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Tipp KW 26 – 2020

Denken Sie an die Piloten

Ich spreche gerne in Bildern, in Gleichnissen. Denn ich glaube, dass auf diese Art Zusammenhänge, Abhängigkeiten und komplexe Themen einfach und nachvollziehbar dargestellt werden können. Heute möchte ich gerne wieder einmal so ein Bild mit Ihnen teilen.

Ich nehme Sie mit auf eine Reise nach Monaco, zum Formel 1 Grand Prix 1984. Der traditionsreiche Circuit de Monaco ist die anspruchsvollste Strecke im Formel 1 Kalender. Der Kurs durch die Straßen des Fürstentums ist eng und winkelig, es gibt keinerlei Auslaufzonen, dafür aber 18 Kurven. Während des 78 Runden langen Rennens müssen die Piloten über 4.000 mal schalten. Überholen ist quasi unmöglich.

Es ist gut, den schnellsten Rennwagen zu haben

In der Formel 1 Saison 1984 sind die Favoriten klar: Alain Prost und Niki Lauda auf McLaren-Porsche haben das mit Abstand schnellste Auto mit dem besten Motor und dem besten Chassis. Aber auch Ferrari, Lotus-Renault, Williams-Honda und Brabham-BMW gehören zum Favoritenkreis. Diese Teams haben Werksunterstützung und hohe Budgets, und sind den kleinen Privatteams, wie z.B. Toleman, Arrows, ATS oder Tyrrell, technologisch weit überlegen.

Im Kundenservice und vor allem in den zur Unterstützung verwendeten Systemen und Technologien ist der Wandel die Konstante. Unsere tägliche Arbeit bei unseren Kunden dreht sich immer wieder auch um die Einführung neuer, moderner Kommunikationstechnologien. Die Möglichkeiten, die uns beispielsweise Spracherkennung und Sprachanalyse, Digital Agents, Robotics oder KI bieten, sind spannend und zukunftsweisend. Ein intuitiv bedienbares und gut gepflegtes Wissensmanagement-Tool ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Arbeit Ihrer Agents. Der gezielte Einsatz solcher Systeme wird Kontakte reduzieren, Kosten senken, und nicht zuletzt Kunden und Mitarbeiter zufriedener machen.

Diese Technologien sind natürlich meist nicht ganz billig. Je nach Größenordnung eines Projekts sprechen wir in der Summe von Anschaffungs-, Lizenz-, Implementierungs- und Wartungskosten oft von sechs- oder siebenstelligen Beträgen. Gut angelegtes Geld, denn bei richtiger Anwendung kann ein sollständiger ROI in vielen Fällen in wenigen Monaten erreicht werden.

Doch der beste Rennwagen nützt nichts ohne fähige Piloten

Am 3. Juni 1984 regnet es den ganzen Tag, die Strecke in Monaco ist noch schwieriger als sonst. Der Grand Prix ist chaotisch, viele Favoriten und Fahrer von Top-Teams scheiden nach Unfällen aus. Am Ende gewinnt nach Rennabbruch Alain Prost auf McLaren (er wird am Saisonende WM-Zweiter hinter seinem Teamkollegen Niki Lauda). Doch das ist nicht das Besondere an diesem Tag.

Denn zwei talentierte und engagierte junge Männer, zwei Rookies in ihrer jeweils ersten Formel 1 Saison, stehlen den Etablierten die Show: Ayrton Senna aus Brasilien und Stefan Bellof aus Gießen. Senna wird im unterlegenen Toleman nach Startplatz 13 sensationeller Zweiter und fährt die schnellste Rennrunde. Bellofs Leistung ist vielleicht noch bemerkenswerter: Er muss mit seinem Tyrrell (dem langsamsten Auto im Feld) vom 20. und letzten Startplatz ins Rennen gehen, fährt im strömenden Regen zeitweise schneller als Alain Prost und Ayrton Senna, und wird knapp hinter Senna Dritter.

Dieses Rennen ist ein Musterbeispiel dafür, dass Talent, Können und Engagement mindestens genauso wertvoll sind wie eine überlegene Technologie. 

Implementierungsprojekte beschäftigen sich meist intensiv mit der Technologie selbst, aber auch mit den zugrundeliegenden Geschäftsprozessen. Für As-Is-Analysen, To-Be-Zielbilddefinitionen, Schnittstellenbeschreibungen, Implementierungs-Roadmaps oder für umfangreiche Analysen von Kosten und ROI-Potenzialen wird viel Energie und Zeit aufgewendet. Und das ist gut so, denn nur so führen Sie solche Projekte zum Erfolg.

