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Tipp KW 23 – 2018

Begeben Sie sich in folgendes Szenario: Paul und Luca, 11 und 14 Jahre alt, bekommen eine Kassette in die Hand und werden gefragt, wie sie damit Musik hören könnten. Intuitiv halten sie sich „das Ding“ ans Ohr, suchen den Eingang für die Kopfhörer oder den Anschlussstecker für den Fernseher. Eine ihrer Antworten lautet, man könne die Kassette an den TV anschließen und dann durch die beiden Löcher in der Kassette als eine Art Brille die Musikvideos streamen.1 Welche Gedanken gehen Ihnen während dieses Szenarios durch den Kopf? Kennen Sie das ggf. aus Ihrem Umfeld oder sind Ihnen die möglichen Reaktionen von Paul und Luca fremd? Und was bedeutet das für Unternehmen, die vor der Herausforderung stehen, dass Paul und Luca ihre zukünftigen Kunden sind bzw. wenn nicht Paul und Luca, dann vielleicht Lilly, 13 Jahre alt, die der größte Fan von lisaandlena ist. Sie verstehen nur Bahnhof? Herzlich Willkommen in der Herausforderung! Lesen Sie einfach weiter.

Vertreter der Generation Z sind im Allgemeinen zwischen 2000 und 2015 geboren, andere Quellen zählen auch die Geburtsjahrgänge ab 1995 dazu. Paul, Luca und Lilly gehören also alle 3 dazu. Geprägt ist diese Generation durch eine selbstverständliche digitale Prägung. Aufgewachsen sind sie mit Touchscreens, Pads und Flatrate – und damit meine ich keine Inklusiv-Minuten. Damit bildet die Generation Z schon die zweite Ebene der Digital Natives und hat an Unternehmen noch einmal völlig neue Anforderungen hinsichtlich Konsum- und Kommunikationsverhalten, als ihre Vorgänger-Generation. Und sind wir doch mal ehrlich: Scheinen die Unternehmen nicht schon mit deren digitalen Anforderungen (Stichwort WhatsApp, Facebook oder überhaupt mobile) überfordert zu sein – oder wann haben Sie zuletzt versucht, eine Platzreservierung über die Bahn-App zu buchen und konnten den Bestätigungsbutton nicht drücken, weil er unten auf Ihrem Smartphone-Screen „abgeschnitten“ ist – Treffer?

Zurück zur größeren Herausforderung. Warum können sich Paul und Luca nicht vorstellen, dass sie sozusagen mit der Kassette Musik in den Händen halten? Eine Erklärung wäre, dass die Generation Z im Bewusstsein des „Nutzen statt Besitzen“-Prinzips aufgewachsen ist.2 In ihrer Realität wird Musik gestreamt. Niemand hat Musik physisch im Regal stehen, sie ist immer und überall verfügbar. Das muss auch so sein, wie sonst ist man in der Lage, genau den Song zu hören, der gerade auf Insta (also der Social-Community Plattform Instagram) geliked (viele Daumen nach oben – bzw. sind es bei Insta Herzen) wird. Damit sind wir beim zweiten Phänomen der Generation Z, auf das sich Unternehmen einstellen müssen. Lilly, Paul und Luca lassen sich bei ihren Konsumentscheidungen beeinflussen, und zwar eher von Bloggern und Influencern (Sie dürfen googeln) als von ihren Eltern (die ihnen wohl das Taschengeld für den Konsum zahlen) oder sogenannten „traditionellen“ Medien (Sie wissen schon).3 Das bringt uns zu lisaandlena. Zwei 16-jährige Influencerinnen, die mit eigenen Clips zu Songs auf dem Portal musical.ly Starruhm erreicht haben (knapp 30 Mio. Fans). Da die Generation Z sozusagen Omni-Social-Plattform unterwegs ist, haben lisaandlena auch Profile bei Twitter, YouTube und natürlich Instagram (knapp 13 Mio. Abonnenten – auch hier Tendenz täglich steigend). Was machen die beiden auf ihrem Instagram-Profil? Sie teilen neben ihren Videos vor allem sich selbst, und damit ganz selbstverständlich auch die Klamotten, die sie tragen, die Produkte, die sie verwenden und das Leben, was sie leben. Und was bedeutet das für Lilly? Sie vertraut ihren beiden Idolen und trifft die Konsumentscheidungen, die ihr (unterschwellig) empfohlen werden.

