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Tipp KW 28 – 2019

Im Tipp der Woche KW18 – 2018 „Externe Vergütungsmodelle im Kundenservice“ haben wir bereits mögliche externe Vergütungsmodelle vorgestellt und deren Vor- und Nachteile kurz beschrieben. Heute möchten wir das Vergütungsmodell auf der Basis „Customer Base“ – zu deutsch „Kundenbestand“ detaillierter betrachten und beschreiben. 

Bei einem Vergütungsmodell auf der Basis „Customer Base“ erfolgt die Vergütung der Leistung nicht anhand der Anzahl der bearbeiteten Kontakte, sondern der Auftragnehmer erhält eine Vergütung, die sich an der Anzahl der Kunden bemisst. Sinkt der Kundenbestand, so sinkt die Vergütung und ebenso in die andere Richtung, steigt der Kundenbestand – steigt die Vergütung. Es spielt also keine Rolle wieviel Kunden tatsächlich den Kundenservice kontaktieren. Der Auftragnehmer hat somit ein großes Interesse, die Kontakte und die Kontaktrate zu reduzieren.

Für die Zusammenarbeit von Auftragnehmer und Auftraggeber gilt dabei, je intensiver und offener die Art und Weise der Zusammenarbeit vereinbart und letztendlich auch praktiziert wird, desto eher profitieren beide Seiten von diesem Modell, denn beide haben das gleiche Interesse. Beide wollen den Kundenbestand erhöhen, da mehr Kunden beiden Parteien mehr Umsatz bringen. Und für den Auftragnehmer gilt, je eher es ihm gelingt, die Kontaktrate zu reduzieren, desto attraktiver kann dieses Vergütungsmodell für ihn sein. Der Auftragnehmer hat somit ein großes Interesse, auch die Prozesse zu verbessern und über Wege der Kontaktvermeidung zum Beispiel Digitalisierung den Business Case für sich erfolgreich zu gestalten. 

Was gilt es nun zu beachten, damit das „Customer Base“ Vergütungsmodell für beide Parteien erfolgreich wird? 

Vor dem Start dieses Modells ist einiges an Vorarbeiten und Vorbereitungen durchzuführen. So ist der Kundenbestand sowie die historische Entwicklung der vergangenen Jahre und die dazugehörigen Kontaktraten und Bearbeitungszeiten durch den Auftraggeber darzustellen. Von Relevanz ist außerdem, wie die Entwicklung und das Verhältnis von Neukunden und Bestandskunden ist. Der Auftraggeber muss also sehr offen und transparent wichtige Daten seines Geschäftes preisgeben. Dazu gehören auch Qualitätskennzahlen, Lösungsquoten, Transferquoten, Anzahl Wiederholungsanrufer, Kundenwert, Customer Lifetime Value etc.

Der Auftraggeber muss also sehr gut seine relevanten Kennzahlen und Kosten im Allgemeinen sowie die Kosten pro Kunde kennen. Sind die Vorarbeiten – also vor allem Transparenz auf Auftraggeberseite – geschaffen, gilt es gemeinsam (Auftraggeber und Auftragnehmer) die Baseline-Werte für die zukünftige Abrechnung festzulegen. Dazu gehört natürlich der Kundenbestand, die Kontaktrate, Anteil Neu- zu Bestandskunden aber auch alle relevanten Qualitäts- und Performancewerte. Anhand der gemeinsam definierten Baseline wird festgelegt, wie hoch die Vergütung ist. Dabei sollten zwingend auch gleich die qualitativen Parameter über eine Bonus-/ Malus-Systematik definiert werden. Damit ist ausgeschlossen dass sich der Auftragnehmer einseitig zulasten der Qualität optimieren kann.   

Grundsätzlich kann man das Vergütungsmodell auf Basis der „Customer Base“ immer auch nur für bestimmte Kundengruppen anwenden. Zum Beispiel Geschäftskunden, Consumer-Kunden, Kunden mit bestimmten Produkten oder Kundenwerten etc. Dabei gilt es, sicherzustellen, dass die Transparenz der Zahlen und Daten jeweils auch auf die relevanten Kundengruppen herunter gebrochen werden kann. 

Sollte ein „Customer Base“ Modell nur auf einen Teil einer Kundenbasis angewendet werden, zum Beispiel alle B2B-Kunden oder Kunden mit einem bestimmten Kundenwert, bleiben die bestehenden IT-Systeme üblicherweise beim Auftraggeber. Wenn also Investitionen in die Prozesse notwendig sind – so müssen diese zu tätigenden Investitionen in IT und Prozesse ebenfalls Teil des Vergütungsmodells sein. Die Frage, die hier zu klären ist, bezieht sich vor allem darauf, wer von den Parteien wieviel der Kosten trägt? In welchem Umfang wirken sich die Veränderungen aufseiten des Auftragnehmers und des Auftraggebers aus? 

Interessant kann dieses Modell auch immer dann sein, wenn man neue Kundengruppen gewinnen will oder neue Produkte platzieren möchte, denn hier kann unter Umständen ein Auftragnehmer auf seine bestehenden Systeme und die IT-Infrastruktur zurückgreifen – so kann dann klar und eindeutig zwischen neu und alt unterschieden werden. Wobei hier der Auftragnehmer die Aufgabe hat, Transparenz in den Daten für die Vergütung herzustellen. 

