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Tipp KW 2 – 2020

Digitalisierung und AI im Voice Kanal – Vergessen Sie nicht die Basics

Waren Digitalisierung, Automatisierung und KI bislang Schwerpunktthemen digitaler Kanäle, nimmt deren Einsatz nun auch in den Voice Kanälen stetig zu.

Es gibt im Markt kaum eine IVR, die nicht zumindest über eine einfache Spracherkennung von Schlüsselworten im Kundendialog arbeitet. Auf der anderen Seite werden immer mehr Entwicklungen vorangetrieben, die insbesondere mit Datenmodellen und KI in der IVR proaktive Problemerkennung und –Adressierung sowie über Profiling maßgeschneiderte Sales-Angebote und Lösungen anbieten können.

Was in dieser Euphorie allerdings gerne übersehen wird, ist, dass hierfür eine solide Basis benötigt wird und eine Implementierung auch nur damit sinnvoll d.h. wertschöpfend ist, wenn diese Grundlagen geschaffen sind. Mit diesem Tipp der Woche möchte ich gemeinsam mit Ihnen einen Blick auf einige dieser Basics und Voraussetzungen legen:

  1. Daten, Daten, Daten

Auch wenn es vielleicht trivial klingt: Ohne eine vernünftige d.h. auch nutzbare Datenbasis kann eine KI nichts anfangen. Hierbei geht es aber nicht nur um die Art und Menge der Daten, sondern auch um das Format, die Struktur, Datenkonsistenz und vor allem, in welcher Aktualität und nach welchem Datenmodell diese Vorliegen. Basis jeder KI sind sogenannte Micro-Services, welche auf Prediction-Rules und Decision-Engines aufbauen und für die – genau – die Daten in möglichst nutzbarer Form benötigt werden. Die Erfahrung zeigt, dass gerade in Daten und derer Aktualität das Erfolgskriterium für einen positiven KI Einsatz stehen, aber genau hier Gaps entstehen. 

Interessant zu wissen ist auch: Ein mittelmäßiger Algorithmus mit vielen Daten schlägt in der Regel einen starken Algorithmus mit wenig Daten.

Machen Sie sich also bewusst, welche Datenbasis aktuell und strukturiert vorhanden ist und insbesondere welches Datenmodell sinnvoll genutzt werden kann, um daraus eine KI mit dem notwendigen Wissen und Entscheidungen zu füttern.

  1. Datenschutz, Opt-In und Consent Management

Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Kunde ruft an und kann sich in der Hotline nicht authentifizieren, weil er sein persönliches Kundenkennwort oder Kennzahl nicht verfügbar hat. Ein typischer Regelprozess ist nun, dass der Mitarbeiter, sofern im Prozess vorgesehen, am Telefon eine Authentifizierung über Eckdaten (Adresse, Geburtsdatum, letzte Ziffern der IBAN, etc.) vornimmt. 

In einem digitalen Kundendialog – und das ist ein Kontakt analog zum Chat auch in der IVR bis zum Transfer zu einem Agenten – kann eine derartige Authentifizierung über Eckdaten rechtlich problematisch werden, denn für eine Abfrage in dieser Form muss der Kunde im Vorfeld sein Consent geben. Schließlich gleichen Sie Kundendaten mit anderen Eck-Kontrolldaten ab und Ihnen fehlen logische Indikatoren wie z.B. dass ein männlicher Anrufer sich mit Credentials einer weiblichen Kundin am Telefon meldet. Zudem muss der Kunde im Vorfeld rechtlich die Möglichkeit haben, einzelnen Verarbeitungskomponenten auch im Sinne eines Profiling zu widersprechen. Eng damit verknüpft sind auch weitere rechtliche Hürden, wie die nahenden ePrivacy-Verordnungen, die teilweise mit hohen Strafen bei Zuwiderhandlung verbunden sind. 

Ohne eine hohe Anrufer-Identifizierungs- und vor allem -Authentifizierungsquote stehen Ihnen nur sehr begrenzte Möglichkeiten für Self-Services und auch KI Support Services zur Verfügung. Und wenn Sie an dieser Stelle bereits Optionen einer biometrischen Authentifizierung wie Stimme vorgesehen haben, können sie auch dieses Thema mit integrieren.

Ergo: Um das Potenzial einer KI in der Hotline optimal auszuschöpfen muss definiert werden, wie ein effizientes und rechtlich abgesichertes Consent-Management aussehen und implementiert werden kann. 