Nehmen wir an Lilly möchte sich denselben Sneaker kaufen, den lisaandlena in ihrem letzten Clip (selbstverständlich rein zufällig) getragen haben. Wird Lilly dazu googeln wollen, dann auf einen Online-Shop stoßen und bei Fragen zu Produkt und Bestellung eine E-Mail schreiben oder gar anrufen? Eher nicht! Die optimale Kundenreise aus Lillys Sicht wird eher so aussehen: Lilly sieht Sneaker in einer Instagram-Story, sie klickt den ihr angebotenen Shoppingbutton direkt in dem Clip, den sie sieht, gelangt darüber im Online-Shop auf die Produktauswahlseite, kann ihre Größe auswählen oder idealerweise wird ihr mobil ein Chatbot angeboten, der sie durch den Bestellprozess führt (nicht mehr als 3 Klicks). Ihre Bestellbestätigung erhält sie per WhatsApp, denn ihre Generation wird keine E-Mails mehr lesen. Bei Fragen zur Bestellung schickt sie über WhatsApp eine Sprachnachricht, bei möglichen Reklamationen erwartet sie, dass sie direkt per Facetime mit dem Unternehmen kommunizieren kann, um den Schaden an ihren Sneakern zu zeigen. Oder sie bittet Alexa, den Retoureprozess durchzuführen.

Lillys Kundenreise zeigt sehr deutlich die Anforderungen der Generation Z an die Kundenkommunikation:

  • Die Generation Z wird jeden Kanal nutzen, der gerade verfügbar, passend und einfach ist, um Kontakt aufzunehmen. Sie setzt voraus, dass Unternehmen alle diese Kanäle bidirektional anbieten. Der Telefonkanal wird für diese Generation kaum mehr eine Rolle spielen.
  • Zunehmend wird die Generation Z auch nicht mehr schreiben, sie sendet Sprachnachrichten. Und wenn sie schreiben, dann fragmentiert, ohne Bezug auf vorangegangenes, geschweige denn förmliche Grußformeln. Das möchten sie auch nicht in Antworten lesen.
  • Sie erwarten, dass die Kommunikation mit Unternehmen genauso funktioniert, wie ihre Kommunikation im Alltag. Selbstverständlich mobil.
  • Ihr ist es egal, ob sie mit Robotern spricht, oder Menschen, auch egal in welchem Akzent oder Dialekt, das schnelle zufriedenstellende Ergebnis zählt.
  • Wertschätzung und Geltungsdrang spielen insofern eine Rolle, als dass die Generation Z mit ihren Eigenheiten ernst genommen werden möchte, und das mehr, als die Generationen vor ihr. Das spielt in der Kommunikation mit dem Unternehmen eine entscheidende Rolle. Sie legt Wert auf individuellen Austausch.

Sie denken jetzt vielleicht, dass Sie ja Glück haben, keine Sneaker für 13-jährige Generation Z’ettler im Angebot zu haben, und all solche Herausforderungen Sie nicht treffen. Aber es wird kommen. Lilly, Paul und Luca wachsen in der Selbstverständlichkeit ihrer Kommunikationskanäle, ihres Konsum- und Kommunikationsverhaltens auf und auch, wenn sie alt genug sind, mit Energieversorgern und Banken Kontakt aufnehmen zu wollen (müssen), werden sie auf ihre prägenden Standards nicht verzichten. Sie suchen sich also genau das Unternehmen, was ihnen die Convenience bietet, denn auf Marken und Tradition vertraut die Generation Z nicht mehr.

Die gute Nachricht ist, dass die meisten Unternehmen noch etwas Zeit haben, sich auf die vermeintlich neue Welt einzustellen. Starten Sie jetzt – richten Sie Prozesse, Abläufe, Menschen, Kultur und Infrastruktur frühzeitig auch daran aus. Einen Lösungsansatz, Ihre Kundenservice-Technologie fit für die Zukunft zu machen, und damit auch Veränderungsprozesse in Abläufen und Kultur anzustoßen, beschreibt mein Kollege Sven Beiling in der aktuellen Ausgabe des Magazins INTRE: „UNSICHERHEIT UM NEUE TECHNOLOGIEN IM KUNDENSERVICE –EIN LÖSUNGSANSATZ.“ Dann haben Sie vielleicht auch eine Grundlage für die Anforderungen der Generation AA – oder wie auch immer die Folgegeneration der Z’ettler heißen mag.4

– Sofie Schneider (Beraterin)
junokai

 

1 „What are Cassette Tapes?”
Ein Video eines britischen Dads, der seinen Kindern genau diese Frage stellt. Die Antworten werden Sie generationenübergreifend erstaunen.
2 „Selbstbewusster, technikaffiner, verwöhnter“
3 „Die Kunden der Zukunft: wollen Personalisierung und Vertrauen“
4 Dieser Tipp der Woche ist inspiriert von einer Keynote des Autors und Social Media Marketing Experten Felix Beilharz

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