch unter anderen Vorzeichen und so bleibt vielen Menschen nur die Option, ihren Urlaub in der Umgebung oder gleich auf Balkonien zu verbringen. 

Wenig überrascht es daher, dass unter den von COVID-19 besonders gebeutelten Unternehmen Fluggesellschaften einen der vorderen Plätze einnehmen. Doch auch vor Ausbruch der Pandemie war die Branche aufgrund der fluktuierenden Ölpreise und steigendem Wettbewerbsdruck von stark schwankenden Gewinnmargen gekennzeichnet.

So ist es kaum verwunderlich, dass Fluggesellschaften bemüht sind, operative Kosten zu reduzieren. Neben dem Ölpreis – den man ohnehin kaum beeinflussen kann – sind Personalkosten mit einem Anteil von 20 bis 30 Prozent an den Gesamtkosten der Hauptkostenfaktor in der Branche.

Bei United Airlines, eine der größten US-amerikanischen Fluggesellschaften wollte man daher die Kosten für Mitarbeiterboni, die im Jahr 2017 bei schätzungsweise 87 Millionen US-Dollar lagen, drastisch reduzieren – so die Idee. Das bisherige Programm, bei dem Flugbegleiter, Kundenserviceagenten und andere berechtigte Mitarbeiter ein vierteljährlicher Bonus ausgezahlt wurde, der an das Erreichen operativer Ziele wie pünktliche Abflüge und Ankünfte geknüpft war, sollte ersetzt werden. Stattdessen sollte ein Programm mit dem Namen „core4 Score Rewards“ implementiert werden – eine Lotterie, bei der Mitarbeiter Preise wie 100.000 US-Dollar in bar oder eine brandneue Mercedes C-Klasse gewinnen konnten. Die Umstellung hätte die Kosten von United für Mitarbeiterboni schätzungsweise um sagenhafte 80 Prozent auf unter 20 Millionen US-Dollar reduziert. 

Studien haben gezeigt, dass alternative Anreizsysteme wie das Lotterie-Modell von United oftmals wirksamer sind als feste Zahlungen, da Menschen kleine Wahrscheinlichkeiten – wie die Chance als einer von 80.000 Mitarbeitern den Preis von 100.000 US-Dollar zu gewinnen – überbewerten.

Der Plan scheiterte jedoch krachend. Nachdem das Unternehmen die geplanten Änderungen an die Belegschaft kommuniziert hatte kam es zu einer heftigen Gegenreaktion, die dazu führte, dass United die Pläne schnell ad acta legte. Was lief also schief und was können wir daraus lernen?

Der wichtigste Schritt, den United versäumt hat: den Plan ohne vorherige Konsultation mit den Mitarbeitern bekanntzugeben. Man hätte eingehende Gespräche – durch Fokusgruppen oder Interviews – mit Arbeitnehmern führen sollen, um herauszufinden, wie sie über das vorgeschlagene Bonusprogramm denken. Die Verantwortlichen hätten verschiedene Ideen einschließlich des Lotterieprogramms testen können, dies hätte die negativen Reaktionen der Mitarbeiter vor der Einführung des Bonusprogramms offenbart.

Klingt einfach, nicht wahr? Das ist es auch: Je mehr Sie wissen, desto mehr können Sie Lösungen schaffen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprechen. Und das hilft Ihnen, Ihre Ziele zu erreichen, ob Sie nun der CEO, ein HR-Fachmann, ein Kommunikator, ein IT-Leiter oder jemand sind, der ein Programm oder eine Initiative leitet.

Weiterhin hatte die angestrebte Änderung des Bonussystems auch ganz praktische Schwächen. Unabhängig davon wie gut die Leistung einzelner Mitarbeiter oder Teams ist, wird die überwältigende Mehrheit keine Belohnung für ihre harte Arbeit sehen. Dieser grundlegende Fehler hätte nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch die Leistungsbereitschaft untergraben. Um dies zu vermeiden, hätte man die Lotterie so designen können, dass die Mitarbeiter und Teams, die bestimmte Kriterien erfüllen, ihre Chance auf einen Hauptgewinn steigern können.

Ein weiterer Konstruktionsfehler des neuen Modells war die Fokussierung auf den Einzelnen statt auf das Kollektiv. Es sendet auch die Botschaft aus, dass individueller Erfolg und in diesem Fall Glück, mehr zählt als kollektiver Erfolg. Mehrere Flugbegleiter und Kundenservice-Agenten wiesen darauf hin, dass das alte Bonussystem alle dazu ermutigte, zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Die neue Bonusstruktur hätte am Ende dazu führen können, dass potenziell unverdiente Mitarbeiter hohe Boni erhalten. Anstatt die Lotterie auf einzelne Mitarbeiter zuzuschneiden, hätte man Teams, die konstant gut performen, stärker berücksichtigen sollen.

Am Ende bieten alternative Anreize eine interessante Möglichkeit, Mitarbeiter zu motivieren und an den Arbeitgeber zu binden. Sie sollten sich jedoch genau überlegen, warum sie ein solches Modell einführen. Geht es Ihnen primär darum, Kosten zu sparen, sollten sie sich überlegen ob der Verlust an Vertrauen und abnehmender Mitarbeiterleistung nicht am Ende schwerer ins Gewicht fallen.

David Köngeter –  Junior Berater

 junokai

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