Wir beobachten in der Praxis aber leider auch immer wieder, dass ein wichtiger Erfolgsfaktor während der oft monatelangen Implementierungen übersehen wird – oder dass ihm nicht die Wichtigkeit beigemessen wird, die er eigentlich haben müsste: Der Mensch.

Gemeint sind die Bediener und Benutzer der gerade implementierten Technologie. Sie sind oft der leicht übersehene, aber entscheidende Teil, der zum Erfolg oder Misserfolg einer neuen Technologie beiträgt. Legen Sie Ihren Fokus darauf, die Schlüsselressource Mensch bewusst einzubinden, und denken Sie hier sowohl an Skills bzw. Fähigkeiten als auch an Commitment und Motivation.

Ersteres ist eine Frage von sinnvollen, zielgerichteten Trainings und Schulungen. Letzteres erreichen Sie mit offener Kommunikation, mit Erklärungen, mit Einbindung und Beteiligung. Denn das beste und modernste Tool nützt Ihnen nichts, wenn es von den Benutzern nicht sinnvoll eingesetzt wird, wenn es von denjenigen, die es konfigurieren und warten nicht zielgerichtet und mit Know-how und Übersicht gepflegt wird.

Machen Sie Ihre Mitarbeiter zu den besten Piloten im besten Auto

Ein Beispiel: Wissensmanagement-Tools funktionieren dann am besten, wenn die Inhalte so aufbereitet sind, dass die Agents sie schnell, einfach und intuitiv nutzen können. Beim Gestalten der Struktur und noch mehr beim Erstellen der einzelnen Artikel braucht es dazu neben inhaltlichen und prozessualen Kenntnissen vor allem didaktische und redaktionelle Fähigkeiten – also etwas, was Lehrer und Trainer auszeichnet, Journalisten und Autoren. Wenn Ihre Mitarbeiter, die das Tool füllen und pflegen sollen, diese Kenntnisse nicht haben (was oft der Fall ist), schicken Sie sie auf eine passende Schulung, sonst verschenken Sie wertvolle Potenziale Ihres neuen Tools.

Diese Gedanken lassen sich analog auf nahezu alle anderen Technologien anwenden. Die für Ihr Voiceportal mit Spracherkennung verantwortlichen Mitarbeiter sollten mindestens Grundkenntnisse in Kommunikation und Linguistik haben und keine reinen Techniker sein. Dasselbe gilt zum Beispiel auch bei der Einführung von Sprachdialogsystemen wie Digital Agents. Hier sind neben den rein technischen Skills vor allem Kenntnisse über Sprache und Kommunikation wichtig. Und nicht zuletzt, bei jedem Projekt: Es ist für alle Beteiligten, auch und gerade für die Nutzer (also oft die Agents), wichtig zu verstehen, warum ein Tool eingeführt wird und was konkret der (persönliche) Nutzen ist, beziehungsweise der, für den Kunden.

Nehmen Sie sich also die Zeit für Schulungen und Erklärungen. Denken Sie daran, dass ein hervorragender und engagierter Fahrer auch mit einem unterlegen Wagen schneller sein kann als andere im besseren Auto. Reduzieren Sie eine Technologie nicht auf die Technologie selbst. Letztlich wollen Sie ja beides: Die beste, für Sie sinnvollste Technologie und die Mitarbeiter, die bestmöglich damit umgehen.

In der Saison 1984 schließt Ayrton Senna auf Platz 9 der WM-Rangliste ab. Sein Toleman war auf lange Sicht einfach nicht konkurrenzfähig. Er konnte sein Talent nur dort wirklich mit Erfolg einsetzen, wo es mehr auf Können als auf Motorleistung ankam.

Doch 1989, inzwischen bei McLaren-Honda (und mit diesem Team 1988 schon erstmals Weltmeister geworden), beweist Senna noch einmal deutlich den Unterschied: Im Training zum Monaco-Grand-Prix sitzen er und sein Teamkollege Alain Prost in den mit Abstand besten Autos des Feldes. Senna distanziert im Qualifying zur Startaufstellung seinen Teamkollegen Alain Prost auf dem engen und winkligen Kurs um über eine Sekunde – eine halbe Welt.

Das beste Auto zusammen mit dem besten Fahrer ist eben immer die stärkste Kombination …

Gerhard Klose – Senior Berater

 junokai

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