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Tipp KW 18 – 2019

Die Implementierung von RPA im Kundenservice ist bereits in vielen Customer Service Organisationen realisiert und auf den ersten Blick sprechen die Argumente für sich:

  • Reduzierte Prozessbearbeitungszeiten aus Kundensicht
  • Hohe Genauigkeit in immer gleichbleibender Qualität bei der Verarbeitung
  • Nahezu unlimitierte Up-and-Down-Skalierbarkeit innerhalb von Prozessen als auch Ergänzung weiterer Tätigkeiten
  • Schnelle Realisierung von Kosteneinsparungen mit absoluter Transparenz sofort ab Start

Um diese gewünschten Effekte aber auch heben zu können, sind einige wesentlichen Punkte im Setup von RPA im Customer Service zu beachten: 

  1. Wichtige Voraussetzungen 

Die absolut essenzielle Frage vor der Potenzialabschätzung für RPA ist: Sind die „As-Is“-Prozesse meiner aktuellen Prozesslandschaft im Sinne von RPA ausreichend definiert, genau dokumentiert und stellen diese auch das zukünftige „To-Be“-Prozess-Bild dar?

Hierbei spielt nicht nur die Bearbeitung auf Prozesssicht, sondern insbesondere auch das tatsächliche Handling eines Agenten und Aktionen im Anschluss eine wesentliche Rolle: 

    • Welche Click-Strecken absolviert der Mitarbeiter in einem Kundengespräch?
    • Wann und wo werden z.B. Informationen von einer Applikation in eine andere kopiert?
    • Wo werden mit z.B. Eingaben des Mitarbeiters weitere Aktionen, wie Dokumentationen, Versand von Informationen an den Kunden durch Eingabe einer bereits an anderer Stelle verfügbaren E-Mail-Adresse angestoßen?
    • Wann und wo werden durch externe und interne Applikationen durch manuellen Einsatz Informationen abgerufen?
    • Wo müssen im Anschluss eines Gesprächs Aktionen manuell durch den Mitarbeiter erfolgen?

Erst mit diesen Informationen und durch diesen Blickwinkel kann man erkennen, wo ein Einsatz eines RPA Sinn machen kann. Vielfach stellt man nämlich fest, dass eine Optimierung oder komplette Neugestaltung des bestehenden Prozesses mit bestehenden Mitteln und Software den gewünschten Effekt auch ohne RPA realisiert werden kann. Falls dies nicht der Fall ist, kann man den nächsten Schritt angehen:

  1. Wie finde ich die richtigen Prozesse für eine RPA?

Sind bestimmte potenzielle Prozesse für einen Einsatz von RPA identifiziert, müssen diese auf die Eignung für RPA validiert und bewertet werden. Hierbei müssen folgende Kriterien erfüllt sein: 

Regelbasiert

    • Sind die Prozesse wiederkehrend, standardisiert und erfolgt die Bearbeitung gemäß klar definierten Regeln und Vorgaben?
    • Kann ausgeschlossen werden, dass Abweichungsmöglichkeiten oder eine Vielzahl von Regeln im betroffenen Prozess existieren?

Stabilitätsbasiert

    • Wird der potenzielle RPA Prozess noch mindestens 2 Jahre so existieren?
    • Ist garantiert, dass sich der Prozess nicht grundlegend oder in wesentlichen Anteilen mehr als 2x pro Jahr ändert?

Volumenbasiert

    • Wird der Prozess mindestens X mal im Monat durchgeführt?
    • Benötigt der aktuelle manuelle Prozess mindestens Y Minuten pro Bearbeitung?
    • Wie viele Mitarbeiter sind aktuell vom manuellen Prozess betroffen?
    • Kann ausgeschlossen werden, dass der Prozess nur in bestimmten saisonalen Rahmenbedingungen oder einmalig benötigt wird?

Diese grundsätzlichen Fragen können genauso ebenfalls auf Customer Service fremde Abteilungen angewendet werden, die einen Einsatz von RPA ins Auge fassen. 

Mit diesen Informationen kann der potenzielle Effekt von RPA pro Prozess ermittelt werden und möglichen Aufwendungen gegenübergestellt werden. 

  1. Welche Kosten und Aufwendungen stehen für RPA im Raum?

 RPA Anbieter und Lizenzkosten

Hierzu zählt erst einmal die Auswahl des Anbieters von RPA. Hierbei ist zu unterscheiden, welche Art von RPA auf Basis der ermittelten Prozessbearbeitungen notwendig wird. Diese reicht von einfachen Robotern, welche nur simple Übertragungsfunktionen übernehmen, bis hin zur Emulation menschlicher Aktionen.

