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Tipp KW 28 – 2018

Untersucht man im Rahmen einer Kundenservice-Kontaktgrundanalyse die Haupttreiber für einen aus einer negativen Kundenerfahrung resultierenden Kundenkontakt, stellt man fest, dass einer der größten Einflussfaktoren in der aus Kundensicht wahrgenommenen Falschberatung oder Falschinformation liegt.

Dieser Aspekt tritt insbesondere in Situationen zu Tage, bei denen Kunden eine vom Ist-Zustand abweichende Erwartungshaltung haben: Rechnungsbeträge übersteigen den ursprünglich angenommenen oder kommunizierten Rahmen, Lieferungen verzögern sich über ein erwartetes Zeitfenster hinaus, die Lösung eines technischen Problems lässt, trotz anders lautenden Zusagen, immer wieder auf sich warten, oder die angebotene bzw. zugesicherte Lösung zeigt keinerlei Effekt.

Geht man in die tiefere Analyse für diese Situation stellt man oftmals fest, dass hier ganz bestimmte Einflussfaktoren diese negative Kundenerfahrung verursachen:

– Der Vertriebsdruck wird im Kundenservice und Point-of-Sale permanent und stetig bis auf ein unrealistisches Niveau erhöht.

– Zur Kosteneinsparung werden Vorgaben für reduzierte Gesprächszeiten festgelegt und Mitarbeiter in erster Linie danach gesteuert und bewertet.

– Schlecht konzipierte und laufende Prozesse sind durch immer wieder gleiche Kundenanliegen auch den Mitarbeitern bekannt, werden aber nicht behoben.

– Geringe Mitarbeiter-Identifikation führt zu gesteigerter Fluktuation und damit permanentem Know-How Verlust, der mit hohen Rekrutierungs- und Schulungskosten einhergeht. Hinzu kommt die mangelnde Bereitschaft, bestimmte Arbeitsanweisungen zu befolgen.

Um hier entgegen zu wirken, werden Führungskräfte aufgefordert, ihre Mitarbeiter für ihre Tätigkeit neu zu begeistern und der firmeneigene Motivations-Medizinkasten wird herausgeholt, um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen. Es werden Vertriebs- oder Qualitätswettbewerbe initiiert, Prämien ausgesprochen, Charts oder Bildschirme mit Zielen und Erreichungsgrad gut sichtbar aufgestellt und die Mitarbeiter zum Arbeitsbeginn als auch in Einzelgesprächen auf die Ziele hingewiesen.

Die Wahrheit ist, dass sich Ihre Mitarbeiter als Ergebnis dann noch stärker den einfachsten Weg suchen genau diese Ziele zu erreichen:

– Kunden werden im Gespräch, um einen positiven Vertriebs-Abschluss zu erzielen, zusätzliche Kosten oder wegfallende Rabatte nach einer Testphase vorenthalten oder Kunden erhalten keine bedarfsgerechten Angebote, sondern nur diese mit generell die höheren Kosten oder Provisionen verbunden sind.

– Im Kundengespräch werden schnell unrealistische Lösungen angeboten, die zwar nicht das Problem für den Kunden lösen, aber ihn erstmal oberflächlich ruhig und zufrieden stellen sowie dazu verleiten sollen, etwaige Kunden-Zufriedenheitsumfragen im Anschluss an das Gespräch positiv zu beantworten.

– Unangenehme Gespräche werden verstärkt an andere Abteilungen oder Kollegen weitergeleitet.

Ein noch schwerer wiegender Effekt ist, dass dieses Verhalten dann zusätzlich noch durch Prämien, Preise aber auch Lob und Anerkennung sichtbar nach außen belohnt wird und sich dieses in ihrer Organisation als Best-Practice etabliert. Dies gilt in gleichem Maß auch für die jeweiligen Führungskräfte, die in einer gleichen Situation beim nächsten Mal auf Grund ihrer Erfahrung genau den gleichen Weg wieder vor- und einschlagen.

