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Tipp KW 24 – 2021

 Falle Survivorship Bias

In diesem Tipp der Woche nehme ich Sie mit auf eine Reise in die dunkle Vergangenheit. Vor ein wenig mehr als 80 Jahren, mitten im Zweiten Weltkrieg, sahen sich die Forscher am US-amerikanischen Center for Naval Analysis mit der Lösung eines kriegsentscheidenden Problems konfrontiert: Bei Einsätzen über den von Nazi-Deutschland kontrollierten Gebieten erlitten die Kampfflugzeuge der Alliierten hohe Verluste. 

Was also tun? Um die Flugzeuge widerstandsfähiger gegen feindliche Jäger und Flakgeschütze zu machen, könnte man einfach die Panzerung verstärken. Eine großflächige Verstärkung der Panzerung macht die Flugzeuge jedoch schwerer und verringert somit die Manövrierfähigkeit, erhöht den Treibstoffverbrauch und reduziert die Reichweite.

Die Herausforderung bestand also darin, die Panzerung der gezielt zu verstärken, um die Überlebenschancen der Bomber zu erhöhen und gleichzeitig das Gewicht in einem akzeptablen Rahmen zu halten. 

Welche Bereiche des Flugzeugs sollte man also verstärken? Zur Beantwortung dieser Frage sahen sich die Analysten die Flugzeuge an, die erfolgreich aus dem Kampfeinsatz zurückkehrten. Bei ihrer Auswertung stellten sie fest, dass die Einschusslöcher nicht gleichmäßig verteilt waren. So befand sich ein Großteil der Einschusslöcher im Rumpf und den Tragflächen, wohingegen die Motoren und das Cockpit kaum Einschusslöcher aufwiesen.

Basierend auf diesem Befund kam das US-Militär zu dem Schluss, dass es am effizientesten wäre, die Panzerung der Flugzeuge an den Stellen zu verstärken, an denen die meisten Einschusslöcher zu finden waren. Auf den ersten Blick erscheint diese Schlussfolgerung einleuchtend. Wenn man die Panzerung der Flugzeuge am Rumpf und den Tragflächen verstärkt, an denen ein Großteil der Einschusslöcher aufzuwinden war, sollte dies die Verluste minimieren.

Abraham Wald, ein Statistiker, war da anderer Meinung. Er meinte, man sollte das Cockpit, die Motoren und die Flugzeugmitte besser panzern. Warum aber diese Bereiche besser panzern? Schließlich wurden an diesen Stellen nur äußerst selten Einschusslöcher aufgefunden.

Mr. Wald erkannte, was die anderen übersahen. Die Flugzeuge wurden auch dort auch an den Motoren, am Cockpit und am Heck getroffen, stürzten aber infolgedessen ab. Die Datenbasis und folglich auch die Analyse waren also insofern verzerrt, als dass sie nur die zurückkehrenden Flugzeuge (survivors) betrachtete.

Dank Walds Analyse wurden Cockpit, Motoren und Heckpanzerung der Bomber verstärkt, mit dem Ergebnis, dass die Alliierten weniger Abschüsse und Todesopfer zu beklagen hatten. Die Analyse erwies sich als so nützlich, dass sie das Design von Militärflugzeugen bis zum Vietnamkrieg beeinflusste.

Diese Geschichte ist ein anschauliches Beispiel für den Survivorship Bias. Der Survivor Bias ist eine kognitive Verzerrung, die daher rührt, dass man erfolgreiche Zustände (survivors; in diesem Beispiel die zurückkehrenden Flugzeuge) stärker beachtet als nicht erfolgreiche (in diesem Fall die Flugzeuge, die es nicht zurückgeschafft haben).

Jetzt mögen Sie denken ‚ist ja eine nette Geschichte, aber wo ist die praktische Relevanz für mich und mein Unternehmen?‘. Nun der Survivorship Bias ist tatsächlich weit verbreiteter, als man denken mag. Ein Beispiel aus der jüngeren Finanzbranche ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, die für einen neuen Fonds wirbt, der seit Jahresbeginn über 70 Prozent Rendite erzielt hat. Was die Fondsgesellschaft den Investoren jedoch verschweigt, ist, dass die anderen Fonds, die im ersten Jahr unterdurchschnittliche Renditen eingefahren haben, eingestellt wurden und somit nicht mehr betrachtet werden. Investoren, die auf der Grundlage der vergangenen Rendite in den neuen Fonds investieren, fallen dem Survivorship Bias zum Opfer, da sie nur die Performance des einen bislang erfolgreichen Fonds betrachten und die anderen bei ihrer Entscheidung unberücksichtigt lassen.

Was kann man also tun, um nicht in die Falle Suvivorship Bias zu tappen? Ein Ansatz wäre es, sich darüber klar zu werden, dass die Übernahme von Methoden erfolgreicher Menschen oder Unternehmen Sie und Ihr Unternehmen höchstwahrscheinlich nicht erfolgreicher macht. Statt nach dem Patentrezept des Erfolgs zu suchen, sollten Sie lieber von denjenigen lernen, die es nicht geschafft haben.

David Köngeter –  Berater

 junokai

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