Bezüglich der Anbieterkosten gibt es unterschiedliche Modelle am Markt, angefangen von rein transaktionsbasierten Modellen bis hin zu Varianten, in denen auch das Setup des Roboters bzw. dessen Lizenzen als auch die Anbindung an existierende Systeme mit Pauschalen vergütet werden.
Wichtig ist hier zu beachten, dass bestehende Systeme für die Nutzung eines Roboters, der auf diese zugreift, gesonderte Lizenzen im Sinne eines „Power-Users“ verlangen, die in der Regel durch den RPA-Anbieter nicht berücksichtigt sind und deutlich höher als reguläre Lizenzen kosten können. Hier sollte vor der Entscheidung zum Aufbau eines Roboters immer ein Quercheck mit dem Lizenzmanagement erfolgen.

IT-Integrationskosten

Sollten Sie RPA in Ihrer IT-Landschaft integrieren wollen, müssen diese Mehrkosten an Hardware und Personal für das Setup mit in die Kalkulation einbezogen werden. Selbst bei Cloud-basierten RPA Anbietern müssen die Schnittstellen mit entsprechenden Kosten aufgesetzt  bzw. gebaut werden. Im letzteren Fall ist dringend auch das Thema Datenschutz zu berücksichtigen, da einige Anbieter ihre RPA-Systeme nicht im EU-Bereich hosten und hier je nach verarbeiteten Daten, Konflikte aus Datenschutzsicht möglich sind. Letztendlich müssen die Systeme auch gewartet und erweitert werden, was ggf. auch weitere Mitarbeiterkapazitäten und Kosten im Bereich IT zur Folge hat.

Operative-Kosten

Roboter arbeiten zwar selbstständig, müssen aber regelmäßig hinsichtlich ihrer Performance geprüft und in ihrer Funktion angepasst werden. Wenn man das Know-how zum Bau und zur Verwaltung von RPA nicht komplett einem externen Anbieter überlassen will, empfiehlt sich der Aufbau einer internen bereichsübergreifenden RPA-Einheit, die sich ganzheitlich vom Prozess-Screening, über die Analyse der Prozesse, Erstellung der Requirements zum Aufbau des Roboters, Begleitung des Setups bis hin zur Performance Messung der Ergebnisse kümmert. 

Erst wenn man die potenziellen Benefits der infrage kommenden Prozesse zu den jeweiligen Kosten in Relation setzt, bekommt man ein genaues Bild auf Prozess-Sicht und kann hier auch die jeweiligen verbleibenden sinnvollen RPA-Prozesse priorisieren.

  1. Weitere Punkte zur Berücksichtigung vor einer Entscheidung für RPA

Auch wenn RPA von vielen Agenten als Unterstützung angesehen und positiv bewertet wird, können Befindlichkeiten und Ängste, insbesondere bezüglich des möglichen Abbaus von Arbeitsplätzen durch RPA, nicht immer ausgeräumt werden. Daher sollte vor der Implementierung von RPA die Kommunikation an Mitarbeiter und deren Vertreter sorgsam gewählt werden und möglichst hohe Transparenz bei der Entscheidungsfindung gezeigt werden. Das Risiko, dass eine Arbeitnehmervertretung den Einsatz von RPA im Setup oder Nachgang blockiert kann, damit nicht vollständig ausgeschlossen aber deutlich minimiert werden.

Fazit:

Das Thema RPA bietet viel Potenzial und gerade in Kombination mit stärkerem Einfluss von Künstlicher Intelligenz im Customer Service sind hier noch hohe Potenzierungseffekte realisierbar. 

Ein Erfolgschlüssel ist, im Vorfeld eine detaillierte Kenntnis und Dokumentation der real gelebten Prozesse zu besitzen auf deren Basis dann aufgebaut werden und entschieden werden kann. 

Mit Hilfe der oben angeführten Entscheidungskriterien kann dann auf Basis der Potenziale und des Bedarfs die Auswahl eines RPA Anbieters deutlich erleichtert werden.

Ob man letztendlich eine interne RPA Einheit aufbaut oder RPA bei einem externen Anbieter ausgliedert, hängt unter anderem davon ab, wie man strategisch und möglicherweise auch unter Berücksichtigung des Themas KI an das Thema RPA herangehen will.

Es wird jedoch in jedem Fall empfohlen, schon in einem frühen Stadium der Entscheidung bezüglich RPA betroffene Mitarbeiter und deren Vertreter informativ mit einzubinden und die Effekte transparent zu machen, um eine möglichst reibungslose Implementierung sicherzustellen.

Carlos Carvalho (Berater)
junokai

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