Um den Effekt weiter aufrecht zu erhalten, muss in der Zukunft aber auch hier die Dosis erhöht werden, damit die gewünschte Wirkung erreicht wird – ein sich selbst verstärkender Effekt.

Was dabei auf der Strecke bleibt ist offensichtlich: Ihre Kunden bleiben oder werden unzufrieden, kontaktieren Ihren Service immer wieder und zudem schwindet das Kundenvertrauen in das Unternehmen und dessen Produkte. Um hier eine positive und nachhaltige Verbesserung zu schaffen, lohnt es sich einen ganzheitlichen Ansatz zu fahren:

1. Prüfen Sie die Qualität der Ergebnisse auf Basis Ihrer Zielvorgaben

Eine Fokussierung auf geringere Bearbeitungszeit und die damit eingesparten Kosten kann im Gegenzug kontraproduktiv sein, wenn aus diesem Grund Folgekontakte entstehen. Ebenso können auf Overselling basierende Vertriebsergebnisse schnell zu höheren Stornoquoten oder gesteigertem Churn führen. Eine übergreifende Betrachtung und Analyse von Abhängigkeiten und Effekten ist daher wichtig um zu ermitteln, ob die aktuellen Ziele und Vorgaben tatsächlich Mehrwert schaffen.

2. Definieren und steuern Sie auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ziele

Kurzfristige Kunden-Zufriedenheitsumfragen unmittelbar nach einem Anruf haben nur eine sehr eingeschränkte Aussagefähigkeit zur Qualität des Gesprächs. Ergänzen Sie diese Ergebnisse mit der Anzahl von Folgekontakten oder der Lösungsquote nach einem Zeitpunkt X nach erfolgtem Kundenkontakt. Wichtig dabei: Machen Sie den Mitarbeitern die Abhängigkeiten der Kennzahlen transparent und erläutern Sie, warum die Auswahl und Steuerung gerade auf diese Kennzahl erfolgt und diese wichtig ist.

3. Schaffen Sie Transparenz nach innen und außen

Schaffen Sie permanente Information und Transparenz in der auf die aktuelle Situation bezogenen Prozess-Landschaft. Wenn zum Beispiel bekannte Logistikthemen die Verarbeitung oder Lieferung einer Bestellung verzögern, müssen diese Informationen proaktiv an Mitarbeiter und betroffene Kunden gehen um für realistische Erwartungen auf Kundenseite zu sorgen. Informieren Sie die Mitarbeiter regelmäßig über den Fortschritt bzw. das was den Kunden mitgeteilt werden kann und welche Alternativ- oder Kompensationsmöglichkeiten existieren.

4. Beteiligen Sie den Kundenservice in der Prozessverbesserung zur Zielerreichung

Binden Sie die Mitarbeiter bei der Ermittlung von Prozessfehlern und deren Lösungsfindung ein und schaffen Sie eine Plattform, in der Anliegen aus Kundenservice-Sicht adressiert und angegangen werden können. Lassen Sie zudem die Mitarbeiter an nachhaltigen Erfolgen partizipieren indem Sie beispielsweise die gesparten Kosten nach X Monaten durch eine reduzierte Anzahl an Re-Kontakten anteilig an die Mitarbeiter auszuzahlen.

Wenn Sie diese Punkte berücksichtigen, werden Sie gleichzeitig sich gegenseitig verstärkende Effekte schaffen, die auch ohne kurzfristige Sonderaktionen für kurzfristige Effekte auskommen und nachhaltig die Mitarbeitermotivation steigern.

Gleichzeitig stärken Sie das Kundenvertrauen in das Produkt und Unternehmen und legen die Basis für ein stabiles Wachstum.

„Worte sind gut, sie sind aber nicht das Beste. Das Beste wird nicht deutlich durch Worte. Der Geist, aus dem wir handeln, ist das Höchste“ (Quelle: Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/6. 7. Buch, Kap. 9)

-Carlos Carvalho (Berater)
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