  1. Denken Sie beim Voice KI Flow-Design in multi-dimensionalen Ebenen 

Viele bereits etablierte KI Lösungen im Voice-Bereich funktionieren noch immer eindimensional d.h. es wird ein bestimmter und vorher definierter Prozess-Flow über Natural Language Processing (NLP) abgearbeitet. Sobald allerdings ein Bruch in diesem Flow erfolgt oder multiple Anfragen gleichzeitig gestellt werden, sind einige Systeme nicht in der Lage diese Anfragen nachzuvollziehen. Nehmen wir als Beispiel einen Mobilfunk-Kunden, der wegen einer überhöhten Rechnung anruft. Während des Dialogs mit der IVR äußert der Kunde: „Ich habe eine Frage zu meiner Rechnung und irgendwie funktioniert bei mir in der Wohnung der Handy-Empfang nicht gut“. Das sind nun zwei prozessual komplett voneinander losgelöste unterschiedliche Themen und KI-Voice-Systeme können dies nur mit entsprechender Konzeption abbilden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welcher Teil der Anfrage aus Kundensicht priorisiert beantwortet werden soll und welche KI Prozesse im Hintergrund angesteuert werden müssen. Bei Multi-Dimension-KI Design kann in dem konkreten Beispiel, während ein Teil der KI die Rechnungsanfrage priorisiert beantwortet, gleichzeitig eine Abfrage zur Netzabdeckung am Wohnort durchgeführt werden, diese mit der aktuellen SIM Kartenkonfiguration abgeglichen und dem Kunden die Antwort direkt im Anschluss an die Rechnungsfrage gegeben werden. 

Bei dem KI-Flow-Design und der Konzeption ist also ebenso ein Augenmerk auf Kombinationswahrscheinlichkeiten von Anfragen inklusive deren inhaltlicher Priorisierung zu geben, damit möglichst wenige Anrufe zum Agenten durchgestellt werden müssen. Klassische Matrix-Designs kommen hier an Grenzen und so ist Neuronalen Designs der Vorzug zu geben.

  1. Gerade gehört und schon Vergessen

Gerade bei der Übergabe von Voice-Transcript-Summaries aus einer Voice KI an einen weiter bearbeitenden Human-Agent, treten die meisten Informationsverluste auf und man wird zwangsläufig an einen kalten Transfer innerhalb der Telefonie erinnert, an der man als Kunde alles wieder von vorne erzählen muss. Daher ist auch bei der Datensammlung innerhalb des Dialogs mit der KI auf die unterschiedlichen Komponenten zu achten. Gut konzipierte Designs beinhalten neben den reinen Informationen wie zum Beispiel: „Welcher Use Case wurde durch die KI erkannt und bearbeitet, welche Antworten sind dem Kunden gegeben worden“, auch Schlüsselworte und Formulierungen des Kunden. Diese können dem Human Agent dann dazu dienen, auf Aussagen des Kunden innerhalb des Virtuellen Agenten zu referenzieren. Parallel muss darauf geachtet werden, dass Inhalte und Entscheidungen innerhalb des Dialogs mit dem Human Agent ebenso der KI übermittelt werden, damit diese mit Machine Learning Ableitungen für zukünftige gleichwerte Situationen nutzen kann.

  1. Keine Voice KI ohne KI-fähiges Agenten-Frontend 

Last but not least: Was nutzt die beste KI in Ihrer IVR, wenn die Frontend-Systeme die generierten Informationen entweder dem Agenten nicht oder nur unzureichend anzeigen oder diese in einem unübersichtlichen Frontend untergehen.

Der Regelfall: Die Informationen liegen vor aber es ist aus Sicht des Mitarbeiters effizienter, sich vom Anrufer den Sachverhalt noch einmal erläutern zu lassen, als sich die Informationen der KI durchzulesen.

Sie werden daher kaum disruptive Ergebnisse bei ihrer Kundenerfahrung sowie in der Nutzung durch ihre Mitarbeiter erzielen, wenn sie diese Komponente nicht in ihrem KI-Konzept priorisiert berücksichtigen.

Letztendlich lebt eine KI von kontinuierlichen Beispielen anhand derer sie lernen kann. Und wie so oft im Kundenservice: Einen besseren Lehrer für die Nöte ihrer Kunde als ihre Customer Service Mitarbeiter werden sie kaum finden.  

Carlos Carvalho – Senior Berater

 junokai

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