Um für beide Seiten ein erfolgreiches Modell zu entwickeln, ist sehr viel Vorarbeit und Abstimmung notwendig – angefangen mit der Offenlegung von Zahlen und Daten (Kundenzahlen, Kundenwert, Kontaktraten, Bearbeitungszeiten, Qualitätswerten) bis hin zu Messmethoden, Prozessen, Kontaktkanälen und Systemen. Aus all diesen Parametern und Zahlen wird dann ein Business Case entwickelt, der regelt, nach welcher Logik der Erfolg und die Zielerreichung gemessen und vergütet werden soll.

Außerdem ist zu definieren, wie mit Abweichungen oder Einflüssen umzugehen ist, die nicht durch den Auftragnehmer beeinflussbar sind, jedoch Auswirkungen auf definierte Kennzahlen und Erfolgsfaktoren haben und damit auch auf den positiven oder negativen Erfolg des Projektes einzahlen. Das bedeutet auch, dass regelmäßig die angenommenen Baseline Werte des gemeinsam erstellen Business Cases überprüft und bei Bedarf justiert werden müssen.

Bei einem solchen Modell sind Vertragslaufzeiten von mindestens zwei bis fünf Jahren sinnvoll, abhängig des Invests und möglichen Amortisationszeiten.

Wann empfiehlt es sich für einen Auftraggeber, ein „Customer Base“ Modell anzuwenden? 

Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Vergütungsmodell auf Basis „Customer Base“ nur wirklich dann zu empfehlen ist, wenn der Auftraggeber bereits ein hohes Maß an Prozessqualität, Performance, IT-Systemen und IT-Unterstützung realisiert hat – sozusagen seine Kundenservice-Prozesse im Griff hat. 

Warum? Hat der Auftraggeber seine „Kundenservice-Prozess nicht im Griff“ besteht die Gefahr die „Absprungbasis“ – Also die Antwort auf die Frage: „Was kostet mich ein Kontakt?“, zu hoch anzusetzen. Was im Prinzip heißt: Der Auftraggeber zahlt zu viel für die Leistung. Für den Auftragnehmer kann es im Gegenzug dadurch ein Leichtes sein, schnell und ohne wenig Mühe die bereits offensichtlichen Schwächen, Fehler und Unzulänglichkeiten der Kundeservice-Prozesse als Prozessoptimierung umzusetzen und zu realisieren. Er würde ohne große Anstrengungen sogenannte „Low hanging Fruits“ kommerziell für sich realisieren können. Es ist deshalb zu empfehlen, dass sich der Auftraggeber Rat und Know How von außen hinzu holt und seine Daten und Prozesse überprüfen und bewerten lässt.

Diese Form der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist sinnvollerweise dann zu empfehlen, wenn beide partnerschaftlich agieren. Was bedeutet, jeder bringt optimal seine Kernkompetenz ein. Der Auftraggeber sollte also für sich die Frage, „Ist Kundenservice meine Kernkompetenz?“ oder anders formuliert „Bin ich in der Lage tatsächlich einen effizienten Kundenservice abzubilden?“ mit „Nein“ beantworten.  

Der Auftragnehmer bringt also hohe Kompetenzen und Erfahrungen in allen Belangen ein, die wichtig für die Erfolgsfaktoren des „Customer Base“ Vergütungsmodelles sind. Diese sind unter anderem: Konzepte zu Fehlervermeidung und proaktiver Kommunikation, Methoden und Modelle zur Steigerung der Erstlösungsquote, Kompetenzen zur Eliminierung von Transfers, Self-Service und Digitalisierungskonzepte, Erfahrung im Bereich Sales und „Sales in Service“ oder nachhaltige Methoden zur Steigerung der Produktivität und Auslastung. 

Wenn es an die konkrete Umsetzung eines solchen Modells geht, sollte man mit Vorlaufzeiten für die Vorbereitung und die Transitionphase von ca. 6-12 Monaten planen. Wichtig bei der Umsetzung ist es, dass ausreichende Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung stehen. Angefangen bei den Projektmanagern über Spezialisten aus den Bereichen Controlling, Reporting, Planung und Steuerung, Vertrieb, Prozessmanagement usw.

Zusammengefasst kann man sagen, dass mithilfe eines „Customer Base“ Vergütungsmodell nachhaltig der Kundenservice und die Kundenservice-Prozesse eines Auftraggebers verbessert werden können. Wegen der „langen“ vertraglichen Bindungen, die in der Regel mindestens zwei eher fünf Jahre währt, gilt es aber im Vorfeld intensiv alle relevanten Parameter, Daten und Kennzahlen transparent und verständlich aufzubereiten und darzustellen. Ist dies gegeben, so kann das Modell eine Win / Win Situation für Auftraggeber und Auftragnehmer werden, weil beide Partner partizipieren wenn sich der Kundenbestand erhöht und Kundenkontakte reduziert werden.

Das Modell wird umso erfolgreich, je intensiver die Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird.

Stefan Krankemann (Berater)
junokai

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