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Tipp KW 24 – 2016

Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Projekt zur Optimierung der Bearbeitungszeit von E-Mails durchführen. Wann beginnt der Bearbeitungsprozess dieser E-Mails:

  • Mit dem Abschicken der E-Mail durch den Kunden,
  • Mit dem Eintreffen der E-Mail auf dem E-Mail-Server, oder
  • Mit dem Öffnen der E-Mail durch den Kundenbetreuer?

Je nachdem, wie Sie diese Frage beantworten, werden Inhalt und Grenzen Ihres Optimierungsprojektes ganz andere sein. Die Beschreibung eines Prozesses ist meist abhängig von der persönlichen Wahrnehmung oder dem vorliegenden Informationsstand. Je mehr Personen an Ihrem Projekt beteiligt sind, umso mehr unterschiedliche Antworten können Sie somit auf diese Frage erhalten.

Dieses einfache Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, vor dem Start eines Optimierungsprojektes ein gemeinsames Verständnis zum betreffenden IST-Prozess zu schaffen. Das klingt simpel und wird deswegen fälschlicherweise häufig als Voraussetzung angenommen, darf aber genau aus diesem Grund nicht vernachlässigt werden.

Ein Tool, zur Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses für den im Fokus stehenden Prozess, ist der SIPOC. Dieser wurde ursprünglich im Rahmen der Six Sigma Methodik entwickelt, kann aber auch losgelöst davon, im Projektmanagement verwendet werden. Der SIPOC stellt keine detaillierte Prozessanalyse dar, in der jeder einzelne Prozessschritt aufgelistet und analysiert wird. Es handelt sich vielmehr um eine Prozessdarstellung aus der Hubschrauberperspektive.

Die Bezeichnung SIPOC beinhaltet dabei die einzelnen Bestandteile dieser Darstellungsform:

S –          Supplier (Wer stellt die Eingangsfaktoren zur Verfügung? – Zulieferer können z. B.  Unternehmen, Systeme, Personen oder sonstige Quellen für Materialien, Daten oder Ressourcen sein.)

I –           Input (Welche Eingangsfaktoren sind notwendig, um den Prozess durchführen zu können? – Bei den Eingangsfaktoren kann es sich z. B. um Materialien oder Daten handeln, die vom Zulieferer bereitgestellt und im Prozess entweder verbraucht oder weiterverarbeitet werden.)

P –         Process (Wie sieht der Prozess aus? – Der Prozess zeigt die Schritt-für-Schritt Verarbeitung von Input zu Output auf.)

O –         Output (Was ist das erwartete Ergebnis? – Bei dem Ergebnis kann es sich z. B. um Produkte oder Dienstleistungen handeln, die vom Kunden verwendet werden.)

C        Customer (Wer ist der Kunde? / Für wen wird das Ergebnis produziert? – Kunden können z. B. Unternehmen, Systeme, Personen oder nachgelagerte Prozesse sein, für die der Output des Prozesses bestimmt ist.)

Zuerst sollten Sie den Prozess, inklusive Start- und Endpunkt, definieren. Es empfiehlt sich, so lange im Team zu diskutieren und argumentieren, bis Sie ihre Diskussion auf 5 bis 7 relevante Prozessschritte konzentriert haben. Die Schritte sollten mit Substantiv und Verb in aktiver Form beschrieben sein. Anschließend können Sie entweder zuerst Output und Customer, oder Input und Supplier definieren. Je nachdem welche Reihenfolge Sie wählen, ergeben sich 2 unterschiedliche Herangehensweise:

P-O-C-I-S oder P-I-S-O-C.

Wenden wir die soeben vorgestellte SIPOC-Methode und Herangehensweise auf unser Beispiel der E-Mail-Bearbeitung an, könnte sich folgendes Bild ergeben:

  1. Prozess definieren (P – Process):

Start: Die E-Mail wurde vom Bearbeiter aufgerufen

Schritt 1: E-Mail lesen

Schritt 2: Kundenanliegen bearbeiten

Schritt 3: Antwort verfassen

Schritt 4: E-Mail Korrektur lesen

Schritt 5: E-Mail an Kunden senden

Ende: Die E-Mail ist versendet

  1. Prozesseingang definieren (I – Input): Die unbearbeitete E-Mail.
  2. Zulieferer definieren (S – Supplier): Kunde, der die E-Mail an den Kundenservice sendet.
  3. Prozessergebnis definieren (O – Output): Die bearbeitete E-Mail.
  4. Kunde definieren (C – Customer): Kunde, der die E-Mail an den Kundenservice gesendet hat. Customer und Supplier sind in diesem Fall eine Person.

Die SIPOC-Methode lässt sich in zahlreichen, unterschiedlichen Formen visualisieren. So eignet sich zum Beispiel eine Darstellung in Excel, handgeschrieben auf einem Flip-Chart oder unter Verwendung von Post-It-Zetteln. Dabei übernehmen Sie die einzelnen Bestandteile des SIPOC am besten als Spaltenüberschriften und ordnen die Inhalten jeweils darunter an.

Die Vorgehensweise klingt trivial. Dennoch zeigt sich in der Praxis immer wieder, wie wichtig und auch schwierig ein SIPOC sein kann. Im weiteren Verlauf des Projektes kann der SIPOC als Basis für ein detailliertes Prozessflussdiagramm dienen.

– Sophie Gießler (Junior Beraterin)
junokai

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